Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 22. Juli 1982 geborene, demnach jugendliche Ivica V***** wurde der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1.) sowie des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.
Danach hat er in Micheldorf
zu 1. in der Zeit vom 20. Februar bis Anfang März 2000 in zumindest vier Angriffen mit der unmündigen, am 26. Dezember 1986 geborenen Danijela S***** den Beischlaf sowie
zu 2. im Dezember 1999 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der zu 1. genannten Unmündigen vorgenommen, indem er sie an den Brüsten und im Genitalbereich betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte. Dagegen richtet sich die auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche vorbringt, das Erstgericht hätte auf Grund des § 7 Abs 1 letzter Satz JGG im Hinblick auf das nur geringfügige Überschreiten der "Alterstoleranzklausel" der §§ 206 Abs 4 bzw 207 Abs 4 StGB von (nur) ca 17 Monaten (Urteilsfaktum 2.) bzw 5 Monaten (Urteilsfaktum 1.) nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozessordnung 1975 vorgehen müssen, da die Bestrafung weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen geboten sei.
Rechtliche Beurteilung
Zwar irrte das Erstgericht mehrfach, als es die Möglichkeit diversioneller Maßnahmen ausschloss, weil vorliegend die Zuständigkeit des Schöffengerichts gegeben sei und die Strafobergrenze 5 Jahre übersteige (s § 90a Abs 2 Z 2 StPO). Denn die vorliegenden Jugendstraftaten waren allesamt nicht mit mehr als 5 Jahren bedroht (s § 5 Z 4 JGG, Bachner-Foregger, JGG3 Anm I zu § 6, Jesionek JGG2 Anm 7 zu § 6 Abs 1); außerdem gibt es weder eine Strafobergrenze noch eine Zuständigkeitsbestimmung für das Gericht nach § 7 Abs 1 letzter Satz JGG. Diversionsmaßnahmen durch das Gericht gemäß § 7 Abs 1 JGG sind daher weder durch Strafdrohungen noch durch Zuständigkeitsbestimmungen beschränkt (s Jesionek aaO § 7 JGG Anm 13 lit b).
Jedoch ist zufolge der in der Strafprozessordnung erwähnten - nicht den Strafsatz oder die Verfahrensart und nicht die Prävention betreffenden - Voraussetzungen (§ 7 Abs 1 JGG nF) das Gericht nicht berechtigt, diversionelle Maßnahmen in jenen Fällen einzusetzen, in denen die Schuld als schwer anzusehen wäre (oder in denen die Tat den Tod eines Menschen zur Folge hatte; vgl JABl 1/2000 aaO). Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird (15 Os 105/90; JABl 1/2000 Punkt 1.3.1. achter Absatz), wobei bei der Prüfung dieser Frage stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Handlungs- und Gesinnungsunrecht müssen insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist (vgl Kienapfel Grundriss des österr. Strafrechtes BT I4 RN 36 zu § 88 mwN).
Ob schwere Schuld vorliegt, ist nach Strafbemessungsgrundsätzen (§ 32 StGB) zu beurteilen, wobei hiefür keineswegs ein Überwiegen der Erschwerungsumstände vorausgesetzt wird (JBl 1992, 197; 15 Os 13/92, 14 Os 14/94 ua).
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch am Erfordernis einer nicht als schwer anzusehenden Schuld. Einerseits weisen schon die Strafdrohungen der §§ 206 Abs 1 und 207 Abs 1 StGB darauf hin, dass der Gesetzgeber das Unrecht dieser Verbrechen an sich hoch veranschlagt hat (15 Os 3/97), was auch auf eine an sich große Schuld hinweist (Schroll in WK2 § 42 Rz 18); andererseits kommt hier noch hinzu, dass der Angeklagte die sexuellen Missbrauchshandlungen wiederholt hat.
Demgegenüber kommt dem Umstand, dass er die gegenständlichen Straftaten in einem Fall erst etwa fünf und in den anderen (schwereren) Fällen ca 17 Monate nach Ablauf der "Alterstoleranz" gemäß §§ 206 Abs 4, 207 Abs 4 StGB beging und dadurch den persönlichen Strafausschließungsgrund verfehlte, keine wesentliche Bedeutung zu.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Jugendschöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 206 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB und unter Anwendung des § 5 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachsah.
Dabei wertete es als erschwerend die Tatwiederholung bezüglich des Beischlafs und die Begehung zweier strafbarer Handlungen, als mildernd die Unbescholtenheit und das Tatsachengeständnis. Die Berufung des Angeklagten strebt ein Absehen von der Verfolgung (§ 6 Abs 3 JGG) bzw einen Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 Abs 3 JGG), jedenfalls aber statt der (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe eine (nicht bedingt nachgesehene) Geldstrafe (§ 37 StGB) an.
Die Berufung ist ebenfalls nicht berechtigt.
Das Schöffengericht hat die Strafbemessungsgründe im Wesentlichen zutreffend und vollständig aufgezählt, richtig gewichtet und - mit der Maßgabe der obigen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde - zutreffend eine Freiheitsstrafe verhängt, die dem Unwert der Taten und der erheblichen Täterschuld gerecht wird und demnach einer Herabsetzung oder gar Milderung im Sinne der Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe nicht zugänglich ist. Auch diesem Rechtsmittel konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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