OGH 8ObA144/00k

OGH8ObA144/00k21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Klaus Hajek und Dr. Erwin Blazek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Land Vorarlberg, vertreten durch Dr. Gerhard Preisl und Dr. Helgar Georg Schneider, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Patrick S*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 195.000,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2000, GZ 13 Ra 1/00w-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. September 1999, GZ 47 Cga 63/99v-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 195.000 samt 4 % Zinsen seit 12. 8. 1996 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 46.271,70 (darin S 7.711,95 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.349,-- (darin S 2.291,50 USt und S 10.600,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit S 23.150,-- (darin S 1.650,-- USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte wohnte vor dem 1. 3. 1993 bei seinen Eltern in Vorarlberg. In der Zeit vom 1. 3. 1993 bis 28. 2. 1996 besuchte er in Innsbruck die Krankenpflegeschule im Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe, der TILAK-Landes-Krankenanstalten-GesmbH. Er absolvierte diese erfolgreich und ist seither Diplomkrankenpfleger.

Nach Rücksprache der Mutter des Beklagten bei einem Beamten der Klägerin ersuchte der Beklagte mit Schreiben vom 8. 3. 1993 die Klägerin um Übernahme der Kosten für seine Ausbildung in dieser Krankenpflegeschule. Gleichzeitig unterfertigte er eine ihm von der Klägerin zugemittelte Verpflichtungserklärung folgenden Inhalts:

"Ich, ... (Beklagter), verpflichte mich, die vom Land Vorarlberg zum Besuch der Krankenpflegeschule bezahlten Ausbildungskosten (incl. MWSt) zurückzuzahlen, wenn ich im Anschluss an den erfolgreichen Abschluss der Krankenpflegeschule (mit Diplomprüfung) den Beruf als Dipl.-Krankenschwester/Dipl.-Krankenpfleger in einer Krankenanstalt im Land Vorarlberg, in der Hauskrankenpflege, einer Sonderanstalt für Alters- und Chronischkranke oder einer anderen derartigen öffentlichen im Einzelfall anzuerkennenden Einrichtung in Vorarlberg während eines Zeitraums von mindestens drei Jahren nicht ausübe.

Weiters verpflichte ich mich, dem Amt der Vorarlberger Landesregierung ab Ausbildungsende jede Adressenänderung, jegliche Aufnahme, Veränderung oder Beendigung meiner beruflichen Tätigkeit als Dipl.-Krankenschwester/Dipl.-Krankenpfleger bis zum Ablauf der dreijährigen Verpflichtungsfrist umgehend schriftlich zu melden, wobei letztere Anzeige vom Arbeitgeber bestätigt sein muss.

Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die vom Land Vorarlberg für mich zu tragenden jährlichen Ausbildungskosten derzeit pauschal S 160.000 zuzüglich 10 % MWSt betragen.

Bei einer unter drei Jahren liegenden Berufsausübung in einer der vorgenannten Vorarlberger Einrichtungen sind die Ausbildungskosten aliquot nach Beschäftigungszeitraum, dem Amt der Vorarlberger Landesregierung, Konto-Nr. ..., zu ersetzen.

Diese Verpflichtungserklärung begründet von sich aus noch keinen Anspruch auf eine Anstellung an einer Vorarlberger Krankenanstalt oder einer Sonderanstalt für Alters- und Chronischkranke."

Mit Schreiben vom 27. 5. 1993 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie die für die Zeit des Ausbildungslehrganges 1993 bis 1996 in Rechnung gestellten Schulbeiträge von jährlich derzeit S 176.000 übernimmt.

Mit Beschluss der Vorarlberger Landesregierung vom 26. 4. 1994 wurden die Richtlinien betreffend die volle Rückzahlung der Ausbildungskosten dahingehend abgeändert, dass der jährliche Rückerstattungsbetrag bei Nichteinhaltung der übernommenen Verpflichtung auf S 65.000 pro Schuljahr herabgesetzt wurde, womit sich die grundsätzliche Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten auf den Klagsbetrag ermäßigte.

