OGH 3Ob184/00f

OGH3Ob184/00f25.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gottfried I*****, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO (Streitwert 500.000 S), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 23. März 2000, GZ 4 R 84/00b-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Dezember 1999, GZ 12 C 8/99t-7, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss ihrer in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt lautet:

"Das Klagebegehren, die Ansprüche der beklagten Partei aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Endbeschlusses des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. 4. 1998, GZ 5 C 124/98y-30, zu dessen Durchsetzung das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 12 E 6089/98m die Exekution gemäß § 353, im Zusammenhang damit zur Hereinbringung der Kosten der Wiederherstellung zu AZ 51 E 189/99b die Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft und zu AZ 12 E 5603/98s die Exekution nach § 355 EO bewilligt habe, seien erloschen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 128.475 S (darin 20.972,50 S USt und 2.640 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem Endbeschluss des Erstgerichts vom 30. 4. 1998, in der Sache bestätigt mit Beschluss des Rechtsmittelgerichts vom 26. 6. 1998, hat unter anderem der Kläger durch die Sperre des Parkplatzes, das Aufstellen eines Baggers, Entfernung der Asphaltdecke und Aushebung einer Baugrube die beklagte Partei im ruhigen Besitz der aus sechs näher bezeichneten Grundstücken bestehenden Hoffläche samt Einfahrt und eines Geschäftslokals gestört, ferner die Baugrube wieder auf Straßenniveau aufzufüllen und den Parkplatz samt Einfahrt wiederherzustellen sowie sich in Hinkunft jeder derartigen oder ähnlichen Störung des ruhigen Besitzes der beklagten Partei an der genannten Hoffläche und am Geschäftslokal zu enthalten.

Aufgrund dieses Endbeschlusses wurden der beklagten Partei gegen den Kläger vom Erstgericht am 18. 8. 1998 Exekution gemäß § 355 EO, am 15. 10. 1998 Exekution nach § 353 EO und im Zusammenhang mit dieser Exekution zur Hereinbringung von Wiederherstellungskosten am 13. 8. 1999 die Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft bewilligt.

In dem auf Antrag des Klägers gegen die Beklagte eingeleiteten außerstreitigen Mietrechtsverfahren wegen §§ 8 Abs 2, 37 Abs 1 Z 5 MRG wurde die Beklagte mit dem Sachbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. 9. 1999, 5 Ob 222/99d, verpflichtet, die Errichtung einer Tiefgarage auf acht näher bezeichneten Grundstücken entsprechend der rechtskräftigen Baubewilligung des Baurechtsamtes des Magistrats der Stadt Graz vom 8. 8. 1997 insoweit zu dulden, als damit eine Benützung und Veränderung ihres auf vier von diesen Grundstücken situierten Mietgegenstandes (Geschäftslokals mit Kfz-Abstellflächen) verbunden ist; das Mehrbegehren des Antragstellers, diese Duldungspflicht der Beklagten auch auf die sonstigen ihr vom Antragsteller für Parkzwecke überlassenen Grundflächen zu erstrecken, wurde abgewiesen. Nur zwei der von der Duldungspflicht der Beklagten umfassten Grundstücke sind mit den (sechs) vom Endbeschluss betroffenen, die Hoffläche bildenden Grundstücken identisch.

Der Kläger erhebt gegen die von der Beklagten betriebenen Ansprüche Einwendungen gemäß § 35 EO und begehrt die Feststellung, dass die betriebenen Ansprüche der Beklagten aufgrund des genannten Endbeschlusses erloschen seien. Die dem Kläger auferlegte Wiederherstellung sei rechtlich und tatsächlich unmöglich geworden, weil ihm die hiefür erforderlichen verwaltungsbehördlichen Bewilligungen versagt worden seien. Überdies sei der Beklagten durch eine einstweilige Verfügung im außerstreitigen Mitrechtsverfahren gemäß § 8 Abs 2 MRG aufgetragen worden, dem Kläger in dem für die Durchführung von Sanierungsarbeiten an der bestehenden Baugrube erforderlichen Ausmaß das Betreten des Mietgegenstands samt Hoffläche zu gestatten; auch darin liege ein Oppositionsgrund. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. 9. 1999, 5 Ob 222/99d, könne der durch den Endbeschluss vermittelte einheitliche Wiederherstellungsanspruch nie mehr verwirklicht werden, weil die Beklagte jedenfalls auf einem Teil der benötigten Grundstücke den Bau der Tiefgarage zu dulden habe. Im Übrigen liege auch ein Missbrauch der Formen des Zivil- und Exekutionsrechts durch die Beklagte vor, deren Vorgehen widerspreche auch dem Schikaneverbot, weil die Tiefgarage einschließlich des geplanten ebenerdigen Parkdecks, das dem vorher bestandenen Parkplatz im Wesentlichen entspreche, bereits seit 31. 10. 1998 fertiggestellt wäre, wenn dies die Beklagte nicht verhindert hätte.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, die Wiederherstellung eines dem zerstörten im Wesentlichen gleichenden Parkplatzes sei nicht unmöglich, die entsprechenden verwaltungsbehördlichen Bewilligungen könnten von ihr erlangt werden; Schikane liege ebenfalls nicht vor. Die Entscheidung 5 Ob 222/99d des Obersten Gerichtshofs sei keine zum Endbeschluss vollständig gegenteilige petitorische Entscheidung, die die Exekutionsführung der Beklagten unzulässig machen würde. Das Tiefgaragenprojekt des Klägers sei tatsächlich und rechtlich eine Einheit. Da sich die Duldungspflicht der Beklagten nur auf einzelne, für dieses Projekt in Anspruch genommene Grundstücke beziehe, könne der Kläger aufgrund dieser Entscheidung das Projekt (noch) nicht verwirklichen, zumal er auf den restlichen Grundstücken keinen - den possessorischen Rechtsschutz der Beklagten - vernichtenden Anspruch auf Durchführung von Bautätigkeiten habe. Die Beklagte schränkte überdies ihre Unterlassungsexekution um die von der Duldungspflicht betroffenen Grundstücke ein.

