OGH 1Ob12/00x

OGH1Ob12/00x6.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter R*****, vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Land Tirol, vertreten durch Dr. Christoph Rittler und Dr. Harald Rittler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 62.085,60 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Oktober 1999, GZ 4 R 211/99g-19, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. Mai 1999, GZ 18 Cg 164/97h-12, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.350,96 S (darin 1.725,16 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29. März 1995 richtete das Amt der Tiroler Landesregierung ua an alle Bezirkshauptmannschaften Tirols einen Erlass, in dem es auf die seit 1. Jänner 1995 bestehende neue Rechtslage (Beitritt Österreichs zur EU) beim Grundverkehr hinwies, im Besonderen darauf, dass § 3 Tiroler GrundverkehrsG (TirGVG) gegenüber EU-Bürgern bereits ab 1. Jänner 1995 als anwendbar anzusehen sei und das sogenannte Erklärungsmodell des § 10 Abs 2 TirGVG ab diesem Zeitpunkt auch EU-Bürgern zu Gute komme.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und kaufte am 17. Juli 1995 eine näher bezeichnete Liegenschaft in Maurach, Tirol, mit einem darauf errichteten Haus E*****. Mit Schreiben vom 17. August 1995 übermittelte der Klagsvertreter diesen Kaufvertrag "ohne Begleitschreiben mit der Bitte um Kenntnisnahme" an die Bezirkshauptmannschaft Schwaz als Grundverkehrsbehörde erster Instanz (im Folgenden nur BH Schwaz). Dass dem Schreiben eine Anzeige über den Rechtserwerb an Grundstücken gemäß § 23 TirGVG angeschlossen gewesen wäre, steht nicht fest. Der Kläger hat im Verfahren vor der BH Schwaz mit Eingabe vom 22. September 1995 zusätzlich zu seinem bis dahin erstatteten Vorbringen unter Vorlage seines die Kaufliegenschaft als seinen ordentlichen Wohnsitz (nunmehr Hauptwohnsitz) ausweisenden Meldezettels ausdrücklich bekanntgegeben, daß er seit Februar 1992 auf der Basis eines gleichzeitig vorgelegten, von der Behörde erster Instanz ausgestellten Gewerbescheines vom 13. April 1992 am Standort des Kaufobjekts ein Handelsagenturgewerbe betreibe, wobei er aus den durch diese Tätigkeit erzielten, in Österreich versteuerten Einkünften seinen Lebensunterhalt bestreite. Weiters hat er sich auf die durch den EU-Vertrag garantierte Gleichstellung "von Staatsbürgern" berufen und auf die garantierte Niederlassungsfreiheit hingewiesen. Eine Erklärung nach § 10 Abs 2 TirGVG reiche in dieser Angelegenheit aus, weil es sich bei der Kaufliegenschaft um Bauland handle. In einem gleichzeitig übermittelten Schriftstück erklärte der Kläger ua, dass durch den Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werde.

Am 25. September 1995 teilte die BH Schwaz dem Klagevertreter schriftlich mit, der zu genehmigende Rechtserwerb bedürfe der Zustimmung nach § 12 TirGVG 1993. Als Voraussetzung für die Erteilung dieser Zustimmung müsse ua ein wirtschaftliches, kulturelles oder soziales Interesse des Landes vom Antragsteller nachgewiesen werden. Da ein solches Interesse nicht geltend gemacht worden sei, müsse der Antragsteller mit einer negativen Entscheidung der Grundverkehrsbehörde rechnen. Soweit er als EU-Bürger allenfalls eine Gleichbehandlung iSd § 3 TirGVG 1993 anstrebe, werde er darauf hingewiesen, dass diese Gleichbehandlung konkret geltend zu machen und das Vorliegen dieser geltend gemachten Voraussetzung entsprechend fundiert vom Rechtsvertreter nachzuweisen sei. Dem Klagsvertreter wurde eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme und zur Vorlage entsprechender Nachweise eingeräumt. Dieses Schreiben der BH Schwaz wurde am 27. September 1995 abgefertigt. Wann es dem Klagevertreter zuging, kann nicht festgestellt werden.