Am 29. 4. 1996 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er am 1. 3. 1996 eine Stelle in einem Tiroler Landeskrankenhaus angetreten habe und aus familiären Gründen nicht nach Vorarlberg zurückkehren werde, sodass er die gegenüber der Klägerin übernommene Verpflichtung nicht einhalten könne. Der Beklagte ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Er lebt in Lebensgemeinschaft mit einer Diplomkrankenschwester, welche derzeit eine Ausbildung in der Krankenpflegeschule in Innsbruck absolviert. Der Beklagte hat an der Neurochirurgischen Abteilung der Universitätsklinik Innsbruck die Ausbildung zum Intensivpfleger begonnen. Diesen von ihm gewünschten Ausbildungszweig gibt es in Vorarlberg nicht.

Hätte der Beklagte die Ausbildungskosten selbst tragen müssen, wäre ihm der Besuch der Krankenpflegeschule nicht möglich gewesen. Während des Besuchs dieser Schule erhielt er ein monatliches Taschengeld in Höhe von S 1.100.

Mit ihrer am 22. 2. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, den Beklagten zur Zahlung des Betrages von S 195.000 sA zu verpflichten. Die Klägerin sei eine Gebietskörperschaft und betreibe zur gesundheitsmedizinischen Versorgung der Bevölkerung mehrere Krankenhäuser. Im Hoheitsgebiet der Klägerin seien keine Ausbildungsstätten für Krankenpfleger vorhanden, sodass diese Ausbildung in anderen Bundesländern durchgeführt werden müsse. Die Klägerin unterstütze seit Jahren die Schüler finanziell, sofern sich diese dazu bereit erklärten, nach der Ausbildung eine gewisse Zeit in Krankenhäusern im Hoheitsgebiet der Klägerin tätig zu sein. Mit Erklärung vom 12. 3. 1993 habe sich der Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin für den Besuch der Krankenpflegeschule Innsbruck bezahlten Ausbildungskosten zurückzuzahlen, wenn er nicht während eines Zeitraumes von mindestens drei Jahren im Anschluss an den erfolgreichen Abschluss der Krankenpflegeschule den Beruf als diplomierter Krankenpfleger in einer Krankenanstalt oder gleichgestellten Einrichtungen im Land Vorarlberg ausübe. Der Beklagte habe diese Verpflichtungserklärung aus freien Stücken unterfertigt. Es handle sich um keine "Knebelungsvereinbarung", zumal seit 1996 genügend freie Arbeitsplätze in Vorarlberger Krankenhäusern vorhanden gewesen seien, sodass der Beklagte jederzeit eine Arbeitsstelle hätte erlangen können. Die Klägerin habe für die Ausbildung des Beklagten insgesamt S 528.000 bezahlt.

Der Beklagte wendete dagegen ein, die Verpflichtungserklärung sei durch einen von der Klägerin veranlassten und dieser zurechenbaren Irrtum sowie ungerechtfertigten Druck herbeigeführt worden, weil dem Beklagten entgegen der Gesetzeslage vorgespiegelt worden sei, er müsse die Ausbildung selbst bezahlen. Der Beklagte hätte die Verpflichtungserklärung nie unterschrieben, wenn ihm die Gesetzeslage richtig dargestellt worden wäre. Aus den Bestimmungen der §§ 9 Abs 7 und 11 Abs 3 KrPflG ergebe sich, dass der Beklagte als österreichischer Staatsbürger die Ausbildungskosten nie hätte selbst tragen müssen, weshalb die Klägerin eine gar nicht bestehende Kostenersatzpflicht auf ihn auch nicht hätte überwälzen dürfen. Die Vereinbarung stelle einen sittenwidrigen Knebelungsvertrag dar, welcher gegen die Grundrechte der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Selbstbestimmung der auszubildenden Arbeitnehmer verstoße. Die Rückzahlungsvereinbarung sei zudem nicht wirksam zustandegekommen, weil die Klägerin das Schreiben des Beklagten nicht innerhalb der gesetzlichen Frist angenommen habe. Es mangle ihr auch an der Bestimmtheit. Der Anspruch sei verjährt. Der Kläger habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen nach Tirol verlegt; es sei ihm auf Grund seiner familiären und privaten Bindungen unzumutbar, eine Tätigkeit im Sinne der Verpflichtungserklärung in Vorarlberg anzutreten. Auch wäre ihm dort die angestrebte Ausbildung im Fach neurochirurgische Intensivkrankenpflege nicht möglich gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass Ausbildungskosten-Rückersatzklauseln nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zulässig seien, soferne die Interessenabwägung keine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Ausgebildeten ergebe. Im vorliegenden Fall sei die Ausbildung in erster Linie dem Beklagten zugute gekommen, da er die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt einsetzen könne. Der Beklagte müsse zudem nur einen Teil der Ausbildungskosten ersetzen. Die Rückerstattungsklausel verstoße daher nicht gegen die guten Sitten oder das Grundrecht der Erwerbsfreiheit. Art 48 EGV über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer komme hier nicht zur Anwendung, weil keine gemeinschaftsrechtliche Anknüpfung gegeben sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen führte es zur Rechtsrüge aus, dass die Forderung frühestens am 29. 4. 1996, somit zu jenem Zeitpunkt fällig geworden sei, zu welchem festgestanden sei, dass der Beklagte der übernommenen Verpflichtung nicht nachkomme. Erst ab diesem Zeitpunkt habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Abgesehen davon sei die Klage auch noch innerhalb von drei Jahren seit dem am 28. 2. 1996 erfolgten Abschluss der Ausbildung des Beklagten eingebracht worden, sodass der Anspruch nicht verjährt sei.

