OGH 9ObA233/00f

OGH9ObA233/00f22.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Lothar Matzenauer und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Gabriela J*****, wissenschaftliche Mitarbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Marion K*****, Rechtsanwältin, *****, wegen S 78.727,69 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 2000, GZ 10 Ra 67/00x-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. Oktober 1999, GZ 9 Cga 69/98a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte zuletzt S 77.548,46 brutto aus dem Titel der Kündigungsentschädiung, Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung sowie Abfertigung. Sie sei seit 1. 10. 1990 bei der Beklagten als Angestellte mit einem monatlichen Gehalt von S 8.760,-- brutto bei 18 Wochenstunden beschäftigt gewesen. Am 5. 1. 1998 sei sie ungerechtfertigt entlassen worden. Sie sei der Arbeit nicht unbegründet ferngeblieben, sondern sie habe für den 2. 1. 1998 eine Urlaubsvereinbarung mit der hiefür zuständigen Kanzleileiterin der Beklagten getroffen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei am Freitag, dem 2. 1. 1998, grundlos und unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen, wodurch in der Kanzlei größte Schwierigkeiten entstanden seien. Die Beklagte habe für ihren eigenen Urlaubsantritt wichtige Schriftsätze und Korrespondenzen diktiert, für deren Übertragung die Anwesenheit der Klägerin unbedingt erforderlich gewesen wäre. Dies habe die Klägerin aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit auch gewusst.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte für schuldig, der Klägerin S 78.727,69 sA zu zahlen. (Dabei blieb wohl die Klageeinschränkung auf S 77.548,46 bto unberücksichtigt, doch ist dieser Verstoß gegen § 405 ZPO, wie schon vom Berufungsgericht erkannt, mangels Rüge in der Berufung unbeachtlich.) Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Klägerin war seit 1. 10. 1990 bei der Beklagten als Angestellte im Ausmaß von Anfangs 18, zum Schluss von 15 Wochenstunden beschäftigt. Ihre Aufgabe bestand in der Durchführung von Schreibarbeiten, aber auch in Tätigkeiten für die Hausverwaltung. Arbeitstage waren immer Donnerstag und Freitag. Grundsätzlich war es in der Kanzlei der Beklagten üblich, dass Urlaubspläne mit der Kanzleileiterin, Mag. G*****, besprochen wurden. Diese hatte zwar die Pflicht, die Beklagte zu informieren und mit dieser Rücksprache zu halten, doch lag es in ihrem Kompetenzbereich, zu prüfen ob der jeweils gewünschte Zeitraum mit den Kanzleiagenden, vor allem im Hinblick auf die Urlaubswünsche anderer Angestellter, vereinbar war. Für die Angestellten war daher die Kanzleileiterin Ansprechpartnerin bezüglich der Urlaubspläne und die Vereinbarungen wurden auch mit ihr abgeschlossen. Um den 7. 10. 1997 hatte die Klägerin mit der Kanzleileiterin eine Urlaubsvereinbarung betreffend die letzten beiden Novemberwochen 1997 getroffen. Im Zuge des Gespräches wurde auch darüber gesprochen, dass die Klägerin den 2. 1. 1998 ebenfalls frei haben wolle, da sie plane, über Silvester zu verreisen. Mag. G***** erklärte, dass noch mit einer weiteren Mitarbeiterin, Frau L*****, Rücksprache zu halten sei, ob dies mit deren Urlaubsplanung vereinbar wäre. Als dies von der Klägerin gemacht wurde, gab auch Mag. G***** das endgültige Einverständnis bezüglich eines freien Tages der Klägerin am 2. 1. 1998.

