OGH 6Ob208/00g

OGH6Ob208/00g5.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels zu FN 109025g eingetragen gewesenen I*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in V*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Otto Urban, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 24. Mai 2000, GZ 6 R 166/00z-8, womit der Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 28. März 2000, GZ 29 Fr 370/00i-5, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die zweitinstanzliche Entscheidung wird aufgehoben, dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Gesellschaft unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung war im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels eingetragen. Alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer war zuletzt der Beklagtenvertreter. Er hatte am 3. 9. 1998 namens der Gesellschaft einen Antrag auf amtswegige Löschung gestellt und vorgebracht, die Gesellschaft entfalte keine Tätigkeit mehr, Gesellschaftsvermögen sei nicht vorhanden, es fehle an Mitteln zur Durchführung einer förmlichen Liquidation. Die einzige Gesellschafterin habe über Aufforderung der Gesellschaft Bankverbindlichkeiten von mehr als 200.000 S beglichen, für die die Gesellschaft allein gehaftet habe. Die Forderung der Gesellschafterin sei unbedenklich und fällig, die Gesellschaft, deren Vermögen zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger ausreiche, habe eine vollwertige Leistung erhalten.

Das Firmenbuchgericht leitete daraufhin das amtswegige Löschungsverfahren ein und löschte die Gesellschaft am 3. 12. 1998 gemäß § 2 ALöschG wegen Vermögenslosigkeit.

Am 28. 1. 2000 stellte die frühere gewerberechtliche Geschäftsführerin den Antrag auf Bestellung eines Liquidators "gemäß § 2 Abs 3 ALöschG". Sie habe noch Ansprüche aufgrund ihrer Tätigkeit als gewerberechtliche Geschäftsführerin. Die Gesellschaft sei nicht vermögenslos, sie verfüge über eine Forderung auf Einzahlung der restlichen Stammeinlagen von 200.000 S. Die Gesellschafterin habe ihrer Verpflichtung zur Volleinzahlung nicht durch die (angebliche) Zahlung von Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft nachkommen können, sei doch nur die Gesellschaft und nicht der zahlungspflichtige Gesellschafter zur Kompensation berechtigt. Überdies sei eine allfällige Forderung der Gesellschafterin gegenüber der Gesellschaft in keiner Weise vollwertig und zur Kompensation geeignet, weil das Gesellschaftsvermögen nicht zur Befriedigung aller Gesellschaftsschulden ausgereicht habe.

Die Gesellschaft, vertreten durch ihren früheren Geschäftsführer, trat diesem Antrag entgegen und führte aus, sie verfüge über kein Vermögen. Die restliche Stammeinlage sei aufgrund eines formfrei durch Einigung aller Gesellschafter zustande gekommenen Beschlusses eingefordert worden. Die Gesellschafterin sei angewiesen worden, ihre ausständige Einzahlung zur Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten an einen Dritten zu leisten, eine Kompensation sei nicht erfolgt. Tatsächlich habe die Gesellschafterin aufgrund dieser Aufforderung Verbindlichkeiten der Gesellschaft von mehr als 200.000 S bezahlt. Eine Zahlung vom Geschäftskonto sei nicht möglich gewesen, weil dieses zum 31. 3. 1998 einen negativen Saldo von über 500.000 S aufgewiesen habe. Im Übrigen seien alle Forderungen der Antragstellerin beglichen.

