OGH 9ObA231/00m

OGH9ObA231/00m8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl und Werner Bayer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Ruth P*****, Journalistin, ***** vertreten durch Dr. Thomas Höhne und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Kisler und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,180.400 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 2000, GZ 10 Ra 27/00i-15, womit über Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. September 1999, GZ 28 Cga 24/99-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Arbeits- und Sozialgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit § 1167 Satz 4 ABGB auf ein freies Dienstverhältnis anwendbar sei, keine Rechtsprechung vorliege.

Die Klägerin begehrt Kündigungsentschädigung, eine vereinbarte Abfertigung, rückständiges Entgelt für August 1998 sowie einen vorenthaltenen Entgeltbestandteil von S 19.200. Sie sei seit 1. 11. 1988 als Redakteurin ungeachtet ihrer Bezeichnung als freier Mitarbeiterin in einem Angestelltendienstverhältnis gestanden. Aufgrund ungebührlichen Vorenthaltens des genannten Gehaltsbestandteiles von S 19.200 habe sie berechtigterweise ihren vorzeitigen Austritt erklärt. Für den Fall der Auflösung des Vertrages durch den Dienstgeber sei die Zahlung einer als Entschädigung bezeichneten Abfertigung in Höhe von S 500.000 vereinbart worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass die Klägerin in keinem Dienstverhältnis gestanden, sondern freie Mitarbeiterin gewesen sei. Die vereinbarte Abfertigung sei eine dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende Vertragsstrafe. Der Einbehalt des Gehaltes der Klägerin beruhe auf einer angemessenen Minderung des Entgelts, weil infolge unvollständiger Recherchen der Klägerin der Einsatz eines anderen freien Mitarbeiters notwendig geworden sei, der die Komplettierung der Recherchen vorzunehmen gehabt habe. Der Austritt selbst sei mehr als eineinhalb Monate nach der Aufrechnungserklärung erfolgt.

Das Erstgericht traf hiezu Feststellungen und würdigte diese rechtlich dahin, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin als freier Dienstvertrag zu qualifizieren sei. § 1167 Satz 4 ABGB, der auch für den entgeltlichen freien Dienstvertrag zur Anwendung gelange, verweise auf die allgemeinen Gewährleistungsvorschriften. Durch die unzureichenden Recherchen der Klägerin sei eine angemessene Minderung des Entgelts gerechtfertigt gewesen. Da Anspruchsvoraussetzung für die vertragliche Abfertigung eine Kündigung durch die beklagte Partei gewesen sei, die nicht vorliege und die Klägerin nicht in einem Angestelltendienstverhältnis gestanden sei, bestehe auch kein Anspruch auf Abfertigung. Ein Verschulden der Beklagten am vorzeitigen Austritt bestehe nicht, weil sie zu Recht ihr Preisminderungsrecht in Anspruch genommen habe. Kündigungsentschädigung gebe es beim freien Dienstverhältnis nicht. Auf das August-Honorar bestehe kein Anspruch, weil dieses mangels Legung einer Honorarnote nicht fällig gewesen sei.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf. Es hielt die Feststellungen des Erstgerichtes insgesamt für ergänzungsbedürftig, unpräzise bzw als nicht nachvollziehbar. Es führte dazu aus, dass zur Beweisrüge, die sich gegen die Glaubwürdigkeit der Aussagen der vernommenen Zeugen wendet, derzeit nicht Stellung zu nehmen sei, da das Erstgericht noch eine umfassende Begründung in der Beweiswürdigung vorzunehmen haben werde und erst danach überhaupt eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes erfolgen könne. Erst nach Klarstellung der Sachverhaltsgrundlage werde beurteilt werden können, ob ein Angestelltendienstverhältnis mit bestimmten Freiheiten vereinbart worden oder ein freies Dienstverhältnis aufgrund der tatsächlichen Handhabung vorgelegen sei. Die bisherigen Feststellungen seien so unklar, dass weder der Inhalt der Gespräche noch der Inhalt der Tätigkeit der Klägerin fassbar sei (S 183 ff). Obwohl die Rechtsfrage noch nicht abschließend beurteilt werden könne, sei schon jetzt festzuhalten, dass das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes teile, dass § 1167 Satz 4 ABGB und damit die Gewährleistungsregeln auf das freie Dienstverhältnis anzuwenden seien. Beim freien Dienstvertrag müsse dem Arbeitgeber eingeräumt werden, auf eine nicht ordnungsgemäße Erbringung der Leistung zu reagieren. Beim abhängigen Arbeitsvertrag treffe den Arbeitnehmer keine zur Minderung berechtigende Gewährleistungspflicht.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, der zur Zulässigkeit ausführt, dass ungeachtet der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass § 1167 Satz 4 ABGB und damit die Gewährleistungsregeln auf das freie Dienstverhältnis anzuwenden seien, die hievon unabhängige und dem Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsansicht der zweiten Instanz bekämpft werde. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sei Spruchreife gegeben, weil ein freier Dienstvertrag vorliege.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Auch ein berufungsgerichtlicher Aufhebungsbeschluss, in dem die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ausgesprochen wurde, ist nur anfechtbar, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. In ihrem Rekurs wendet sich die Rekurswerberin nicht gegen die den Zulässigkeitsausspruch begründende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, sondern tritt dieser Rechtsansicht unter Zitierung von Judikatur ausdrücklich bei. Damit zeigt die Rechtsmittelwerberin, welche die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vollständig teilt, aber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Ihre Ausführungen können nämlich zu keiner Korrektur der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes führen, sodass der Rekurs den Gesetzeszweck des § 46 Abs 1 ASGG verfehlt (5 Ob 244/97m; 1 Ob 232/97t).

Aber auch die weiteren Rechtsmittelausführungen, dass die Rechtssache entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes spruchreif sei, weil ein freier Dienstvertrag vorliege, zeigen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG auf. Die Annahme des Berufungsgerichtes in seiner rechtlichen Beurteilung, dass allein die Tatsache des Fehlens einer Anwesenheitspflicht der Klägerin nicht gegen ein abhängiges Arbeitsverhältnis spreche, begründet keine relevante Aktenwidrigkeit des Verfahrens.

Das Berufungsgericht brachte infolge der seiner Ansicht nach unvollständigen und nicht nachvollziehbaren Beweiswürdigung zum Ausdruck, dass das Erstgericht neben der Ergänzung des Sachverhaltes vorerst auch eine umfassende und nachvollziehbare Begründung seiner Beweiswürdigung vorzunehmen habe und erst dann eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes erfolgen könne. Damit ist aber mangels einer Übernahme erstgerichtlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht keinerlei Sachverhaltsgrundlage vorhanden, die der von der Revisionswerberin gewünschten rechtlichen Beurteilung, dass ein freier Dienstvertrag vorliege, unterzogen werden könnte. Zu den Spekulationen des Berufungsgerichtes, was wäre, wenn..., kann somit mangels jeglichen Substrats nicht Stellung genommen werden.

Da die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Rekurses nicht aufzeigt, hat sie die Kosten der Rekursbeantwortung gemäß §§ 40, 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.

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