Das Erstgericht erklärte den betriebenen Wiederherstellungsanspruch aus dem genannten Endbeschluss hinsichtlich der vier in der Entscheidung 5 Ob 222/99d genannten Grundstücke (von denen nur zwei zur Hoffläche zählen) für erloschen (Punkt I 1), sprach aus, dass die Exekution gemäß § 353 EO - soweit der ihr zugrundeliegende Anspruch nicht erloschen ist (Punkt I 2) und die Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft (Punkt I 3) unzulässig seien und wies das Mehrbegehren, auch das Erlöschen der betriebenen Unterlassungsverpflichtung aus dem Endbeschluss auszusprechen (Punkt II) ab. Es stellte weiters fest, um auf die ehemalige Parkplatzfläche zu gelangen, sei eine Überquerung der Grundstücke erforderlich, für die der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung die Duldungspflicht der Beklagten ausgesprochen habe. Der Kläger habe beim Erstgericht eine Klage auf Feststellung der Auflösung der der Beklagten zustehenden Bestand- bzw Mitbestand- und sonstigen Benützungsrechte an den unbebauten Teilen der sechs im Endbeschluss als Hoffläche genannten Grundstücke zufolge tatsächlichen und rechtlichen Untergangs der Bestandsache mit Wirkung ab 2. 3. 1998 gemäß § 1112 ABGB eingebracht; nach dem weiteren Begehren dieser Klage sei die Beklagte schuldig, es zu unterlassen, sich darauf zu berufen, Mieterin dieser Grundstücksteile zu sein, und weiters schuldig, vom genannten Endbeschluss keinen Gebrauch zu machen. Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens sei abgewiesen worden, das Verfahren sei noch anhängig.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass rechtliche Unmöglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustands nicht vorliege und auch der - im Übrigen bereits im Titelverfahren erhobene - Schikaneeinwand nicht berechtigt sei. Nach dem Ergebnis des außerstreitigen Mietrechtsverfahrens sei die Beklagte jedoch nicht mehr berechtigt, den Wiederherstellungsanspruch bezüglich jener Grundstücke durchzusetzen, für die sie eine Duldungspflicht treffe. Insoferne sei der Anspruch erloschen. Daraus folge aber, dass die Wiederherstellungsexekution und damit zusammenhängend die Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft unzulässig seien. Da der Kläger aber das Klagebegehren hinsichtlich der von der Beklagten eingeschränkten Unterlassungsexekution nicht auf Kosten eingeschränkt habe, sei das gesamte die Unterlassungsverpflichtung betreffende Klagebegehren abzuweisen.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es den Wiederherstellungsanspruch der Beklagten aus dem Endbeschluss für erloschen erklärte und aussprach, dass jede Exekution zur Durchsetzung dieses Anspruchs, insbesondere auch die bewilligte Exekution durch Zwangsverwaltung einer Liegenschaft zur Hereinbringung der Wiederherstellungskosten, unzulässig sei. Es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in jedem Punkt 260.000 S übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Ausgehend von dem vom Erstgericht in einem für mängelfrei befundenen Verfahren getroffenen Feststellungen versagten die Rechtsrügen beider Parteien. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Mietrechtsverfahren einen tauglichen Oppositionsgrund betreffend die Wiederherstellungsverpflichtung des Klägers aus dem genannten Endbeschluss, nicht aber betreffend seine Unterlassungsverpflichtung aus diesem bilde. Die derzeit titelwidrig bestehende Baugrube auf der aus den sechs im Endbeschluss genannten Grundstücken bestehenden Hoffläche sei unstrittig eine Einheit. Der hier als Exekutionstitel dienende Endbeschluss decke nur die Auffüllung der (gesamten) Baugrube als Wiederherstellungsmaßnahme, nicht aber ein auf einzelne Grundstücke eingeschränktes Teilauffüllen, wenn inzwischen klargestellt sei, dass damit keine Wiederherstellung des früheren Parkplatzes als Ganzes mehr erreicht werden könne. Die Duldungspflicht nach der Entscheidung 5 Ob 222/99d beinhalte jedenfalls auch das Verbot, das Tiefgaragenprojekt durch Auffüllen des auf den zwei im Endbeschluss genannten Grundstücken befindlichen Teils der Baugrube zu stören oder gar zu verhindern. Deshalb sei der Wiederherstellungsanspruch der Beklagten hinsichtlich dieser Grundstücke jedenfalls erloschen. Da aber eine Überquerung dieser von der Duldungspflicht umfassten Grundstücke erforderlich wäre, um auf die ehemalige Parkplatzfläche zu gelangen, sei insgesamt, also auch hinsichtlich der vier weiteren im Endbeschluss genannten Grundstücke der Wiederherstellungsanspruch erloschen. Damit falle aber der Anspruch auf Vorauszahlung der voraussichtlich entstehenden Wiederherstellungskosten ebenfalls weg.

