OGH 7Ob184/00k

OGH7Ob184/00k8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schenk und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt, 3430 Tulln, Wienerstraße 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T***** GmbH, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Finanzamt T*****), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 357.060,-- sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2000, GZ 3 R 59/00v-16, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 16. Februar 2000, GZ 2 Cg 38/99w-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.020,-- (darin enthalten S 2.670,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anton S***** war Geschäftsführer (im Folgenden Geschäftsführer) der T***** GmbH (im Folgenden Gemeinschuldnerin). Darüber hinaus betrieb er auch noch ein nicht prot. Einzelunternehmen. Da er nicht in der Lage war, seine - durch Pfändungen der beklagten Partei nur unzureichend besicherte und daher zum Großteil nicht einbringliche - Einkommenssteuerschuld als Einzelunternehmer zu begleichen, beantragte er im Jahre 1997, das damals bestehende Steuerguthaben der Gemeinschuldnerin von S 357.060,--, das sich bei einer Umstatzsteuerprüfung ergeben hatte, vom Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin auf sein Abgabenkonto umzubuchen. Diesem Antrag wurde von der beklagten Partei (Finanzamt T*****) am 22. 12. 1997 entsprochen. Dass im Zeitpunkt dieser Umbuchung eine offene Forderung des Geschäftsführers gegen die Gemeinschuldnerin bestanden hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Am 29. 5. 1998 wurde sowohl über das Vermögen sowohl der Gemeinschuldnerin als auch des Geschäftsführers der Konkurs eröffnet.

Als Masseverwalter im Konkurs der Gemeinschuldnerin begehrt der Kläger 1.) die erwähnte Umbuchung von S 357.060,-- den Gläubigern der Gemeinschuldnerin gegenüber für unwirksam zu erklären und 2.) die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm S 357.060,-- sA zu bezahlen. Der Anfechtungsanspruch werde insbesondere auf § 29 Z 1 KO gestützt; bei der Umbuchung habe es sich um eine unentgeltliche Verfügung der Gemeinschuldnerin gehandelt, wobei Anfechtungsgegner hier der Gläubiger (die Beklagte) sei, da die Forderung beim Schuldner (dem Geschäftsführer) uneinbringlich gewesen sei.

Die beklagte Partei wendete ua - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, selbst eine erfolgreiche Anfechtung der Umbuchung könne nur dazu führen, dass die Umbuchung rückgängig gemacht und (der betreffende Betrag) wiederum auf das Konto der Gemeinschuldnerin gebucht werde. Das auf Zahlung gerichtete Klagebegehren sei daher verfehlt. Für den Fall der Rückbuchung werde die Aufrechnung mit ihrer Konkursforderung über S 310.000,-- erklärt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Anfechtungsanspruch sei gemäß § 29 Z 1 KO berechtigt, weil die gegenständliche Umbuchung eine unentgeltliche Verfügung im Sinne dieser Gesetzesstelle gewesen sei. Grundsätzlich sei die Zahlung einer fremden Schuld durch einen Dritten, wenn darin keine entgeltliche Leistung des Dritten an den Schuldner liege, diesem gegenüber anfechtbar. Ausnahmsweise sei aber der Anfechtungsgegner der Gläubiger, wenn seine Forderung beim Schuldner uneinbringlich gewesen sei. Dieser Fall liege hier vor, weil die Beklagte ihre Forderungen gegen den zahlungsunfähigen Geschäftsführer nicht hätte durchsetzen können. Da die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit ihrer Konkursforderung gemäß § 42 KO unzulässig sei, komme auch dem auf Zahlung gerichteten Begehren (Punkt 2.) Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes; es führte hinsichtlich der (Punkt 2.) des Klagebegehrens betreffenden) Aufrechnungseinrede der Beklagten aus: Es sei zwar zutreffend, dass ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto in einem Verfahren nach § 216 BAO auszutragen sei und ein Abrechnungsbescheid bei Meinungsverschiedenheiten über die Verrechnung einer Gutschrift in Betracht komme. Im gegenständlichen Fall handle es sich aber nicht um eine Abrechnung auf dem Abgabenkonto. § 215 BAO regle in seinen Abs 1 bis 3, wie ein Guthaben eines Abgabenpflichtigen zu verwenden sei, welche Abgaben zu tilgen seien. Gemäß § 215 Abs 4 BAO sei ein Guthaben, soweit es nicht nach den Abs 1 bis 3 zu verwenden sei, nach den Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des Verfügungsberechtigten zu Gunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen. Bestünden zwischen dem Abgabepflichtigen und der Abgabebehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen sei, so habe die Abgabenbehörde über Antrag einen Abrechnungsbescheid zu erlassen (§ 216 BAO). Guthaben seien nach § 239 BAO von Amts wegen oder auf Antrag zurückzuzahlen. Über einen Rückzahlungsantrag sei mit Bescheid abzusprechen, allerdings nur, soweit dem Antrag nicht entsprochen wurde. Der Antrag auf Umbuchung des Steuerguthabens der Gemeinschuldnerin auf das Abgabenkonto des Geschäftsführers sei - wie sich aus § 215 Abs 4 BAO ergebe - nicht anders als ein Rückzahlungsantrag hinsichtlich des Guthabens zu beurteilen. Die Rückzahlung solle nur nicht direkt an den Abgabenpflichtigen, sondern über seine Anweisung an einen Dritten zur Tilgung von dessen Abgabenschuld erfolgen. Dies ändere aber nichts daran, dass die Umbuchung der Auszahlung an den Abgabenpflichtigen gleichzustellen sei. Die Behörde habe diesem Antrag entsprochen und sohin entschieden, dass das Guthaben auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin bestehe und an die Gemeinschuldnerin auszuzahlen sei bzw nach ihrem Antrag zur Umbuchung verwendet werde. Im Falle der Unwirksamerklärung des Umbuchungsantrages komme es daher nicht zur Rückbuchung des Guthabens, sondern zur Auszahlung des Steuerguthabens an die Gemeinschuldnerin.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründe sich auf §§ 500 Abs 2 Z 3, 502 Abs 1 ZPO. Das Berufungsgericht sei von oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgewichen.

