OGH 6Nd510/00

OGH6Nd510/0027.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber und Dr. Prückner als weitere Richter über den Antrag des Willibald S*****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, für die von ihm als klagende Partei gegen die S***** Gesellschaft mbH, ***** als beklagte Partei wegen Zahlung von 89.000 S anhängig zu machende Rechtssache gemäß § 28 JN ein örtlich zuständiges Gericht in Österreich zu bestimmen, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über den vom Obersten Gerichtshof am 15. Februar 2000 zu 5 Nd 522/99 gestellten und dort unter der Rechtssachennummer C-96/00 eingetragenen Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der in Österreich wohnhafte Antragsteller beabsichtigt eine auf § 5j KSchG idF des Fernabsatzgesetzes BGBl I 185/1999 gestützte Klage gegen die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft mbH einzubringen. In einem persönlich an ihn gerichteten Schreiben dieser Gesellschaft seien ihm ein Bargeldguthaben von 43.500 S und sechs Geschenke im Wert von 45.500 S in Aussicht gestellt worden, wenn er Waren bestelle. Dies habe er gemacht und die in den Katalogen angeführten Bedingungen erfüllt. Trotz Aufforderung an die Gesellschaft habe diese weder die sechs zugesagten Geschenke noch den Bargeldbetrag übergeben. Der Antragsteller leitet die inländische Gerichtsbarkeit aus Art 14 LGVÜ ab. Diese könnte sich aber bei der in Deutschland ansässigen in Aussicht genommenen Beklagten nur aus den Art 13 ff EuGVÜ ergeben. Der irrigen Bezeichnung der Zuständigkeitsnorm kommt keine Bedeutung zu, insbesondere weil die Zuständigkeitsvoraussetzungen in den beiden Übereinkommen inhaltsgleich geregelt sind.

Der Oberste Gerichtshof hatte bereits über inhaltsgleiche Ordinationsanträge betreffend dieselbe in Aussicht genommene Beklagte zu entscheiden. In der Entscheidung 10 Nd 506/00 wurde Folgendes ausgeführt:

"Nach § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof unter anderem dann, wenn Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist, aber die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat. Die Verpflichtung zur Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 JN ist auch dann gegeben, wenn nach dem EuGVÜ zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben ist, aber keine konkrete örtliche Zuständigkeit festgelegt wird und sich diese auch nicht aus den Zuständigkeitsvorschriften ableiten lässt (vgl zum LGVÜ SZ 69/227; Mayr in Rechberger ZPO2, § 28 JN Rz 3). Die Regelungen des EuGVÜ gehen nationalem Recht vor und sind für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblich (SZ 71/31 ua).

§ 5j KSchG bestimmt, dass Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten haben und dieser das auch gerichtlich einfordern kann.

Die erste Voraussetzung für die begehrte Ordination nach § 28 JN liegt nun darin, dass sich aus dem EuGVÜ überhaupt eine internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte ableiten lässt. Nur als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, dass entsprechend Art 2 Abs 1 des EuGVÜ Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, zuständig sind, sieht Art 14 EuGVÜ für den Verbraucher die Möglichkeit vor, gegen den anderen Vertragspartner auch bei Gerichten des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, Klage zu erheben. Der Begriff der Verbrauchersache wird nun in Art 13 EuGVÜ dahin festgelegt, dass es sich um die Klage aus einem Vertrag handelt, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, 1. wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlungen handelt, 2. wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder 3. für andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern a) dem Vertragsabschluss in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und b) der Verbraucher dort die zum Abschluss des Vertrags erforderliche Rechtshandlungen vorgenommen hat. Die Auslegung der dabei verwendeten Begriffe erfolgt autonom, insbesondere nach der Systematik und der Zielsetzung des Übereinkommens (vgl Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Art 13 Rz 6; Schlosser, EuGVÜ Art 13 Rz 3 uva). Nach den Antragsbehauptungen wurde hier gemeinsam mit dem Vertrieb von Waren die für den geltend gemachten Anspruch nach § 5j KSchG maßgebliche Erklärung über das Gewinnspiel getätigt, da für die Teilnahme daran eine Bestellung von Waren erforderlich war. Konkret in Betracht kommen käme Art 13 Nr 3 EuGVÜ. Danach könnte wohl die Warenlieferung als Verbrauchersache beurteilt werden, jedoch ist unklar, ob dies auch für die Ansprüche aus dem Gewinnspiel gilt, die damit im Zusammenhang stehen.

Im Hinblick auf die in Art 3 des EuGVÜ-Auslegungsprotokolls dargelegte Verpflichtung, eine Vorabentscheidung einzuholen, kann daher das Verfahren erst nach dem Vorliegen einer Entscheidung des EuGH zur Frage der Einordnung des geltend gemachten Anspruches als solchen nach Art 13 EuGVÜ getroffen werden.

Dieses Problem ist aber bereits Gegenstand eines Ersuchens des Obersten Gerichtshofes vom 15. 2. 2000, 5 Nd 522/99, eingetragen unter der Rechtssachennummer C-96/00 , mit welchem dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden:

"Ist der in § 5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes (KSchG), BGBl 1979/140, in der Fassung des Art I Z 2 des österreichischen Fernabsatz-Gesetzes, BGBl I 1999/185, den Verbrauchern eingeräumte Anspruch, von Unternehmern den scheinbar gewonnenen Preis gerichtlich einfordern zu können, wenn letztere Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden (gesendet haben) und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken (erweckt haben), dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, im Sinn des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. 9. 1968 (EuGVÜ) 1. ein vertraglicher Anspruch nach Art 13 Nr 3 oder 2. ein vertraglicher Anspruch nach Art 5 Nr 1 oder 3. ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach Art 5 Nr 3?"

Da dieselben Erwägungen auch für den vorliegenden (übrigens dieselbe in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft mbH betreffenden) Antrag gelten, ist es zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung bis zu jener des Europäischen Gerichtshofes über das dort gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das Verfahren zu unterbrechen (ebenso 7 Nd 520/99). Dies ist prozessökonomisch sinnvoll, weil die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle binden und objektives Recht schaffen."

Der erkennende Senat tritt dieser in den Vorentscheidungen vertretenen Auffassung bei. Dies muss auch hier zu der aus dem Spruch ersichtlichen Unterbrechung führen.

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