Die Revision sei zulässig, weil eine auf den vorliegenden Fall konkret anwendbare Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Wirkung einer Entscheidung gemäß § 8 MRG auf die sich aus einer possessorischen Entscheidung ergebenden weitergehenden Ansprüche nicht vorliege; überdies sei denkbar, die sich aus einem Endbeschluss ergebenden Wiederherstellungs- und Unterlassungsverpflichtungen derart als Einheit zu betrachten, dass bei Erlöschen einer der beiden Pflichten auch die andere entfalle.

Die gegen das zweitinstanzliche Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten im Besitzstörungsverfahen erwirkte Rechtsschutz gegen den Kläger, dessen Verpflichtungen aus dem genannten Endbeschluss von der Beklagten exekutiv betrieben werden, erlischt nach Lehre und Rechtsprechung erst, wenn eine gegenteilige rechtskräftige petitorische Entscheidung vorliegt, die den Oppositionsgrund gemäß § 35 EO bildet (Dullinger in Burgstaller/Deixler/Hübner, EO I Rz 53 zu § 35 mwN). Wie eine petitorische Entscheidung in diesem Sinne ist auch eine zur Duldung des ursprünglich "besitzstörenden Verhaltens" verpflichtende Entscheidung im außerstreitigen Mietrechtsverfahren nach den §§ 8 Abs 2, 37 Abs 1 Z 5 MRG anzusehen. Das vollständige Erlöschen des im Besitzstörungsverfahren festgestellten Anspruchs kann aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des Klägers - im Verfahren um das Recht nur dann bewirkt werden, wenn ein spiegelgleiches Vollrecht festgestellt wird. Wird aber - wie hier - nur ein Teilrecht festgestellt, dann führt dies allenfalls bei Teilbarkeit des im Possessorium geschuldeten Verhaltens zum Teilerlöschen des betriebenen Anspruchs. Ist aber dieser nicht teilbar, wovon im vorliegenden Verfahren die Vorinstanzen und die Streitteile mit Recht ausgehen, dann führt die Feststellung einer bloßen Teilberechtigung nicht zum Verlust des gesamten Besitzesschutzes. Vielmehr bleibt nach Auffassung des erkennenden Senates der nicht vollständig beseitigte Besitzschutz insgesamt solange aufrecht, bis der Störer die Berechtigung im gesamten Umfang des ursprünglich besitzstörenden Verhaltens erlangt. Insoweit belastet die Unteilbarkeit der besitzschützenden Verpflichtung den Besitzstörer.

Wie auch aus der mehrfach genannten Entscheidung 5 Ob 222/99d hervorgeht, folgt die dort auf vier Grundstücke beschränkte Duldungspflicht der Beklagten aus ihrer auf § 8 Abs 2 MRG gegründeten Pflicht als Mieterin, weshalb dort eine auf das gesamte Bauvorhaben des Klägers (Tiefgaragenbau auf den genannten acht Grundstücken aufgrund der rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Baubewilligung) bezogene Duldungspflicht der Beklagten gerade nicht festgestellt wurde. Die alle weiteren Grundstücke des Bauvorhabens betreffende Berechtigung des Klägers wird von diesem zwar in einem weiteren Prozess beim Erstgericht angestrebt; dieser ist aber noch nicht rechtskräftig erledigt. Solange darüber keine rechtskräftige Entscheidung im Sinne des dort erhobenen Klagebegehrens vorliegt, kann der Kläger sein Bauvorhaben im Lichte der ihn aus dem Endbeschluss treffenden Pflichten insgesamt nicht durchführen, ja nicht einmal rechtens beginnen. Dies zeigt aber, dass nach der aufgezeigten gegenwärtigen Sach- und Rechtslage der Anspruch der Beklagten aus dem Endbeschluss noch nicht erloschen ist.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind demnach im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 bzw 50, 41 ZPO.

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