Es lägen keine Beweisergebnisse vor, aus welchen sich ableiten lasse, dass gegen den Beklagten ungerechtfertigter Druck ausgeübt oder er arglistig in die Irre geführt worden wäre. Gemessen an den von der Judikatur zur Beurteilung von Rückzahlungsvereinbarungen aufgestellten Kriterien könne nicht vom Vorliegen eines unzulässigen oder sittenwidrigen "Knebelungsvertrags" gesprochen werden. Die vom Beklagten eingegangene Verpflichtung übersteige den von der Judikatur tolerierten Zeitraum von drei Jahren nicht. Die Verpflichtung des Beklagten zur Dienstleistung sei nicht nur auf Krankenanstalten der Klägerin beschränkt gewesen, sondern sei die Berufsausübung auch in der Hauskrankenpflege, Sonderanstalten oder gleichgestellten Einrichtungen freigestellt gewesen. Die Ausbildung des Beklagten habe insoweit keineswegs nur der Deckung des Personalbedarfs von Krankenanstalten der Klägerin gedient. Vielmehr sei die Vereinbarung im Interesse der Sicherstellung des Personalbedarfs aller im Hoheitsgebiet der Klägerin im Krankenpflegebereich tätigen Einrichtungen gelegen, und zwar auch der anerkannten privaten Institutionen. Der Klägerin sei während der Ausbildungszeit des Beklagten aus dessen Tätigkeit keinerlei Nutzen erwachsen und könne auch aus den Bestimmungen des KrPflG nicht die Unzulässigkeit der Rückzahlungsvereinbarung abgeleitet werden. Die Kostentragungsregelung hinsichtlich Ausländern des § 9 Abs 7 leg cit lasse ebensowenig wie die Bestimmung des § 11 Abs 3 leg cit den Schluss zu, nur Ausländer müssten die Ausbildungskosten tragen, weil sich dem Gesetz kein Hinweis dafür entnehmen lasse, dass nicht auch österreichische Staatsbürger unter bestimmten Voraussetzungen zum Rückersatz dieser Kosten verpflichtet werden könnten. Die Rückzahlungsvereinbarung sei auch nicht unbestimmt und werde auch nicht dadurch sittenwidrig, dass ein Rechtsanspruch auf Anstellung in einer Krankenanstalt oder einer Sonderanstalt der Klägerin ausgeschlossen sei. Dieser Hinweis habe vom Beklagten nur dahingehend verstanden werden können, dass es - wie bei allen übrigen Arbeitnehmern - allein Sache des Beklagten sei, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Abgesehen davon habe der Beklagte gar nicht behauptet, dass es ihm trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen wäre, im Hoheitsgebiet der Klägerin eine Anstellung zu finden. Es sei nicht entscheidungswesentlich, an wen die Klägerin die Ausbildungskosten bezahlt habe, ausschlaggebend sei vielmehr, dass sie diese Kosten tatsächlich getragen habe, weshalb sie nach der getroffenen Vereinbarung zur Rückforderung berechtigt gewesen sei. Die Rückzahlungsvereinbarung sei schon deshalb nicht europarechtswidrig, weil sie nicht zu einer direkten oder indirekten Diskriminierung von EU-Ausländern geführt habe. Abgesehen davon wäre nach der Rechtsprechung des EuGH eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit des Beklagten nach Art 48 EG-Vertrag gerechtfertigt, weil sie einem erlaubten und für die Allgemeinheit wichtigen Zweck, nämlich der Sicherstellung des Betriebs von Gesundheitseinrichtungen im Land, gedient habe. Auch könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass sein Antrag verspätet angenommen worden sei, weil er die von der Klägerin finanzierte Ausbildung als Krankenpfleger tatsächlich in Anspruch genommen habe. Dem Beklagten sei auch nicht die Möglichkeit zur Weiterbildung genommen worden, weil es ihm freigestanden sei, nach Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist eine mögliche Ausbildung zum Neurochirurgie-Intensiv-Pfleger in einem anderen Bundesland zu absolvieren.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt.