Mit seinem "Antrag auf Genehmigung eines Kaufvertrags" vom 18. Oktober 1995, der bei der BH Schwaz am 19. Oktober 1995 einlangte, führte der Kläger unter Bezugnahme auf § 3 TirGVG 1993 aus, hiemit ausdrücklich zu erklären, für sich die Gleichbehandlung von EU-Bürgern aufgrund des EWR-Abkommens und auch des inzwischen ratifizierten EG-V in Anspruch zu nehmen, weil er sich im Rahmen der Niederlassungsfreiheit nach Art 31 und 34 des EWR-Abkommens entschlossen habe, sich in Österreich niederzulassen und dort einem Erwerb aufgrund der garantierten Niederlassungsfreiheit nachzugehen. Weiters wies der Kläger ua darauf hin, er sei iS des im Verfassungsrang stehenden Gesetzes über den EU-Beitritt Österreichs nicht mehr als Ausländer iSd § 12 TirGVG zu behandeln und habe keinen Zweitwohnsitz erworben. Gleichzeitig legte er einen weiteren Gewerbeschein (vom 22. Mai ) und ihn betreffende Umsatzsteuerbescheide vor.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1995 versagte die BH Schwaz dem Liegenschaftserwerb die Genehmigung, weil zu einem derartigen Rechtserwerb gemäß § 13 TirGVG die Genehmigung nur dann erteilt werden dürfe, wenn ein wirtschaftliches, kulturelles oder soziales Interesse des Landes daran bestehe; ein solches sei weder geltend gemacht worden noch erkennbar. Diese Bestimmung fände allerdings bei einem Rechtserwerb durch EU-Bürger keine Anwendung, wenn diese in einer der angeführten Freiheiten beeinträchtigt wären. Deren Vorliegen habe der Rechtserwerber nachzuweisen. Der Käufer habe zwar die Niederlassungsfreiheit iSd § 3 Abs 1 lit b TirGVG geltend gemacht und hiefür einen Gewerbeschein der BH Schwaz vom 25. Februar 1992 vorgelegt, es liege jedoch kein konkreter Hinweis vor, ob der Käufer diese Niederlassungsfreiheit im Rahmen seiner Berufsausübung oder im Rahmen seines privaten Aufenthalts geltend mache. Weder für den persönlichen Aufenthalt noch für die berufliche Tätigkeit des Erwerbers sei ein Liegenschaftsbesitz erforderlich, sodass durch die Verweigerung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung dieses Liegenschaftserwerbs die Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigt werde. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bestanden keine politischen Weisungen, den Liegenschaftserwerb durch Ausländer nicht zu genehmigen. Es wurde in diesem Zusammenhang auch kein politischer Druck auf die entsprechenden Behörden ausgeübt.

Zu diesem Zeitpunkt bestand weder eine gefestigte Rspr der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung zu der seit 1. Jänner 1995 geltenden Rechtslage noch lagen dazu Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vor.

Gegen den Bescheid der BH Schwaz erhob der durch den Klagevertreter vertretene Kläger Berufung. Daraufhin ließ die Landes-Grundverkehrskommission im Rahmen von Zwischenerhebungen ermitteln, auf welche Art und Weise das Objekt E*****, bisher genutzt worden sei, auf welche Art und Weise die umliegenden Grundstücke genutzt würden und welche gewerbliche Tätigkeit der Kläger von diesem Standort aus tatsächlich ausübe und ob dieses Objekt als Freizeitwohnsitz angemeldet sei. Gleichzeitig wurden ein Lageplan und Lichtbilder vom Objekt angefordert. Der Erhebungsbericht wurde dem Klagevertreter mit der "Einladung" zugestellt, "dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen, widrigenfalls das Verfahren ohne .... weitere Anhörung abgeschlossen werden müsste". In der Stellungnahme des Klagevertreter vom 17. April 1996 wurde geltend gemacht, aus dem Erhebungsbericht würden sich die Angaben des Klägers als richtig ergeben. Jedenfalls erkläre der Kläger, mit dem Kaufvertrag keinerlei Freizeitwohnsitz, sondern seinen Hauptwohnsitz und den Standort für sein Handelsunternehmen zu erwerben.