Das Erstgericht bestellte den Beklagtenvertreter als ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft zum selbständig vertretungsbefugten Liquidator gemäß § 40 Abs 4 FBG idFd Art I BGBl I 1999/74. Es veranlasste keine Eintragung ins Firmenbuch. Erfordernis der (Nachtrags)liqudation sei das Vorhandensein eines verwertbaren Vermögens, wozu auch Einlageforderungen der Gesellschaft zählten. Zahlungen der Gesellschafterin, die diese über Anweisung der Gesellschaft an deren Gläubiger geleistet habe, hätten eine Tilgung der Einlageschuld nur dann hebeiführen können, wenn die Forderung unbedenklich (unbestritten) und fällig gewesen wäre und die Gesellschaft durch die Aufrechnung eine vollwertige Leistung erhalten hätte. Dies sei aber nur dann möglich, wenn die Forderung selbst vollwertig sei und das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche; die Gesellschaft dürfe nicht überschuldet oder zahlungsunfähig sein. Nach dem Vorbringen des früheren Geschäftsführers habe das Gesellschaftskonto zum 31. 3. 1998 einen negativen Saldo aufgewiesen, habe daher nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausgereicht; die Gesellschaft sei überschuldet gewesen. Die Zahlungen der Gesellschafterin an Gesellschaftsgläubiger hätten daher eine Tilgung ihrer Einlageschuld nicht herbeigeführt. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Liquidators seien somit erfüllt. Im Sinn des § 89 Abs 2 GmbHG werde der ehemalige Geschäftsführer zum Nachtragsliquidator bestellt. Eine Wiedereintragung der Gesellschaft ins Firmenbuch sei nicht erforderlich, weil ihre Löschung nur deklaratorische Wirkung habe.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch ihren früheren Geschäftsführer und nunmehrigen Liquidator, zurück. Zur Antragstellung auf Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens seien nur die Wirtschaftskammer und die Steuerbehörde berechtigt. Demgegenüber könnten die Gesellschaft selbst, ihre Gesellschafter und Gläubiger eine (amtswegige) Verfahrenseinleitung nur anregen. Für den Fall der Bestellung eines Liquidators nach § 2 Abs 3 ALöschG bejahten bedeutende Lehrmeinungen in Deutschland ein Beschwerderecht der Gesellschaft (vertreten durch ihren bisherigen Geschäftsführer). Demgegenüber habe der Oberste Gerichtshof schon bisher erkannt, dass die Steuerbehörde nicht zur Anfechtung einer Beschlussfassung nach § 2 Abs 3 ALöschG befugt sei. Dieser Rechtsmittelausschluss müsse aber auch für die gelöschte Gesellschaft selbst gelten. Bestehe nämlich weder ein Antragsrecht der Gesellschaft auf Einleitung des Amtslöschungsverfahrens noch ein Anspruch auf Löschung, könne die Gesellschaft auch dann nicht zum Rekurs legitimiert sein, wenn nach Durchführung der Amtslöschung wegen Vermögenslosigkeit die nachträgliche Liquidation angeordnet werde. Aus der Löschung resultiere keine gesicherte unveränderliche Position als "gelöschte Gesellschaft", die gebotenenfalls durch Rechtsmittel verteidigt werden müsste. Das Unterbleiben der Liquidation nach § 2 Abs 1 ALöschG stehe in untrennbarem Zusammenhang mit der Löschungsvoraussetzung der Vermögenslosigkeit. Fehle es an dieser Voraussetzung, sei die Liquidation durch Bestellung eines Liquidators einzuleiten. Dieses Ergebnis decke sich auch mit der herrschenden Ansicht zur Rekurslegitimation gegen die Bestellung eines Nachtragsliquidators. Danach könne der Bestellungsbeschluss (nur) durch den bestellten Nachtragsliquidator oder durch die Gesellschafter - nicht aber durch die Geschäftsführer, die bisherigen Liquidatoren oder die Gläubiger der Gesellschaft - angefochten werden. Ob die gelöschte Gesellschaft Rekurs erheben könne, sei sehr zweifelhaft. Sei aber schon ein Rechtsmittel der Gesellschaft gegen die Bestellung eines Nachtragsliquidators nach durchgeführter Liquidation zweifelhaft, müsse ein Rechtsmittel der Gesellschaft nach einer Löschung von Amts wegen jedenfalls ausgeschlossen sein, weil die Gesellschaft (wie sich aus ihrer fehlenden Antragslegitimation ergebe) keinen Anspruch auf das Unterbleiben der Liquidation habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Rekurslegitimation einer von Amts wegen gelöschten Gesellschaft gegen die Bestellung eines Nachtragsliquidators Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch den früheren Geschäftsführer und nunmehrigen (Nachtrags)liquidator ist zulässig und berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass schon der Antrag der Gesellschaftsgläubigerin nach dem 30. Juni 1999 bei Gericht eingebracht wurde, sodass nicht mehr die Bestimmungen des mit Ablauf dieses Datums außer Kraft getretenen ALöschG (Art II des BGBl I 1999/74), sondern des § 40 FBG idFd BGBl I 1999/74 anzuwenden sind. Der Hinweis im Rechtsmittel auf § 2 Abs 3 ALöschG und die Entscheidung SZ 58/3 entspricht daher nicht der geltenden Rechtslage, wenngleich die Bestimmungen der §§ 40 f FBG idgF inhaltlich dem bisherigen § 2 ALöschG entsprechen (RV, 1588 BlgNR 20. GP, 5). Ob die bisherige Rechtsprechung voll aufrecht zu erhalten ist, muss hier nicht abschließend beurteilt werden.