Vor Eingehen in die Sache selbst ist darauf zu verweisen, dass - wie im Folgenden noch ausführlich dargestellt werden wird - eine Arbeitsrechtssache im Sinn des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG nicht vorliegt, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Arbeitgeberin des Beklagten war und auch kein ein Arbeitsverhältnis betreffender Vorvertrag geschlossen wurde (vgl Löschnigg/Kern, Rückerstattung von EDV-Ausbildungskosten, EDVuR 1986, H 2, 18). Da sich die qualifiziert vertretenen Parteien rügelos in die Verhandlung eingelassen haben, kann dieser Umstand nicht mehr berücksichtigt werden (§ 37 Abs 1 ASGG iVm § 260 Abs 4 ZPO).

Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass Rechtsprechung und Lehre die Wirksamkeit von Vereinbarungen anerkennen, mit denen sich ein Dienstnehmer zur Rückzahlung von Ausbildungskosten für den Fall verpflichet, dass das Dienstverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit aufgelöst wird. Die Vereinbarung darf nur das dem Dienstnehmer zustehende Kündigungsrecht nicht unzumutbar beschränken und nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten wird dann angenommen, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt, so etwa wenn dem Ausgebildeten das alleinige und beachtliche finanzielle Risiko der Ausbildung aufgebürdet wird oder wenn die Erfüllung der Verpflichtung eine unverhältnismäßig große Belastung bedeutet (SZ 45/122; SZ 58/189; RdW 1988, 429; RdW 1998, 97 ua). Insbesondere in der letztgenannten Entscheidung RdW 1998, 97 wurde festgehalten, die Vereinbarung über den Rückersatz der Ausbildungskosten bewirke keine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen, weil die wirtschaftliche Nutzung der verbesserten Berufsqualifikation gewährleistet und der wirtschaftliche Vorteil der verbesserten Berufschancen am Arbeitsmarkt bereits zur Gänze erworben sei, sodass die wirtschaftliche Kündigungsbeschränkung für den nicht unüblichen Zeitraum von fünf Jahren interessenmäßig aufgewogen werde. Es wurde weiters ausgesprochen, dass auch vor der ausdrücklichen Regelung eine Rückersatzpflicht der Ausbildungskosten im § 20 Abs 4 BDG durch die Novelle 1988 und im § 30 Abs 5 VBG bei öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen privatrechtliche Vereinbarungen über den Ersatz der tatsächlich aufgewendeten Ausbildungskosten bei Lösung des Dienstverhältnisses durch den Dienstnehmer vor einer bestimmten Zeit im Rahmen des sonst Zulässigen wirksam getroffen werden könnten. Die Zulässigkeit hänge insbesondere von der Höhe der tatsächlichen Ausbildungskosten, den weiteren beruflichen Möglichkeiten, die dem Arbeitnehmer dadurch am allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnet wurden und der Dauer der Bindung ab. Der Arbeitnehmer müsse mit der Ausbildung eine angemessene Gegenleistung für die zeitlich begrenzte vertragliche Bindung an seinen Arbeitgeber erhalten haben. Nur so weit dieses Ausmaß überschritten werde, liege eine sittenwidrige Knebelung und daher unwirksame Vereinbarung vor (ArbSlg 9787; SZ 58/189; ecolex 1994, 835). Letzterer Rechtssatz wurde für den Hoheitsbereich der Klägerin in der Entscheidung ArbSlg 11.516 wiederholt und ausgeführt, dass, obwohl die bundesgesetzlichen Regelungen (§ 20 Abs 4 BDG, § 30 Abs 5 VBG) über die Rückersatzpflicht von Ausbildungskosten vom Landesgesetzgeber nicht in die landesgesetzliche Regelung aufgenommen worden seien, ein Rückersatz dann möglich sei, wenn im konkreten Fall eine Rückzahlungsverpflichtung bei der privatautonomen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden sei. Eine der bundesrechtlichen Regelung adäquate landesgesetzliche Regelung könne auch durch Einzelvertrag getroffen werden.