Die Landes-Grundverkehrskommission erteilte mit Bescheid vom 10. Juli 1996 dem Kaufvertrag vom 17. Juli 1995 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Zwecke des Betriebs eines Handelsunternehmens sowie für Eigen-(Dauer-)Wohnzwecke. Der Kläger habe zu Recht die Gleichbehandlung aufgrund des EG-V (Art 52 und 58) geltend gemacht habe. Auch lägen die Voraussetzungen des 3.Abschnittes des TirGVG vor und spreche schließlich das Freizeitwohnsitzverbot nicht gegen die Erteilung der Genehmigung.

Der Kläger begehrte vom beklagten Land Tirol - gestützt auf Amtshaftung und Staatshaftung - den Ersatz von 86.245,50 S sA an rechtsfreundlichen Vertretungskosten im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde, weil sich die BH Schwaz über die in Art 52 EGV normierte Niederlassungsfreiheit und das Diskriminierungsverbot gegenüber EU-Bürgern rechtswidrig und schuldhaft hinweggesetzt habe. Bei richtiger Anwendung des Gesetzes hätte sich die BH Schwaz mit einer Erklärung gemäß § 10 Abs 2 TirGVG zufrieden geben müssen, zumal der Kläger im Kaufvertrag erklärt habe, deutscher Staatsangehöriger zu sein, aus einem EU-Vertragsstaat zu stammen, dass kein Zweit- oder Freizeitwohnsitz begründet werde und er auch im Haus sein Handelsunternehmen betreibe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 43.261,50 S sA (Kosten der Berufung gegen den Bescheid der BH Schwaz und der Stellungnahme vom 17. April 1996 samt USt und Barauslagen) statt und wies das Mehrbegehren von 42.984 S sA ab. Es verneinte einen Amtshaftungsanspruch mangels Verschuldens von Organen der BH Schwaz, weil eine höchstgerichtliche Rspr zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht vorgelegen sei. Das TirGVG 1993 sei mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Dezember 1996 als verfassungswidrig aufgehoben worden. Nach Mader (in Schwimann 2 Rz 82 zu § 1 AHG) sei bei Rechtswidrigkeit eines Bescheids wegen Rechtswidrigkeit des diesem zugrundeliegenden Gesetzes, das dann durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, ein Verschulden auszuschließen, weil Verwaltungsorgane verpflichtet seien, auch ein rechtswidriges Gesetz bzw eine Verordnung anzuwenden und keine Möglichkeit zur Anfechtung hätten. Aus der Vollziehung eines geltenden, wenngleich verfassungswidrigen Gesetzes durch eine Verwaltungsbehörde könne daher kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden. Diese Ansicht treffe aber dann nicht zu, wenn ein einfaches Gesetz wie das TirGVG 1993 gegen unmittelbar geltendes primäres Gemeinschaftsrecht verstoße. Gemäß Art 2 der Beitrittsakte, BGBl 45/1995, seien nämlich die Gründungsverträge der Gemeinschaft sowie die Sekundärakte der Gemeinschaftsorgane für die neuen Mitgliedsstaaten ab dem Beitritt verbindlich. Art 52 (nunmehr Art 43) EG-V verbiete die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates. In der neueren Rspr habe der EuGH dieser Bestimmung den Rang eines absoluten Beschränkungsverbots beigelegt. Da mit Ausnahme der Zweitwohnsitze in der Beitrittsakte keine Übergangsfrist für die Umsetzung der Niederlassungsfreiheit vorgesehen sei, wäre der Tiroler Landesgesetzgeber verpflichtet gewesen, die die Niederlassungsfreiheit gewährleistende, dem Art 52 (nunmehr Art 43) EG-V entsprechende Ausnahmeregelung für EU-Bürger in das TirGVG aufzunehmen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, hätte die BH Schwaz die auf das EU-Recht nicht Bedacht nehmende Regelung des TirGVG nicht anwenden dürfen, sondern den Sachverhalt nach den Anforderungen des damaligen Art 52 EG-V in der für Österreich verbindlichen Fassung prüfen müssen. Die absoluten Beschränkungsverbote wie jenes der Niederlassungsfreiheit seien unmittelbar anwendbar. Daher könne sich zumindest jeder Bürger eines EU-Mitgliedsstaats vor den österr. Behörden auf diese Bestimmungen berufen. Darüber hinaus genieße Gemeinschaftsrecht auch Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht, gleich welcher Rangordnung im Stufenbau der nationalen Rechtsordnung. Deshalb müssten auch die österr. Behörden und Gerichte gemäß ihrer Mitwirkungspflicht iSd Art 5 (nun Art 10) EG-V Gemeinschaftsrecht berücksichtigen und auch anwenden, selbst wenn dieses den nationalen Rechtsgrundlagen entgegenstehe. Es wäre daher im Gegensatz zur zitierten und offenbar nur auf nationales Recht bezogenen Rechtsansicht eine Anfechtung des rechtswidrigen Gesetzes nicht erforderlich. Ob nun die von diesen Kriterien ausgehende Gesetzeslage so klar gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil die BH Schwaz nachvollziehbar begründet habe, warum nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für eine Genehmigung des Liegenschaftserwerbs nicht vorlägen. Das zuständige Organ der BH Schwaz habe nämlich auch auf die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger Bedacht genommen und auf den konkreten Fall bezogen dargelegt, warum diese hier nicht zum Tragen komme, und damit ausreichend zu erkennen gegeben, dass seine Entscheidung auf einer pflichtgemäßen Überlegung beruhe. Die dem Bescheid der BH Schwaz zugrundegelegte Rechtsansicht könne daher noch als vertretbar beurteilt werden.

