OGH 11Os114/00

OGH11Os114/0021.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander D***** wegen § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Mai 2000, GZ 6a Vr 10163/99-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der nigerianische Staatsangehörige Alexander D***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt und zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt zur Last, in Wien von zumindest Jänner 1999 bis Mitte August 1999 gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich Heroin und Kokain mit nicht mehr exakt feststellbarem, zumindest aber durchschnittlichem Wirkstoffgehalt (Straßenqualität), in einer gleichfalls nicht mehr exakt feststellbaren, insgesamt aber die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG jedenfalls um mehr als das 25-fache übersteigenden großen Menge in Verkehr gesetzt zu haben, indem er zumindest 8.000 bis 10.000 Gramm Heroin und Kokain in Teilmengen an für ihn tätige Straßenverkäufer, darunter die gesondert verfolgten Alexander C*****, Lookman S*****, Ali A*****, Jude A***** und Edward E*****, sowie an Stefan W***** und unbekannte Abnehmer verkaufte, wobei er die Tat als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbaren Handlungen begangen hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 3 und 5, hilfsweise auch auf jene der Z 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beschwerde als nichtigkeitsbegründende Verletzung des § 250 StPO problematisierte Vernehmung von sogenannten anonymisierten Zeugen, dh von Zeugen, deren Identität durch Ausschluss personenbezogener Fragen nicht offengelegt wird, geht schon deshalb fehl, weil der in § 250 StPO allein mit Nichtigkeit bedrohte Verfahrensfehler ein (hier nicht behaupteter) Verstoß gegen die Informationspflicht des Gerichtes bei vorübergehendem (nicht sitzungspolizeilich bedingtem) Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung ist. Zudem geht die Beschwerdeargumentation von einer nicht aktuellen Rechtslage aus, sodass sie insoweit, mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO jeder weiteren Erörterung entzogen ist.

Im Ergebnis unbegründet ist der Einwand (Z 3), die Zeugen "AZ 1" und der Zeuge "aus ON 42" seien trotz nach der Aktenlage klaren Selbstbelastungsgefahr, welche auch zu ihrer Belehrung nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO führte, ohne ausdrücklichen Verzicht auf ihr Entschlagungsrecht vernommen worden. Denn der Beschwerdeführer übersieht, dass diese Zeugen - die Vernehmung anderer nicht näher bezeichneter Zeugen ist mangels ausreichender Präzisierung nicht Gegenstand der Beschwerdeerledigung - nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls trotz nachgewiesener und auch unbestrittener Kenntnis des Beweisthemas und ihres Zeugnisbefreiungsrechtes spontan und vorbehaltlos ausgesagt und damit den an keine bestimmte Form gebundenen Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben (vgl 14 Os 44/96; 15 Os 26/96; Bertel/Vernier Grundriss6 Rz 371).

Die mit Bezug auf die übergroße Menge (§ 28 Abs 4 Z 3 SMG) relevierte Undeutlichkeit (Z 5), welche der Angeklagte in der fehlenden Quantitätsabgrenzung zwischen Heroin und Kokain erblickt, betrifft der Beschwerdeansicht zuwider keine entscheidende Tatsache. Angesichts der feststehenden Gesamtmenge des verfahrensverfangenen Suchtgifts (Heroin und Kokain von insgesamt mindestens acht Kilogramm) und der nach herrschender Rechtsprechung vorzunehmenden Addition des Suchtgiftpotentials unterschiedlicher Substanzen (vgl 13 Os 91/97, 11 Os 109/97) wird das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG), welche bei Heroin mit 5 Gramm und bei Kokain mit 20 Gramm Reinsubstanz festgesetzt ist, selbst unter der für den Angeklagten günstigsten Annahme, es handle sich ausschließlich um Kokain von Straßenqualität (ca 40 - 50 % Reingehalt) bei weitem überschritten. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf das weitere, eine Unterscheidung zwischen "Reingehalt" und "Wirkstoffgehalt" des Suchtgiftes problematisierende Beschwerdevorbringen, welches im Übrigen, soweit es der Beschwerdeführer als Subsumtionsrüge (Z 10) verstanden wissen will, diesen Nichtigkeitsgrund mangels Festhaltens am Urteilssachverhalt nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung bringt.

In der weitgehend nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung ausgeführten Tatsachenrüge (Z 5a) vermochte der Beschwerdeführer, wie eine Überprüfung des Akteninhalts anhand des Beschwerdevorbringens ergab, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen nicht aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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