Der hier zu beurteilende Fall zeichnet sich allerdings dadurch aus, dass die Klägerin gerade nicht Arbeitgeberin des Beklagten war und sich auch nicht dazu verpflichtet hat, ihn nach Abschluss der Ausbildung einzustellen. Ganz im Gegenteil hat sie in der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verpflichtungserklärung ausdrücklich festgehalten, dass diese keinen Anspruch auf Anstellung an einer Vorarlberger Kranken- oder Sonderanstalt begründe. In diesem Sachverhaltselement liegt auch der wesentliche Unterschied zu dem in ArbSlg 8622 entschiedenen Fall, in welchem das klagende Land ausdrücklich die Beschäftigung in einem ihrer Krankenhäuser nach Ausbildung der Beklagten zur Röntgenassistentin angeboten hatte. Der Oberste Gerichtshof bejahte dort die Wirksamkeit der Verpflichtung zur Rückzahlung der vom Land getragenen Ausbildungskosten, weil die Beklagte die Bedingung des Ausbildungsvertrages nicht erfüllt habe, obwohl sie dazu imstande gewesen wäre. Der hier zu beurteilende Fall ist eher jenem zu ArbSlg 9163 entschiedenen vergleichbar, dem eine rein schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Ausbildner und Auszubildendem zugrundelag. In dieser ebenfalls die Rückzahlung der Ausbildungskosten betreffenden Vereinbarung verpflichtete sich der Auszubildende unter anderem nach positiver Beendigung der Ausbildung nur mit solchen Firmen Bewerbungsgespräche zu führen, die die Ausbildungsgesellschaft um die Selektion und Ausbildung von Datenverarbeitungsspezialisten ersucht hatten und die ihm genannt werden, dies jedoch längstens über einen Zeitraum von zwei Jahren. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs lag die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung in der einseitigen Betonung der Rechte und Interessen des Ausbildners gegenüber denen des Ausbildungswerbers, die dazu führten, dass letzten Endes ihm das alleinige und beachtliche finanzielle Risiko der Ausbildung aufgebürdet wurde. Auch die Grenze solcher rein schuldrechtlichen Vereinbarungen wird durch die Kriterien des § 879 ABGB der Sittenwidrigkeit gebildet (Löschnigg/Kern, Rückerstattung von EDV-Ausbildungskosten, EDVuR 1986 H 2, 18).

Die bereits zitierte Entscheidung ArbSlg 8622 sprach weiters aus, dass die Frage der Entgeltlichkeit eines solchen Ausbildungsvertrages im § 9 Abs 7 Krankenpflegegesetz (KrPflG) nur für jene Personen geregelt sei, die nicht österreichische Staatsbürger oder diesen Gleichgestellte seien. Die Frage der Entgeltlichkeit des Ausbildungsvertrags sei daher bei österreichischen Staatsbürgern der Parteienvereinbarung überlassen. Auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist das Bundesgesetz betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (KrPflG), allerdings in der Fassung BGBl 872/1992 anzuwenden, weil das dieses ersetzende Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) gemäß seinem § 117 am 1. September 1997 - somit nach Verwirklichung der hier relevanten Sachverhalte - in Kraft getreten ist.

§ 9 Abs 1 KrPflG regelt in den litterae a bis e, welche Nachweise Personen, die sich um die Aufnahme in eine Krankenpflegeschule bewerben, zu erbringen haben. Erforderlich sind der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft, ein Lebensalter nicht über 35 Jahre, die zur Erfüllung der Berufspflichten nötige körperliche, geistige und gesundheitliche Eignung, die Unbescholtenheit und der erfolgreiche Besuch des ersten Ausbildungsjahres nach erfolgreicher Absolvierung der allgemeinen Schulpflicht. Abs 7 der genannten Gesetzesstelle behandelt die Aufnahme von Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder diesen nach den in Abs 5 genannten Kriterien nicht gleichgehalten werden können. Die Aufnahmekommission kann demnach die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft unter anderem dann erteilen, wenn der Bewerber die Kosten der Ausbildung selbst trägt. Staatsangehörige einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) haben die Kosten der Ausbildung selbst zu tragen, ausgenommen Kinder eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei, der in Österreich beschäftigt ist oder gewesen ist, wenn sie in Österreich wohnen. Letztere Bestimmung über die Entgeltlichkeit des Schulbesuchs EWR-Angehöriger hat ihre Grundlage im Protokoll 29 des EWR-Abkommens über die berufliche Bildung (460 BlgNR XVIII. GP, 389), das besagt, dass die Bestimmungen betreffend das Aufenthaltsrecht für Studenten die vor Inkrafttreten des Abkommens über den EWR bestehenden Möglichkeiten einzelner Vertragsparteien in Bezug auf die von ausländischen Studenten erhobenen Studiengebühren nicht berühren.