Der Kläger habe allerdings seinen Anspruch aus im einzelnen genannten Erwägungen zutreffend auch auf Staatshaftung wegen Verletzung zwingenden EU-Rechts gestützt, habe doch das beklagte Land nach dem EU-Beitritt Österreichs ungeachtet seiner Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Normen das TirGVG nicht entsprechend novelliert.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es dem Kläger 62.085.60 S sA - somit zusätzlich zu den vom Erstrichter zugesprochenen Kosten auch für den Schriftsatz vom 18. Oktober 1995 - zusprach. Das Erstgericht habe zu Recht einen Staatshaftungsanspruch bejaht, für den das beklagte Bundesland passiv legitimiert sei. Überdies bestehe aber auch der Amtshaftungsanspruch des Klägers zu Recht. Denn zum einen sei die BH Schwaz auf die neue Rechtslage seit 1. Jänner 1995 mit Erlass vom 29. März 1995 ausdrücklich hingewiesen worden, zum anderen hätten ihr die Bestimmungen des EG-V bekannt sein müssen. Von einer unklaren Gesetzesbestimmung könne keine Rede sein. Im Übrigen wäre auch nach der damaligen Gesetzeslage lediglich ein Ansuchen gemäß § 10 Abs 2 TirGVG erforderlich gewesen. § 10 Abs 2 TirGVG 1993, der nur die österr. Staatsangehörigen davon befreit habe, eine Genehmigung für den Erwerb eines bebauten Grundstücks beantragen und zu diesem Zweck nachweisen zu müssen, dass der beabsichtigte Erwerb nicht der Schaffung eines Freizeitwohnsitzes diene, habe eine Angehörige der anderen EU-Mitgliedsstaaten diskriminierende Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten dargestellt. Eine solche Diskriminierung sei nach Art 56 EG-V verboten, wenn sie nicht aus einem Grund gerechtfertigt sei, der nach dem EG-V zulässig sei. Dies sei hier nicht der Fall. Dem Kläger als EU-Bürger hätte daher auch das Recht auf Befreiung von einem Genehmigungsverfahren zukommen und dementsprechend hätte eine entsprechende Erklärung, die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaats zu besitzen und dass durch den Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werde, ausreichen müssen.