Aus dem Hinweis auf das fehlende Rekursrecht der Gesellschaft gegen die Einstellung des amtswegigen Löschungsverfahrens auch dann, wenn sie die Verfahrenseinleitung selbst angeregt hatte, lässt sich für den hier zu beurteilenden Fall nichts gewinnen. Die fehlende Rechtsmittelbefugnis gegen die Einstellung des Löschungsverfahrens wurde mit dem Fehlen eines Anspruches der Gesellschaft auf amtswegige Löschung begründet und lässt somit keine Rückschlüsse auf die Rechtsmittellegitimation der Gesellschaft gegen die Bestellung von Nachtragsliquidatoren zu. Auch die in der Rechtsprechung ausgesprochene Verneinung des Rekursrechts von Gläubigern, vormaligen Geschäftsführern und bisherigen Liquidatoren im eigenen Namen sagt nichts über die Rechtsmittelbefugnis der Gesellschaft selbst aus. Dafür ist allein maßgeblich, ob die Gesellschaft als Verfahrensbeteiligte durch die bekämpfte Beschlussfassung in ihrer rechtlich geschützten Sphäre beeinträchtigt wird. In diesem Sinn wird in der Lehre die Auffassung vertreten (Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 Rz 1117), Beteiligte im Firmenbuchverfahren sei primär die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sie besitze grundsätzliche Rechtsmittelbefugnis. Dass die Bestellung vertretungsbefugter Organe (hier Liquidatoren) durch das Firmenbuchgericht im Firmenbuchverfahren erfolgt, ist nicht zweifelhaft. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass Nachtragsliquidatoren nicht zwingend ins Firmenbuch eingetragen werden müssen und es vielmehr in das Ermessen des Firmenbuchgerichtes fällt, ob es eine Eintragung für zweckmäßig hält.

Die überwiegende Lehre in Deutschland vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung deutscher Oberlandesgerichte die Auffassung, ein Beschwerderecht gegen die Bestellung von (Nachtrags)liquidatoren stehe allein der gelöschten Gesellschaft, nicht hingegen den ehemaligen Gesellschaftern oder früheren Geschäftsführern oder Liquidatoren der Gesellschaft im eigenen Namen zu (Ulmer in Hachenburg, dGmbHG8 Rz 44 Anh zu § 60; Lutter in Lutter/Hommelhoff, dGmbHG15 Rz 21 zu § 74; Rasner in Rowedder, dGmbHG3 Rz 21 Anh zu § 60). Nur Hohner (in Hachenburg aaO Rz 37 zu § 74) zweifelt an der Rechtsmittellegitimation der gelöschten Gesellschaft, lässt diese Frage jedoch letztlich offen.

Ein Eingriff in die rechtlich geschützte Sphäre der Gesellschaft wird nicht nur durch die amtswegige Löschung der Gesellschaft, sondern auch durch die Bestellung eines (Nachtrags)liquidators nach § 40 Abs 4 FBG idgF verwirklicht. Die Bestellung von Nachtragsliquidatoren im Sinn dieser Bestimmung setzt das Vorhandensein von Aktivvermögen der Gesellschaft, somit den Weiterbestand ihrer Rechtspersönlichkeit (trotz vorheriger amtswegiger Löschung) voraus (vgl Hohner aaO Rz 31 zu § 74; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 721; Koppensteiner, GmbHG2 Rz 12 ff zu § 93). Nach herrschender Ansicht wirkt die amtswegige Löschung nur deklarativ. Die Gesellschaft besteht solange fort, als noch Aktivvermögen vorhanden ist. Fehlt hingegen Aktivvermögen, endet ihre Rechtspersönlichkeit mit der (amtswegigen) Löschung (SZ 64/134 mwN; wbl 1999, 471 uva; RIS-Justiz RS0050186). Bei Beschlussfassung über die Bestellung von Liquidatoren nach § 40 Abs 4 FBG idgF hat sich die Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichtes daher primär auf die Frage des Vorhandenseins von Aktivvermögen als Voraussetzung des rechtlichen Bestandes der Gesellschaft zu konzentrieren. Entscheidungen des Firmenbuchgerichtes über Bestand oder Fehlen der Rechtspersönlichkeit eines Rechtsträgers greifen aber jedenfalls in seine durch Gesellschaftsrecht geschützte Sphäre ein, sodass seine Rechtsmittelbefugnis schon aus diesen Gründen zu bejahen ist. Ob die Befürchtungen der Gesellschaft, die Steuerbehörde könnte nach Bestellung eines Nachtragsliquidators wieder Körperschaftssteuer vorschreiben, die Gesellschaft werde überdies durch die Kosten der Liquidation belastet (für die sie infolge Vermögenslosigkeit tatsächlich nicht aufkommen könnte), eine Beeinträchtigung rein wirtschaftlicher Interessen beinhalten (die eine Rechtsmittelbefugnis nicht begründen könnten) oder ein rechtliches Interesse der Gesellschaft an der Beseitigung der Liquidatorbestellung begründen, kann daher hier offenbleiben. Schon die Bestellung eines vertretungsbefugten Organes zu Zwecken der nachträglichen Abwicklung der Gesellschaft und die damit zwangsläufig verbundene Beurteilung ihrer Rechtspersönlichkeit greift in die gesellschaftsrechtliche und firmenbuchrechtliche Position der Gesellschaft ein und begründet damit ihre Rechtsmittelbefugnis.

Dem Revisionsrekurs der Gesellschaft ist daher Folge zu geben, der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichtes aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Gesellschaft unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

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