Gemäß § 11 Abs 3 KrPflG hat der Träger der Krankenpflegeschule den Schülern(innen) Verpflegung und Dienstkleidung zu gewähren. Sofern die Aufnahme in die Krankenpflegeschule nicht unter Erteilung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (§ 9 Abs 7) erfolgt ist, haben die Krankenpflegeschüler(innen) auch Anspruch auf eine monatliche Entschädigung, die nach Anhören der gesetzlichen Vertretung der Dienstnehmer vom Rechtsträger der Krankenpflegeschule ihrer Höhe nach festzusetzen und zu leisten ist. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (345 BlgNR IX. GP, 18 f) kommentieren diese Gesetzesstelle unter anderem wie folgt:

"Schon das derzeit geltende Krankenpflegegesetz bestimmt, dass den 'in internatsmäßiger Ausbildung stehenden Personen' freie Unterbringung, Verpflegung und Dienstkleidung gebührt. Dieser Anspruch der Schüler(innen) wird auch im gegenständlichen Entwurf festgelegt".

Die Internatspflicht wurde durch das GuKG aufgehoben. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (709 BlgNR XX. GP, 46) verweisen darauf, dass die Aufhebung der Internatspflicht in Krankenpflegeschulen "weitreichende Kosteneinsparungen für die Schulträger zur Folge haben" wird. Auf Grund der bisherigen Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes seien freie Unterkunft und Verpflegung für alle Krankenpflegeschüler(innen) zur Verfügung zu stellen gewesen. Der Wegfall der Internatspflicht ermögliche nunmehr, "sowohl eine kostendeckende wirtschaftliche Führung von Internaten oder Wohnheimen oder ähnlichen Einrichtungen als auch die Auflösung bestehender Einrichtungen, sofern Bedarf, Auslastung bzw Infrastruktur dies angezeigt erscheinen" lassen. Die Erläuternden Bemerkungen stellen weiters einleitend dar (aaO 41), Regelungen über die Kostentragung seien im Rahmen des vorliegenden Gesetzes vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit für Private Gesundheits- und Krankenpflegeschulen sowie Pflegehilfelehrgänge zu führen, nicht getroffen worden, da dies einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit bzw Privatautonomie des Trägers der Ausbildungseinrichtung bedeuten würde. Die Berechnung der durch das neue Gesetz bewirkten Einsparungen (aaO 48) weist unter der Rubrik Einsparungspotential/Einnahmen pro Jahr lediglich für das Bundesland Steiermark den Zusatz auf "Hinsichtlich Internat bestehende Einnahmen".

Der dargestellte Gesetzestext des KrPflG sowie die Erläuternden Bemerkungen zur alten und neuen Gesetzeslage zeigen, dass der Bundesgesetzgeber ganz offenkundig für den Bereich des Krankenpflegegesetzes nicht von einer Kostenersatzpflicht österreichischer Staatsbürger ausging. Dies indiziert nicht nur die Formulierung der §§ 9 Abs 7, 11 Abs 3 KrPflG, sondern ergibt sich vor allem aus den Erläuternden Bemerkungen zum GuKG, die im Wegfall der bislang freien Internatsunterbringung und der nun gegebenen Möglichkeit einer kostendeckenden wirtschaftlichen Führung von Internaten ein besonderes Einsparungspotential sehen.