Die gegen dieses Urteil von der beklagten Partei erhobene außerordentliche Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Rechtssache ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision nicht zuzulassen oder ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend macht die Beklagte in ihrer Zulassungsbeschwerde geltend, dass oberstgerichtliche Rechtsprechung zur - über den Einzelfall hinaus bedeutsamen - Frage fehlt, ob im Falle einer erfolgreichen Anfechtung einer Umbuchung oder Überrechnung nach § 215 Abs 4 BAO durch den Masseverwalter der umgebuchte bzw überrechnete Betrag diesem auszuzahlen ist oder durch eine erfolgreiche Anfechtung nur die Umbuchung oder Überrechnung rückgängig gemacht wird, der umgebuchte bzw überrechnete Betrag dem betreffenden Abgabenkonto aber wieder gutzuschreiben und (gemäß § 215 Abs 1 und 2 BAO) mit allenfalls danach bis zur Konkurseröffnung entstandenen Abgabenschulden des Gemeinschuldners zu verrechnen ist.

Das zu Recht Bestehen eines Anfechtungsanspruches betreffend die Umbuchung von S 357.060,-- bildet im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt mehr. Die Revisionswerberin vertritt aber weiterhin die Auffassung, die Unwirksamkeit der Umbuchung führe dazu, dass die betreffende Forderung dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin wieder einzubuchen sei. Forderungen und Gegenforderungen stünden sich am Abgabenkonto in einem Kontokorrentverhältnis gegenüber und seien nach der BAO zwingend gegeneinander abzurechnen, wobei die Verrechnung in die ausschließliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde falle; ein Streit darüber sei im Verfahren nach § 216 BAO auszutragen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes stehe § 42 KO, der eine rechtsgeschäftliche Aufrechnung gegen den Anfechtungsanspruch verbiete, einer Verrechnung (Aufrechnung) nicht entgegen, da die Verrechnung sich gesetzlich zwingend aus der (auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung zurückwirkenden) erfolgreichen Anfechtung ergebe.

Diesen Ausführungen kann (abgesehen davon, dass die Konkursforderung der Beklagten nur S 310.000,-- beträgt, sodass eine Zahlungspflicht von S 47.060,-- jedenfalls auch dann verbliebe, wenn man den Rechtsansichten der Revision folgte) nicht beigepflichtet werden. Zunächst ist zu betonen, dass eine Umbuchung (Übertragung eines Betrages von einem bei einem Finanzamt geführten Abgabenkonto auf ein anderes Abgabenkonto desselben Finanzamtes; § 215 Abs 1 BAO) ebenso wie eine Überrechnung (Übertragung eines Betrages von einem bei einem Finanzamt geführten Abgabenkonto auf ein Abgabenkonto eines anderen Finanzamtes; § 215 Abs 2 BAO) zu Gunsten eines anderen Abgabenpflichtigen nur unter der Voraussetzungen des § 215 Abs 4 BAO beantragt werden kann, also des Vorhandenseins eines nicht nach § 215 Abs 1 bis 3 BAO zu verwendenden Guthabens (VwGH 14. 3. 1988, 86/15/0075; VwGH 15. 4. 1997, 96/14/0061; VwGH 29. 11. 1994, 94/14/0094 ua). Es ist zwischen bloßen Gutschriften und einem Guthaben zu unterscheiden, das erst dann entsteht, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe der Lastschriften übersteigt, wenn somit auf ein und demselben Abgabenkonto per Saldo ein Überschuss zu Gunsten des Abgabenpflichtigen besteht (vgl VwGH 29. 11. 1994, 94/14/0094; VwGH 5. 7. 1999, 99/16/0115 ua; vgl Stoll, BAO-Komm, 2307: "verfügbares" Guthaben).