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften der Bund und die anderen dort genannten Rechtsträger - somit auch die Länder - nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Über Antrag des Erstgerichts, die Rechtswidrigkeit des Bescheids der BH Schwaz vom 19. Oktober 1995 festzustellen, sprach der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 67 VwGG mit Erkenntnis vom 18. Dezember 1998, Zl. 97/02/0496 = VwSlg 15.060(A), zufolge § 11 Abs 1 AHG für das Amtshaftungsgericht bindend aus, dass der Bescheid rechtswidrig sei. Damit ist im Rahmen der Amtshaftung nur mehr zu prüfen, ob den Organen des Rechtsträgers ein Verschulden zur Last fällt. Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (SZ 52/86, SZ 62/6, SZ 69/147 uva). Im vorliegenden Fall ist also zu klären, ob der Bescheid der BH Schwaz als Grundverkehrsbehörde erster Instanz deshalb rechtswidrig und schuldhaft war, weil deren Rechtsauffassung unvertretbar war: Nicht jede Rechtsansicht, die von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde, ist schon rechtswidrig; noch weniger muß das Verhalten von Organen des Rechtsträgers schuldhaft sein. Die Rechtsanwendung soll "lebendig" erhalten und der Rechtsauslegung sollen daher nicht allzu strenge Fesseln angelegt werden. Sind Gesetzesbestimmungen nicht vollkommen eindeutig, enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite ihres Wortlauts und steht zudem keine höchstrichterliche Rspr als Entscheidungshilfe zur Verfügung, dann kommt es allein darauf an, ob bei pflichtgemäßer Überlegung die getroffene Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden kann. Das Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder der stRspr des zuständigen Höchstgerichts, das nicht erkennen lässt, dass es auf einer sorgfältigen und bei geforderter Schriftlichkeit auch begründeten Überlegung beruht, ist als schuldhaft zu beurteilen (RIS-Justiz RS0049912; Schragel, AHG2 Rz 147 mwN).

Durch den Beitrittsvertrag trat Österreich unter den in der Beitrittsakte umschriebenen Bedingungen ua in die "Erste Säule" der EU, das Gemeinschaftsrecht ein. Diese vom Völkerrecht und von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verschiedene, autonome und unabhängige Rechtsordnung wirkt auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlicher Weise in die Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten ein. Für den Rechtsanwender vergrößerte sich dadurch der im Einzelfall zu berücksichtigende Normenkomplex; er ist außerdem mit einer Fülle neuer (gemeinschaftsrechtlicher) Fragestellungen konfrontiert, zB der Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Zusammenhang mit seiner Anwendbarkeit (unmittelbaren Geltung - Wirkung) und seinem Anwendungsvorrang (Kohlegger/Knoflach, Gemeinschaftsrechtliche Auslegungs- und Umsetzungsprobleme am Beispiel von Fusions- sowie Spaltungs-RL und EU-GesRÄG in RdW 1996, 97). Die Niederlassungsfreiheit (Art 43 ex Art 52 EG-V) zählt zum Primärrecht. Nach der Rspr des EuGH obliegt grundsätzlich den nationalen Gerichten die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, um die außervertragliche Haftung eines Mitgliedsstaats gegenüber einem einzelnen zu begründen (Urteil vom 1. Juni 1999, Rs C-302/97 , Konle gegen Republik Österreich, Slg 1999 I-3099 mwN in Rn 58). Ein Amtshaftungsanspruch kann demnach auch dann entstehen, wenn ein Organ des Rechtsträgers in Österreich unmittelbar anzuwendendes Gemeinschaftsrecht vorwerfbar nicht oder nicht richtig anwendet (vgl dazu Kucsko-Stadlmayer, Der Vorrang des EU-Rechts vor österreichischem Recht in ecolex 1995, 338 ff, 344). Die zum Schadenersatz führende Vorwerfbarkeit kann dabei auch in der Nichtbeachtung der stRspr des EuGH liegen. Diese Frage der Amtshaftung ist dabei unabhängig davon zu beurteilen, ob österr. Gesetzgebungsorgane ihrer Umsetzungspflicht in Ansehung von Gemeinschaftsrecht nachgekommen sind oder nicht.