Träger der vom Beklagten besuchten Krankenpflegeschule ist die Tiroler Landes-Krankenanstalten-Gesellschaft mbH (TILAK GesmbH), deren einziger Gesellschafter, wie der Oberste Gerichtshof durch Firmenbucheinsicht erhoben hat, das Land Tirol ist. Es liegt daher ein Unternehmen im Sinne des Art 7 Abs 4 der Tiroler Landesordnung 1989 ("Das Land Tirol hat seine erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten grundsätzlich auf solche Unternehmen zu beschränken, die einem Gemeinschaftsbedarf entsprechen und deren Ausübung durch Andere nicht zweckmäßiger ist") vor, das gemäß Art 67 der Landesordnung der Gebarungskontrolle durch den Landtag unterworfen ist. Es liegt daher keine "privat" betriebene Krankenpflegeschule vor.

Es ist im Verfahren weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, dass die TILAK GesmbH einzelnen Schülern Kosten für den Schulbesuch vorschreibe oder dass es diesbezüglich Tarife oder Gebührenordnungen gäbe. Es muss auch nicht untersucht werden, ob ein Bundesland, das mit einem Schüler durch arbeitsrechtlichen Vertrag verbunden ist, die ihm bekanntgegebenen Kosten des Schulbesuchs als zweckgewidmeten Sachaufwand durch eine Rückersatzverpflichtung absichern kann, wie dies offenbar in ArbSlg 8622 der Fall war, weil der Beklagte zur Klägerin - wie bereits dargestellt - in keinem arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnis stand. Mag auch das Interesse der Klägerin, Krankenpfleger innerhalb ihres Hoheitsgebiets zu halten, durchaus begrüßenswert und nachvollziehbar sein, darf doch nicht übersehen werden, dass bei der von der Klägerin gewählten Konstruktion der Beklagte in keiner Weise abgesichert war, sondern das Risiko der Ausbildung überwiegend allein zu tragen hatte. Im Gegensatz zu allen bisher judizierten Fällen, in denen eine Rückersatzverpflichtung für zulässig erkannt wurde, wusste der Beklagte nicht, ob, wo und in welchem Bereich er eine Ausbildungsstelle innerhalb des Hoheitsgebiets der Klägerin finden würde. Bei der gegebenen Vielfalt der Ausübungsmöglichkeiten des Krankenpflegerberufs war es mehr oder minder dem Zufall überlassen, in welchem Bereich er eine freie Stelle finden würde, sodass er persönliche Interessen jedenfalls für den Zeitraum von rund drei Jahren völlig hintanstellen musste. Die gleichen Überlegungen gelten für die örtliche Zuordnung des späteren Arbeitsplatzes. Wägt man die Interessen der Streitteile gegeneinander ab, steht dem Interesse der Klägerin auf Förderung des Gemeinwohls jenes des Beklagten auf überschaubare Lebensplanung gegenüber. Bedenkt man, dass nach den oben dargestellten Intentionen des Bundesgesetzgebers der Besuch der Krankenpflegeschule für österreichische Staatsbürger kostenlos sein sollte, stellt die ohne erkennbare gesetzliche Grundlage vorgenommene Überwälzung der in einem Finanzausgleich zwischen den Ländern von der Klägerin zu tragenden anteiligen Kosten der Schulerhaltung auf den Beklagten mittels schuldrechtlicher Vereinbarung über eine an das Hoheitsgebiet der Klägerin gebundene zukünftige Berufsausübung einen Eingriff in die Grundrechte der Freiheit der Berufswahl und der Erwerbstätigkeit gemäß Art 6 StGG und Art 18 StGG dar (vgl Oberndorfer, Die Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit in der neueren Grundrechtsjudikatur, JBl 1992, 273), der nicht mehr als angemessen und sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Anders als bei Vorliegen eines arbeitsrechtlichen (Vor-)Vertrages konnte der Beklagte auch die Konditionen, zu welchen er im Hoheitsgebiet der Klägerin würde arbeiten müssen, nicht abschätzen, weshalb es ihm im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung auch nicht möglich war, deren Tragweite zu erkennen. Das Allgemeininteresse an einer funktionierenden Krankenversorgung allein kann es aber nicht rechtfertigen, einem Einzelnen ohne jede kalkulierbare Absicherung die nach den Intentionen des Bundesgesetzgebers von der Allgemeinheit zu tragenden Ausbildungskosten anteilig aufzuerlegen. Die grobe Verletzung der rechtlich geschützten Interessen des Beklagten macht daher die hier strittige Verpflichtungserklärung vom 12. 3. 1993 nichtig.

In Stattgebung der Revision sind die Urteile der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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