OGH 3Ob101/00z

OGH3Ob101/00z29.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia W*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner und andere Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagte Partei Karl W*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloss und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalts, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2000, GZ 10 R 437/99p-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 15. Oktober 1999, GZ 4 C 60/99i-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 2. 9. 1986 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Die Klägerin begehrt (nach Klagseinschränkung) die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 1.400 ab 1. 5. 1999; sie beziehe eine monatliche Pension von S 10.217, der Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von S 23.000.

Der Beklagte wendete ein, das monatliche Durchschnittseinkommen der Klägerin betrage S 13.000, er beziehe hingegen monatlich S 21.000. Die Klägerin, die keine besonderen Aufwendungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts habe, habe daher keinen Unterhaltsanspruch. Der Klage werde weiters einredeweise die Forderung aus einem Kreditvertrag der Klägerin für ihren Geschäftsbetrieb mit der Raiffeisenkasse Loosdorf entgegengehalten, für den er als Solidarbürge zur Zahlung herangezogen worden sei; er habe insgesamt S

192.982 geleistet. Diese Forderung stehe ihm im Sinn des § 1357 ABGB gegenüber der Klägerin zu.

Die Klägerin replizierte, die Rückzahlung des Betrages von S 192.982 an die Raiffeisenkasse Loosdorf sei ausschließlich im wirtschaftlichen Interesse des Beklagten gelegen, die zugezählten Beträge seien zumindest zur Hälfte für ihn verwendet worden.

Schließlich wendete der Beklagte, soweit sich die Bestreitung der Gegenforderung auf den Zeitpunkt nach der Ehescheidung bzw nach dem rechtskräftigen Abschluss des Aufteilungsverfahrens beziehe, Verjährung und res iudicata ein.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 1.000 ab 1. 5. 1999 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren monatlichen Unterhalts von S 400 sowie "die Aufrechnungseinrede" ab. Das Ersturteil ist in dem das Unterhaltsmehrbegehren abweisenden Teil in Rechtskraft erwachsen.

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest, dass der Beklagte der Schuld der Klägerin aus zwei Kreditverträgen über je S 100.000 als Bürge und Zahler beigetreten sei, wobei jedoch nicht festgestellt werden könne, zu welchem Zweck die Kreditaufnahme erfolgte und ob sie auch dem Beklagten wirtschaftlich zugute kam. Der Beklagte leistete an die kreditgewährende Bank S 192.982.

Die Klägerin ist wegen ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage, einer Beschäftigung nachzugehen; sie bezieht eine Pension von monatlich netto S 12.000; der Beklagte bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von S 20.510.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach §§ 66 ff EheG bestehe mit 40 % des Nettofamilieneinkommens abzüglich ihres Einkommens. Der Beklagte könne die an sich nach § 1358 ABGB zu Recht bestehende Regressforderung als Bürge nicht gegen die eingeklagte gesetzliche Unterhaltsforderung einwenden. Für eine Einwendung gegen künftig fällig werdende Unterhaltsverpflichtungen mangle es an der für die Aufrechenbarkeit notwendigen Fälligkeit beider Forderungen (§ 1439 ABGB). Die Aufrechnung gegen die bereits fällige Unterhaltsschuld, welche den zur Aufrechterhaltung standesgemäßer Lebensführung erforderlichen Betrag nicht übersteige, sei nach § 293 Abs 3 EO unzulässig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung des Beklagten dahin ab, dass es zu lauten hat:

1. Die eingeklagte Forderung besteht mit einem monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000 ab 1. 5. 1999 zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht hinsichtlich der monatlichen Unterhaltsbeträge vom 1. 5. 1999 bis einschließlich 30. 10. 1999 mit insgesamt S 6.000 zu Recht.

Hinsichtlich der Unterhaltsbeträge ab 1. 11. 1999 wird die Aufrechnungseinrede abgewiesen.