Im vorliegenden Fall übergeht der Hinweis auf ein wirtschaftliches, kulturelles oder soziales Interesse der Landes Tirol im nun den Gegenstand des Amtshaftungsanspruchs bildenden Bescheid der BH Schwaz - die durch den Erlaß vom 29. März 1995 auf die neue Rechtslage nach dem EU-Beitritt zum 1. Jänner 1995 - als Entscheidungshilfe ausdrücklich hingewiesen worden war, die Niederlassungsfreiheit von EU-Bürgern. Darüber hinaus nahm die BH Schwaz in ihrem Bescheid auf die Niederlassungsfreiheit von EU-Bürgern ausdrücklich Bezug, ging somit auch zutreffend im konkreten Fall von einem Normwiderspruch und vom Anwendungsvorrang des primären Gemeinschaftsrechts gegenüber innerstaatlichem Recht (auch der Bundesländer) aus (vgl dazu Kucsko-Stadlmayer aaO 340 ff), führte jedoch aus, aus der Niederlassungsfreiheit könne noch nicht unmittelbar ein Recht auf Liegenschaftserwerb abgeleitet werden; für die Ausübung eines persönlichen Wohnrechts bzw eines uneingeschränkten Aufenthalts oder einer Berufsausübung im Inland sei der Besitz bzw Erwerb einer Liegenschaft nicht Voraussetzung. Diese Rechtsansicht widerspricht jedoch nicht nur der eindeutigen Regelung des Art 44 (ex Art 54) EG-V, nach der die Niederlassungsfreiheit auch das Recht umfasst, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats Grundbesitz zu erwerben, sondern negiert auch die dazu maßgebliche und auch von österr. Gerichten und Verwaltungsbehörden als Entscheidungshilfe zu berücksichtigende Rspr des EuGH, nach der dieses Recht der Niederlassungsfreiheit als "notwendige Ergänzung" des Diskriminierungsverbots zu sehen ist (vgl dazu die Hinweise auf die Rspr des EuGH im Erkenntnis VwSlg 15.061[A]). Nach der Entscheidung des EuGH vom 14. Jänner 1988, Rs C-63/86 , Kommission gegen Italienische Republik, Slg 1988, 29, 52 ff besteht das zur Niederlassungsfreiheit akzessorische Recht zum Erwerb einer Wohnung. Die BH Schwaz konnte sich auf die im Rechtsmittel genannte Literaturstelle (Schneider, Handbuch Österr. Grundverkehrsrecht 76 ff) schon deshalb nicht stützen, weil im vorliegenden Fall von einer der dort genannten "sekundären Niederlassungen" keine Rede sein kann. Bei Bedenken gegen die vom Kläger vorgebrachten Tatsachen, weil dieser in Wahrheit doch einen Zweitwohnsitz (vgl dazu Walzel v. Wiesentreu, Gemeinschafts- und verfassungsrechtliche Probleme des Zweitwohnungserwerbes in Tirol in ImmZ 1997, 291 ff, 319 ff) erwerben wolle, hätte die BH Schwaz zumindest die dann von der Behörde zweiter Instanz gepflogenen Erhebungen durchführen müssen. Demnach muss aber in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht von einer unvertretbaren Rechtsanwendung durch die BH Schwaz ausgegangen werden.

Die beklagte Partei haftet daher aus dem Titel der Amtshaftung für die dem Kläger durch den rechtswidrigen Bescheid verursachten Mehrkosten rechtsfreundlicher Vertretung. Zu deren Höhe genügt der Verweis auf die zweitinstanzliche Entscheidung (§ 510 Abs 3 ZPO).

b) Fragen der Staaatshaftung (für legislatives Unrecht) stellen sich demnach nicht mehr. Auf die von der zweiten Instanz gleichfalls als erheblich beurteilte Rechtsfrage, ob ein Staatshaftungsanspruch gegen einen Teilstaat/Bundesland aufgrund der unterlassenen Anpassung einer landesgesetzlichen Regelung an bestehendes Gemeinschaftsrecht geltend gemacht werden kann, kommt es demnach nicht mehr an.

Dem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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