Ende Oktober 1997 vereinbarten Frau L*****, die Beklagte und deren Kanzleileiterin, dass L***** überwiegend während der Weihnachtsfeiertage zur Arbeit eingeteilt werden sollte und ihr an jedem Tag eine andere Angestellte zur Unterstützung beigegeben würde, so insbesondere am 2. 1. 1998 die Klägerin. Die Mitarbeiterin L***** sollte erst am 5. 1. 1998 Urlaub nehmen. Ende Oktober/Anfang November 1997 gab es eine Unterredung zwischen der Klägerin, der Kanzleileiterin Mag. G***** und einer weiteren Mitarbeiterin betreffend die Arbeitseinteilung in Bezug auf die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage. Im Zuge dieses Gespräches meinte die Klägerin nochmals, dass sie ab 28. Dezember 1997 nicht mehr da sein werde, da sie über Silvester nach Italien verreise, dass sie aber bereit wäre, während der Weihnachtsfeiertage, also etwa am 26. 12. oder 24. 12. 1997, in der Kanzlei zu arbeiten. Dies hatte die Klägerin in den Jahren zuvor immer wieder getan. Sie meinte mit dieser Äußerung, dass sie den 2. 1. 1998 in Italien verbringen und in Anbetracht dessen nicht in der Kanzlei werde arbeiten können. Dies wurde von Mag. G***** zur Kenntnis genommen. Es war im Zuge dieses Gespräches nicht die Rede davon, dass die Klägerin für den 2. 1. 1998 zur Arbeit eingeteilt würde. Sie wurde auch nicht darauf hingewiesen, dass sie am 2. 1. in der Kanzlei zu arbeiten habe. In der Kanzlei der Beklagten war es üblich, dass diese vor Antritt ihres Weihnachtsurlaubes noch große Mengen von Diktaten anfertigte, welche bis zu ihrer Urlaubsrückkehr geschrieben sein mussten. Nach den Weihnachtsfeiertagen 1997 erschien die Mitarbeiterin L***** am 29. 12., am Folgetag kam es zu einem "Absturz" des Computers, sodass es dadurch Verzögerungen in der Erledigung der Arbeit gab. Als die Klägerin am 2. 1. 1998 nicht in der Kanzlei erschien, weil sie sich auf Urlaub in Italien befand, meldete die Zeugin L*****, welche mit der Mitarbeit der Klägerin rechnete, deren Fernbleiben sowohl der Beklagten als auch der Kanzleileiterin, nachdem sie erfolglos versucht hatte, die Klägerin telefonisch zu erreichen. Ohne den Ausfall des Computers wäre es der Zeugin L***** möglich gewesen, noch offene Diktatstücke zur Gänze zu erledigen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Entlassungsgrund nach § 27 Z 4 AngG Verschulden des Arbeitnehmers voraussetze. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall auszuschließen, weil sich die Klägerin auf eine gültige Urlaubsvereinbarung mit der Kanzleileiterin berufen habe dürfen. Von einer schuldhaften Unterlassung der Arbeitsleistung könne daher nicht die Rede sein, sodass die Entlassung zu Unrecht erfolgt sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erachtete die Tatsachen- und Beweisrüge als nicht berechtigt und unterließ mangels gesetzmäßiger Ausführung eine Überprüfung der Rechtsrüge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit, sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als (gerade noch erkennbare) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht die Beklagte geltend, dass das Berufungsgericht eine Beweisrüge unerledigt gelassen habe. Die Beklagte habe die Feststellung gerügt, dass die Klägerin betreffend einen Urlaub am 2. 1. 1998 Rücksprache mit der Mitarbeiterin L***** gehalten habe, weil es dafür keinerlei Beweisergebnisse gebe. Dies sei rechtlich insofern von Bedeutung, als ohne die Bedingung dieser Rücksprache die Urlaubsvereinbarung der Klägerin mit der Kanzleileiterin nicht wirksam geworden sei. Demgegenüber habe das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes (AS 43) - aktenwidrig - dahin interpretiert, dass mit der Rücksprache nur ein hier nicht streitgegenständlicher Urlaub vom November 1997 gemeint gewesen sei. Wenngleich die Interpretation diesbezüglich die einzig konkrete Aussage, nämlich die der Klägerin (AS 25) für sich hat, kann nicht übersehen werden, dass der Wortsinn der erstgerichtlichen Feststellungen eine solche Interpretation nicht mehr zulässt und das Berufungsgericht daher in Wahrheit eine eigene, anderslautende Feststellung getroffen hat, ohne eine Beweiswiederholung vorzunehmen. Dies könnte zwar grundsätzlich einen Verfahrensmangel begründen (RIS-Justiz RS0043088), doch fehlt es einem solchen im vorliegenden Fall an der notwendigen Erheblichkeit:

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin war nämlich nicht die "Rücksprache" Voraussetzung für eine Zustimmung der für Urlaubsvereinbarungen zuständigen Kanzleileiterin, sondern die Vereinbarkeit mit der Urlaubsplanung der betroffenen Kollegin. Wie unbestritten festgestellt wurde, gab es aber eine solche Kollision nicht, weil die Mitarbeiterin L***** am 2. 1. 1998 jedenfalls zur Arbeit eingeteilt war und zu dieser auch erschien. Die Urlaubspläne dieser Mitarbeiterin tangierten daher diejenigen der Klägerin in keiner Weise.

Hat das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet und deshalb die sachliche Behandlung der Rechtsrüge verweigert, muss dies in der Revision als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gemäß § 503 Z 3 ZPO bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043231, insbesondere 8 Ob 162/99b). Da derartiges weder ausdrücklich noch inhaltlich geltend gemacht wird, ist auf die Ausführungen zur Rechtsrüge der Revisionswerberin nicht weiter einzugehen. Das Urteil des Berufungsgerichtes kann nämlich in einem solchen Fall nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruhen, weshalb der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0043231; insbesondere 8 Ob 162/99b).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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