OGH 6Ob262/00y

OGH6Ob262/00y23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Celine S*****, in Obsorge der Mutter Marietta S*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 28. August 2000, GZ 21 R 283/00t-26, womit über den Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz der Beschluss des Bezirksgerichtes Lambach vom 4. August 2000, GZ 5 P 74/99s-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 19. 1. 1997 geborene Minderjährige hat die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie ist das uneheliche Kind der Marietta S***** und des in der Schweiz unter bekannter Anschrift lebenden Peter R*****, der die Vaterschaft zum Kind am 7. 3. 1997 in der Schweiz anerkannt hat. Die Eltern haben am 10. 3. 1997 in der Schweiz einen von der dortigen Vormundschaftsbehörde genehmigten Unterhaltsvertrag geschlossen. Der Vater verpflichtete sich zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 650 sfr bis zum vollendeten 6. Lebensjahr des Kindes. Die Mutter und das Kind nahmen in der Folge in Österreich Aufenthalt. Der mit Zustimmung der Mutter gemäß § 212 Abs 2 ABGB zum Unterhaltssachwalter bestellte Jugendwohlfahrtsträger beantragte am 11. 8. 1999 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von 5.481 S monatlich mit der Begründung, die Führung einer Exekution scheine aussichtslos, weil weder ein Drittschuldner noch ein verwertbares Vermögen bekannt sei.

Das Erstgericht bewilligte auch im zweiten Rechtsgang den beantragten Unterhaltsvorschuss und ging dabei von den Antragsbehauptungen und dem Umstand aus, dass der unterhaltspflichtige Vater seit über einem Jahr keinerlei Unterhaltszahlungen geleistet habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz nicht Folge. Auch wenn das Erstgericht das ihm mit dem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang aufgetragene Verbesserungsverfahren zur Ergänzung der Parteibehauptungen über das Vorhandensein eines Drittschuldners im Ausland nicht durchgeführt habe, sei von einer Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung auszugehen, weil der Unterhaltssachwalter beim Erstgericht schon am 28. 9. 1999 einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens nach dem Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20. 6. 1956 (New Yorker Unterhaltsschutzabkommen) gestellt habe, der im Wege des Bundesministeriums für Justiz weitergeleitet worden sei, aber bislang nach der Aktenlage keinerlei verwertbares Ergebnis gebracht habe, obwohl der Exekutionstitel in der Schweiz zu vollstrecken sei. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung sei eine Exekutionsführung im Ausland nicht aussichtslos, wenn der Aufenthalt und die Beschäftigung des Unterhaltsschuldners bekannt seien und die Vollstreckung durch internationale Verträge nicht bloß geordnet, sondern durch die konkrete Behördenpraxis auch gewährleistet sei. Wenn eine Exekution in absehbarer Zeit einen Erfolg nicht erwarten lasse, müsse Aussichtslosigkeit angenommen werden. Wenn sich das Kind hier der Möglichkeiten des Unterhaltsschutzabkommens bediene und dieser Versuch nach etwa einem halben Jahr noch nicht einmal zur Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens gegen den Vater in der Schweiz geführt habe, sei eine Exekutionsführung aussichtslos. Nach der Aktenlage sei nach wie vor kein Drittschuldner bekannt.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, nach welchem Zeitraum bei einem anhängigen Verfahren nach dem New Yorker Unterhaltsschutzabkommen von einer Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung ausgegangen werden dürfe.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Präsident des Oberlandesgerichtes die Abänderung dahin, dass der Antrag auf Unterhaltsvorschuss abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Vorauszuschicken ist, dass im zweiten Rechtsgang die Behauptung des Unterhaltssachwalters vorliegt, ein Beschäftigungsverhältnis des Unterhaltsschuldners sei weder in Österreich noch in der Schweiz bekannt und damit sowohl im Inland als auch im Ausland eine Exekutionsführung auf ein Arbeitseinkommen unmöglich. Von dieser Behauptung, die sich auch aus dem Antrag nach dem New Yorker Unterhaltsschutzabkommen ableiten lässt (auch dort wird ein Drittschuldner nicht angeführt), ist gemäß § 11 UVG auszugehen. Damit war die Sache aber nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung im Sinne einer Stattgebung des Antrages auf Unterhaltsvorschuss spruchreif. Eine Exekutionsführung im Ausland vor der Vorschussgewährung wird nur dann für erforderlich gehalten, wenn kumulativ die Voraussetzungen vorliegen, dass die Vollstreckbarkeit durch die Behördenpraxis im Ausland gesichert ist (dies wurde beispielsweise für die Schweiz, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und Norwegen schon bejaht) und dass ferner der Aufenthalt des Unterhaltsschuldners und sein Beschäftigungsverhältnis bekannt sind (8 Ob 598-601/91 = EvBl 1992/42; 3 Ob 529/91 mwN). Wenn eine dieser Voraussetzungen fehlt, liegt die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland zumindest nahe. Dass an dieser Beurteilung der Umstand nichts ändert, dass sich die durch einen Unterhaltssachwalter berechtigten Kinder des im genannten Unterhaltsschutzabkommen (BGBl 1969/316 idgF) bezeichneten Weges bedienen können, wurde schon in der Entscheidung 3 Ob 529/91 (EFSlg 66.591, 66.594) unter Hinweis auf "erfahrungsgemäß monatelange Verzögerungen" bemerkt, wie sie hier aktenkundig auch auftraten. Anders läge der Fall nur dann, wenn ein Drittschuldner konkret bekannt wäre. Längere Zeit in Anspruch nehmende Erhebungen widersprächen dem Zweck des UVG, den Minderjährigen möglichst rasch zu ihrem Unterhalt zu verhelfen (7 Ob 73/00m).

Der Revisionsrekurswerber steht auf dem Standpunkt, dass eine Exekutionsführung vor der Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschüssen erforderlich sei, dass ein Exekutionsversuch nur bei einer von vorneherein gegebenen Aussichtslosigkeit unterbleiben könne und dass diese Aussichtslosigkeit nicht nachträglich bescheinigt werden dürfe, weil dies einer verpönten Anmeldung eines Vorschussanspruchs gleichkäme und in unzulässiger Weise "einige Monate an Vorschusszeit" gewonnen werden könnten. Diesem Rekursvorbringen ist die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung entgegenzuhalten, dass für den Anschein der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern die objektive Lage zur Zeit der Fassung des Beschlusses erster Instanz maßgeblich ist (6 Ob 90/98y mwN = ÖA 1999, 53/F187 = EFSlg 87.630).

Ergänzend sei noch zu dem dem Obersten Gerichtshof im Nachhang übermittelten Schreiben der Schweizer Fürsorgekommission vom 4. 9. 2000 bemerkt, dass der dort angeführte Sachverhalt (der Unterhaltsschuldner soll sich einer Drogentherapie unterziehen und gleichzeitig als Hilfsarbeiter seinen Lebensunterhalt verdienen) einer amtswegigen Prüfung der Höhe des Unterhaltsanspruchs des Kindes nach § 7 UVG iVm §§ 19 Abs 1, 20 Abs 1 Z 4 UVG zu unterziehen sein wird. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes wird die materielle Richtigkeit des Titels (mit dem Vergleich der Kindeseltern wurde ein Unterhalt in fast dreifacher Höhe des Regelbedarfs vereinbart) auch schon zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu überprüfen sein.

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