OGH 15Os138/00

OGH15Os138/0019.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Zehetner, Dr. Ratz und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schwahofer als Schriftführerin, im Verfahren wegen Unterbringung des Günter P***** in einer Anstalt gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 8. August 2000, GZ 18 Vr 640/00-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter P***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in Lölling, Gemeinde Hirtenberg, unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB; zu ergänzen, vgl US 7 und 9: der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad beruht) versucht hat, Gerhard P***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen, und zwar

1. am 8. März 2000 durch einen Stich mit einem 35 cm langen Küchenmesser,

2. am 9. März 2000 durch Werfen eines Dachziegelsteines und Losgehen mit einem Holzscheit sowie durch Schleudern eines 10-Liter-Topfes mit frisch aufgekochtem heißem Schweinefutter gegen ihn,

mithin eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zuzurechnen wäre.

Dagegen richtet sich die unbegründete, aus Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Rechtliche Beurteilung

In der nominell auf Z 3 gestützten Rüge wird behauptet, durch die Verlesung der Anzeige ON 2, wenn auch mit Ausnahme der Angaben des Gerhard P***** (vgl S 172), sei der Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzt worden, weil sich die Anzeige ausschließlich auf die Darstellung der Tat durch diesen Zeugen gründe und es keinen anderen Augenzeugen des Vorfalls gebe. Durch die berechtigte Entschlagung des Gerhard P***** von der Zeugenaussage in der Hauptverhandlung (S 167) sei deren Verwertung verhindert worden. Folglich müsse auch die Anzeige als solche hinfällig sein.

Da das Gesetz ein solches Vorgehen bei beiderseitigem Einverständnis gerade nicht verbietet, vielmehr ausdrücklich erlaubt (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO), wurden durch die so legitimierte (vgl S 172) Verlesung der Strafanzeige (ausdrücklich "mit Ausnahme der Angaben des Gerhard P*****, der sich in der Hauptverhandlung der Aussage berechtigt entschlagen hatte) die Bestimmungen des Abs 1 auch nicht umgangen (§ 252 Abs 4 StPO), womit sich die Verfahrensrüge (nominell Z 5a, inhaltlich Z 3) als offenbar unbegründet erweist.

Die Mängelrüge (Z 5) geht fehl, weil der von ihr erhobene Vorwurf, zwei auf dem mündlichen Sachverständigengutachten fußende (S 168 f) Sätze aus den Urteilsfeststellungen (US 8 erster Absatz vorletzter und letzter Satz) seien "mit sich selbst im Widerspruch, unlogisch und widersprüchlich", die vom Vorsitzenden im letzten Satz handschriftliche Korrektur durch Einfügung des Wörtchens "nicht" übersieht.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5a wird eingewendet, dem Geständnis des Betroffenen "kommt keine wirkliche Aussagekraft zu" und seine Angaben vor den erhebenden Beamten (S 37 f) sowie in der Hauptverhandlung (S 165 f) können "keinesfalls als Geständnis im immanenten Sinn des Wortes aufgefasst werden", weil der Betroffene auf eine Entscheidungsfrage immer mit ja antworten werde.

Solcherart wird lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die von den Tatrichtern auch auf Grund von Kontrollbeweisen als beweiskräftig beurteilte Verantwortung des Betroffenen in Frage gestellt, der wiederholt das inkriminierte Tatgeschehen ausführlich und im Wesentlichen gleichlautend eingestanden hat (vgl S 21, 37 f, 111 ff, 131 ff, 165 f).

Soweit darüberhinaus bemängelt wird, der Tathergang sei im Hinblick auf den Grundsatz der materiellen Wahrheit keinesfalls hinreichend geklärt und das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, weitere Beweise aufzunehmen, unterlässt die Beschwerde jegliche Konkretisierung, welche Beweismittel ihrer Ansicht nach dafür in Frage gekommen wären. Inwiefern schließlich die Tatsache, dass sich Gerhard P***** in der Hauptverhandlung berechtigt der Zeugenaussage entschlagen hat, als "entlastender" Umstand "im Lichte der materiellen Wahrheit zu prüfen gewesen wäre", ist nicht verständlich.

Insgesamt werden daher weder formale Begründungsmängel (Z 5) noch schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt (Z 5a).

Das sonstige, auf Teile des Sachverständigengutachtens gestützte Rechtsmittelvorbringen (nominell Z 5, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5; vgl 14 Os 77/00, WK2 Vorbem §§ 21-25 Rz 9) spricht weder mit der Frage einer etwaigen Substituierbarkeit der Unterbringung durch eine ambulante Maßnahme (14 Os 8/00, aaO Rz 7) noch mit dem Hinweis auf den Einfluss des Alkohols als konstellativer Faktor für die Annahme einer geistigen oder seelischen Abnormität höheren Grades (13 Os 18/99, aaO Rz 9 und § 21 Rz 12) eine für die Sanktionsbefugnis entscheiden Tatsache an.

Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - als offenbar unbegründet gemäß § 285d Abs 1 Z 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, dass die Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Graz zukommt (§ 285i StPO).

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