OGH 1Ob214/00b

OGH1Ob214/00b6.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Fritsch, Kollmann & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P*****, Ägypten, wegen Widerrufs der Inanspruchnahme einer Bankgarantie (Streitwert 47.000 DM) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 30. Juni 2000, GZ 2 R 114/00-5, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Mai 2000, GZ 11 Cg 40/00a-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte, die beklagte Partei - eine ägyptische Gesellschaft - schuldig zu erkennen, "den bereits erfolgten Abruf" der von einer österreichischen Bank "ausgestellten Bankgarantie ... im Umfang von 47.000 DM zu widerrufen". Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich auf § 99 JN. Die klagende Partei habe eine Bankgarantie zugunsten der beklagten Partei über 133.652,98 DM in Auftrag gegeben. Davon habe die beklagte Partei am 29. 2. 2000 Beträge von 4.791,30 DM und 47.000 DM abgerufen. Die "Einziehung der Bankgarantie im Umfang von 4.791,30 DM (= 33.709,19 S)" sei "unstrittig". Demnach habe die beklagte Partei gegen die Garantiebank eine Forderung in dieser Höhe. Dagegen sei der Abruf des weiteren Betrags von 47.000 DM zu Unrecht erfolgt. Der Klageanspruch werde gemäß § 56 JN mit 165.000 S bewertet.

Das Erstgericht wies die Klage a limine "wegen örtlicher Unzuständigkeit" zurück, weil für die Begründung des Gerichtsstands nach § 99 JN "das Vermögen vom Klageanspruch verschieden und von der Entscheidung darüber unabhängig sein" müsse. Daran fehle es im Anlassfall. Außerdem bestehe "auch eine unprorogable internationale Unzuständigkeit".

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu und erwog in rechtlicher Hinsicht, die behauptete Forderung der beklagten Partei gegen eine inländische Bank von 4.791,30 DM erreiche nur rund 10 % des geltend gemachten Vermögenswerts nach seinem "wahren wirtschaftlichen Gehalt". Das genüge für die Begründung des Vermögensgerichtsstands nicht, sei doch das Inlandsvermögen der beklagten Partei "unverhältnismäßig geringer ... als der Wert des Streitgegenstandes". Das Vorliegen eines Vermögensgerichtsstands sei unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu prüfen. Aus einer solchen folge, dass "die offenkundige Unterbewertung des klägerischen Interesses ... auf weniger als die Hälfte des tatsächlich angestrebten Erfolges" für die Wertrelation nicht maßgebend sein könne. Bedeutsam sei vielmehr nur das Verhältnis zwischen der behaupteten Geldforderung der beklagten Partei gegen eine inländische Bank und dem Wert des eingeklagten Anspruchs. Das für die Begründung des Gerichtsstands nach § 99 JN erforderliche Vermögen müsse überdies noch im Zeitpunkt der Klageeinbringung vorhanden sein. Die klagende Partei habe nicht behauptet, dass der am 29. 2. 2000 abgerufene Teilbetrag von 4.719,30 DM noch nicht gezahlt worden sei. Ein Zahlungsverzug würde dem Wesen einer Bankgarantie krass widersprechen. Der ordentliche Revisiosrekurs sei nicht zulässig, weil "keine Rechtsfrage von übergeordneter Bedeutung" im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.

Das Rechtsmittel der klagenden Partei ist in Ermangelung einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Streitwert eines Anspruchs auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie zulässig; es ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Da 47.000 DM jedenfalls einen 260.000 S übersteigenden Entscheidungsgegenstand ergeben, gleichviel welcher Umrechnungskurs herangezogen wird, stellt sich im Anlassfall nicht die Frage, ob § 528 Abs 2 Z 1a ZPO auch auf die Zurückweisung einer Klage bei einem wohl 52.000 S, aber nicht 260.000 S übersteigenden Entscheidungsgegenstand anzuwenden ist (bejahend Kodek in Rechberger, ZPO2 § 528 Rz 2).

2. Nach der neueren Rechtsprechung (3 Ob 330/98w; RZ 1991/56; EFSlg 57.790; SZ 55/74) und Lehre (Fasching, LB2 Rz 265; Gitschthaler in Fasching I2 § 56 Rz 23; Kodek aaO § 500 Rz 5; Mayr in Rechberger aaO § 56 JN Rz 1) ist das Begehren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer bestimmten Geldforderung - entgegen älterer Rechtsprechung (RZ 1938, 58; GlUNF 3973) - nicht nach § 56 Abs 2 JN zu bewerten. Gleiches gilt für konkursrechtliche Prüfungsprozesse, bei denen der Wert des Streitgegenstands der bestrittenen Geldforderung, deren Feststellung begehrt wird, entspricht (8 Ob 310/99t; 8 Ob 288/99g [je mit ausführlicher Begründung]). Dieser Grundsatz kommt auch bei allen anderen geldgleichen Ansprüchen zum Tragen (Mayr aaO § 56 JN Rz 1; idS auch Gitschthaler aaO). Das betrifft etwa Klagen auf Zustimmung zur Ausfolgung eines gerichtlich erlegten Geldbetrags (7 Ob 126/00f; RZ 1991/56; MietSlg 39.776/47; JBl 1960, 101; AnwZ 1933, 297), auf Ausfolgung eines Sparbuchs mit einer bestimmten Geldeinlage (MietSlg 39.776/47 mwN), auf Feststellung des Erlöschens eines Geldunterhaltsanspruchs (SZ 55/74) und auf Ergänzung eines auf Zahlung eines Geldbetrags lautenden Exekutionstitels (SZ 51/125). Auch Oppositionsklagen gegen eine exekutiv betriebene Geldforderung sind nicht zu bewerten (JBl 1997, 791; ÖBA 1994, 33; Gitschthaler aaO § 56 JN Rz 14 mwN). Soweit Gitschthaler (aaO § 56 Rz 10) eine Bewertung auch für geldgleiche Ansprüche verlangt, beziehen sich seine Erwägungen nicht auf wirkliche Wertungen, sondern bloß auf die Angabe des Streitwerts in Höhe des jeweils maßgebenden Geldbetrags.

Aus den voranstehenden Erwägungen ist somit der Grundsatz abzuleiten, dass geldgleiche Ansprüche nicht nach § 56 Abs 2 JN zu bewerten sind. Deren Streitwert entspricht vielmehr dem jeweiligen Geldbetrag, der ihnen zugrunde liegt.

3. Die klagende Partei begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den Abruf einer Bankgarantie "im Umfang von 47.000 DM zu widerrufen". Unter Zugrundelegung der voranstehenden Erwägungen handelt es sich dabei um einen nicht zu bewertenden geldgleichen Anspruch über 47.000 DM, bei dem der Wert des Streitgegenstands jenem Geldbetrag entspricht, auf den sich der Widerrufsanspruch bezieht. Somit ist aber die Bewertung des Streitgegenstands durch den Kläger sowie die des Entscheidungsgegenstands durch das Gericht zweiter Instanz unbeachtlich.

4. Vor dem Hintergrund der soeben erläuterten Rechtslage ist offenkundig auch die klagende Partei der Ansicht, dass die von ihr behauptete Forderung der beklagten Partei gegen die inländische Garantiebank von bloß 4.791,30 DM den Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 und 2 JN nicht begründen kann. Zur Lösung dieser Frage wird gemäß § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO im Übrigen auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts verwiesen. Dem Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des erfolglosen Revisionsrekurses gründet sich auf § 40 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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