Ist ein Guthaben nicht gemäß § 215 Abs 1 bis 3 BAO zu verwenden (was auf das gegenständliche Guthaben zutrifft; Gegenteiliges wird von der Beklagten gar nicht behauptet), so ist es gemäß § 215 Abs 4 BAO nach Maßgabe des § 239 BAO dem Abgabenpflichtigen zurückzuzahlen oder aber über dessen Antrag zu Gunsten eines anderen Abgabenpflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen (Ritz, BAO-Komm2 Rz 11 zu § 215). Zutreffend hat das Berufungsgericht daher erkannt, dass hinsichtlich des gegenständlichen Steuerguthabens die Voraussetzungen einer (auf Antrag oder auch von Amts wegen vorzunehmenden) Rückzahlung vorlagen und ein Wegfall der Umbuchung daher die Auszahlung des Guthabens bedingt. Einen gesetzlichen Auftrag, dass eine erfolgreiche Anfechtung der Umbuchung lediglich eine neuerliche Einbuchung des Guthabens zur Folge hätte, gibt es nicht. Die Ansicht der Vorinstanzen, der anfechtungsrechtliche Leistungsanspruch sei daher Rückzahlung und nicht bloß Rückbuchung mit dem Effekt, dass allfällige spätere Steuerschulden aufzurechnen wären und eine erfolgreiche Anfechtung der Umbuchung durch den Masseverwalter daher lediglich eine Verringerung der Konkursforderung der beklagten Partei zur Folge hätte, ist daher zu billigen. Ein nach Ansicht der beklagten Partei zufolge Anfechtung nur rückgebuchtes Steuerguthaben wäre gemäß § 20 Abs 1 KO mit einer inzwischen (bis zur Konkurseröffnung) aufgelaufenen Steuerschuld gar nicht aufrechenbar. Der Anfechtungsanspruch entsteht mit der Konkurseröffnung (König, Anfechtung2 Rz 19 mwN). Die klagende Partei müsste als Konkursgläubiger daher so behandelt werden, als wäre sie erst mit bzw nach Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden. Da die Regelungen des Konkursrechtes im Bereich der §§ 19 und 20 KO stärker sind als die abgabenrechtlichen Verrechnungsvorschriften (vgl VwGH 4. 6. 1962, 724/60; Gessler, Steuern bei Konkurs und Ausgleich3 54) wäre eine Aufrechnung eines zufolge Anfechtung rückgebuchten Steuerguthabens mit inzwischen aufgelaufenen Steuerschulden nach § 20 Abs 1 KO unzulässig. Von einem - in einem Verfahren gemäß § 216 BAO auszutragenden - Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf einem Abgabenkonto und einem damit verbundenen Eingriff in die Kompetenz der zuständigen Verwaltungsbehörde, wie die Revisionswerberin meint, kann daher hier keine Rede sein.

Ausgehend demnach von einem Anfechtungsanspruch auf Rückzahlung müssen im Übrigen auch die Ausführungen der Beklagten, wonach der von ihr angestrebten Aufrechnung die Bestimmung des § 42 KO nicht entgegenstünde, ins Leere gehen. § 42 KO verbietet die Aufrechnung einer Forderung des Anfechtungsgegners, die gegen den Gemeinschuldner zusteht, mit dem Anfechtungsanspruch. Da auszuschließen ist, dass der Gemeinschuldner für den Anfechtungsanspruch rechtszuständig ist (zur "Rechtszuständigkeit" für den Anfechtungsanspruch vgl König aaO Rz 392), mangelt es an der Voraussetzung der "Gegenseitigkeit" (§§ 1438, 1441 ABGB) der beiden Ansprüche und macht sie daher schon materiell-rechtlich nicht kompensabel (König aaO Rz 372 mwN). Nach stRsp ist die Aufrechnung einer Konkursforderung gegen einen aus einer Anfechtung entstandenen Zahlungsanspruch der Masse gegen einen Konkursgläubiger unzulässig, weil dadurch die Konkursmasse zum Nachteil der übrigen Gläubiger geschmälert und der Konkursgläubiger als Anfechtungsgegner in Wahrheit mit seiner nicht vollwertigen Konkursforderung bis zur Höhe des gegen ihn bestehenden vollwertigen Zahlungsanspruches der Masse befriedigt würde (vgl NJW 1987, 1691; EvBl 1991/143 = ÖBA 1991, 829; SZ 65/29).

Da sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch das Zahlungsbegehren als berechtigt erweist, muss die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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