3. Der Beklagte hat der Klägerin ab 1. 11. 1999 im Vorhinein jeweils am Ersten eines jeden Monats einen Unterhaltsbetrag von S 1.000 zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, der Beklagte habe der Klägerin ab 1. 5. 1999 einen Unterhaltsbetrag von S 1.400 monatlich, insgesamt daher S 8.400, und ab 1. 11. 1999 im Vorhinein einen weiteren Betrag von S 400 monatlich zu zahlen, wird abgewiesen.

5. Kostenentscheidung.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung gegen Unterhaltsforderungen unter Zugrundelegung der durch die EO-Novelle 1991 geänderten Rechtslage - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege und das Ergebnis von der Rechtsprechung zur Rechtslage davor abweiche.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung des Beklagten sei auch ohne entsprechendes Vorbringen im Verfahren erster Instanz zu prüfen. Unterhaltsansprüche seien sowohl pfändbar als auch ohne Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO der Aufrechnung zugänglich, soweit sie das dem Unterhaltsberechtigten verbleibende Existenzminimum überschreiten. Da das Einkommen der Klägerin von S 12.000 netto monatlich den nach der ExminV 1999 unpfändbaren Freibetrag von S 9.277 übersteige, seien die zusätzlichen Unterhaltsansprüche der Klägerin pfändbar. Die Aufrechnung der dem Beklagten zustehenden Gegenforderung mit der fälligen Klagsforderung sei daher zulässig. Dies habe zur Folge, dass das Klagebegehren insoweit abzuweisen sei. Eine Aufrechnung gegen die zukünftig fällig werdenden Unterhaltsansprüche sei mangels deren Fälligkeit nicht möglich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Für die Zulässigkeit der Aufrechnung ist § 293 Abs 3 EO maßgebend, der - wie in seiner Überschrift ausdrücklich festgehalten ist - zwingendes Recht darstellt (JBl 2000, 390). Danach ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung, abgesehen von den Fällen, wo nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind, nur zulässig zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde.

Die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung des beklagten Unterhaltspflichtigen gegen die eingeklagte gesetzliche Unterhaltsforderung der Klägerin ist somit im vorliegenden Fall nur so weit gegeben, als diese Unterhaltsforderung pfändbar ist oder einer der Ausnahmefälle des § 293 Abs 3 EO vorliegt.

Nach der EO-Novelle 1991 sind gesetzliche Unterhaltsleistung beschränkt pfändbare Forderungen nach § 290a Abs 1 Z 10 EO. Demgemäß ist die Aufrechnung gegen eine gesetzliche Unterhaltsforderung nur gegen ihren pfändbaren Teil unbeschränkt zulässig, gegen ihren unpfändbaren Teil dagegen nur dann, wenn eine der Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO erfüllt sein sollte (Zechner, Forderungsexekution 212 Rz 3 zu § 293).

Für die Frage der unbeschränkten Aufrechenbarkeit nach § 293 Abs 3 EO ist demnach maßgebend, ob die Unterhaltsforderung, gegen die der Beklagte mit seiner Gegenforderung aufrechnen will, pfändbar ist. Gemäß § 290a Abs 1 Z 10 EO darf eine gesetzliche Unterhaltsforderung nur nach Maßgabe des § 291a oder des § 291b EO gepfändet werden. Hiebei kommt es nicht allein auf die Höhe der gesetzlichen Unterhaltsforderung der Klägerin gegen den Beklagten, die hier nur S 1.000 beträgt, an. Nach den in § 292 EO normierten Grundsätzen der Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte sind vielmehr auch die sonstigen Einkünfte der Klägerin zu berücksichtigen. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, sind hier die Unterhaltsansprüche der Klägerin demnach pfändbar, weil ihre Pension von S 12.000 netto monatlich den nach der ExMinV 1999 unpfändbaren Freibetrag von S 9.277 übersteigt und gemäß § 292 Abs 3 EO für die Gewährung des Freibetrages heranzuziehen ist.

Es war somit der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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