OGH 9Ob181/00h

OGH9Ob181/00h4.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Michael K*****, geboren am 9. Juni 1984, Schüler, *****, vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 657.732,70 sA (eingeschränkt), über die außerordentliche Revision (Revisionsstreitwert S 522.496,90) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. Mai 2000, GZ 6 R 19/00m-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Oktober 1999, GZ 11 Cg 47/96x-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 438.488,46 samt 4 % Zinsen seit 6. 2. 1995 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von S 219.244,24 samt 4 % Zinsen seit 6. 2. 1995 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 18.425,99 (darin S 2.911,69 USt und S 955,86 Barauslagen) an anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie S 17.244,97 (darin S 952,43 USt und S 11.530,40 Barauslagen) an anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 18.808,76 (darin S 572,16 und S 15.375,80 Barauslagen) an anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. 2. 1995 brannte der bei der Klägerin feuerversicherte Holzlagerschuppen der Tischlerei der Ehegatten Karl Manfred und Anita G***** ab. Der am 9. 6. 1984 geborene Beklagte und der am 11. 8. 1984 geborene Markus G*****, der Sohn der vorgenannten Ehegatten, spielten an diesem Tage zunächst in einer Entfernung von 20 - 30 m vom Holzschuppen entfernt, indem sie ein kleines Feuer mit Furnierabfällen entzündeten, welches sie in der Folge mit Papier weiter nähren wollten. Während Markus G***** sich in der Folge wegbegab, entdeckte der Beklagte im Holzschuppen Papierabfälle, welche in einem Plastiksack gelagert waren. Er zündete diese mit seinem Feuerzeug an, ohne dass sein Freund Markus G***** davon etwas gewusst hatte oder dies hätte verhindern können. Als aus dem Plastiksack Flammen herausschlugen, versuchten die beiden Buben, das Feuer mit einem Feuerlöscher bzw mit einem Gartenschlauch zu löschen, doch gelang ihnen dies nicht mehr, sodass das Feuer rasch auf den gesamten Holzschuppen und in weiterer Folge auch auf den Dachstuhl der angebauten Tischlerei übergriff. Der Zeitwert des Objektes betrug S 1,880,960. Das Objekt war sowohl bei der Klägerin als auch bei der I***** Versicherungs AG feuerversichert; die Gesamtversicherungssumme betrug S 7,721.390,--. Das Objekt war allerdings mit S 593.000,-- unterversichert. Die Klägerin leistete einen Entschädigungsbetrag von S 982.130,--, die I***** Versicherungs AG einen solchen von S 930.430,--.

Der Beklagte ist durch eine Haushaltsversicherung bis zu einer Höchstsumme von S 2 Mio haftpflichtversichert. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der auf die Klägerin im Wege des Regresses (§ 67 VersVG) übergangene Anteil S 657.732,70 beträgt.

Der mj. Beklagte verfügte schon im Tatzeitpunkt, er war damals 10,7 Jahre alt, über eine normentsprechende kognitive intellektuelle Kapazität; er war altersgemäß entwickelt. Für eine schwerwiegende Entwicklungsstörung oder einen Persönlichkeitsdefekt gibt es keine Anhaltspunkte. Auch das Persönlichkeitsbild (eher introvertiert, schüchtern, schweigsam, ernst, sensitiv, behütet, nachdenklich, innerlich zurückhaltend) gibt keine klärenden Hinweise auf das Tatgeschehen. Aus psychologischer Sicht hatte der Beklagte zum Zeitpunkt des Vorfalles eine seinem Alter entsprechende Einsicht in sein Fehlverhalten. Er war in der Lage, dieser Einsicht folgend zu handeln. Dem Beklagten war auch bewusst, dass er nicht mit Feuer herumspielen darf. Im Regelfall konnte er sich an solche Anordnungen halten. Der Vorfall lässt sich am ehestens mit Gedankenlosigkeit des Beklagten zum damaligen Zeitpunkt erklären.

Die Klägerin begehrte zunächst den Zuspruch von S 982.130,-- sA, und zwar den von ihr aus der Feuerversicherung an den Geschädigten gezahlten Betrag. Der Beklagte sei zum Tatzeitpunkt ausreichend einsichtsfähig gewesen und habe die Gefährlichkeit seines Tuns erkennen und dieser Einsicht gemäß handeln können, sodass der Ausnahmefall einer Haftung nach § 1310 erster Fall ABGB vorliege. Subsidiär stützte die Klägerin ihren Anspruch auf § 1310 dritter Fall ABGB, zumal der Beklagte aus einer Haushaltsversicherung mit einer Höchstsumme von 2 Mio S haftpflichtversichert sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Während im ersten Rechtsgang ein Verschulden im Sinne des § 1310 erster Fall ABGB bestritten wurde, ist dies im zweiten Rechtsgang nicht mehr strittig. Die Klägerin müsse sich nicht nur das aus der Unterversicherung erfließende Quotenvorrecht ihres Versicherungsnehmers in Abzug bringen lassen, sondern der Schaden sei nach der Rechtsprechung im Verhältnis des Deckungsfonds der Feuerversicherer einerseits zu dem des Haftpflichtversicherers des Beklagten andererseits zu teilen, die Quote ergebe einen Betrag von 21 % zu Lasten des Beklagten.

Bereits im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht unangefochten S 274.397,30 ab.

Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht den Beklagten für schuldig, der Klägerin S 135.235,80 sA zu zahlen, das Mehrbegehren von S 522.496,90 sA wies es ab. Vom Schaden in Höhe von S 1,880.960,-- sei der Betrag von S 539.000,-- an Unterversicherung in Abzug zu bringen, sodass gemäß § 67 VersVG auf die beiden Feuerversicherungen eine Gesamtforderung von S 1,287.960,-- übergegangen sei. Für den Schaden hafte der Beklagte im Verhältnis seiner Haftpflichtversicherungssumme zur Summe der beiden Feuerversicherungen, sohin mit 21 %, dies seien S 270.471,60. Das außer Streit stehende Verhältnis von 1 : 1 zwischen den beiden Feuerversicherungen ergebe somit einen Anteil der Klägerin in Höhe von S 135.235,80, welchen sie vom Beklagten verlangen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die - schon im ersten Rechtsgang dem Erstgericht überbundene - Rechtsauffassung, dass der Beklagte grundsätzlich schon nach § 1310 erster Fall ABGB hafte, weil dieser trotz seines Alters das Unrecht seiner Tat hätte einsehen können und auch imstande gewesen wäre, dieser Ansicht gemäß zu handeln. Nach ständiger Rechtsprechung müsse aber das Gericht gegen einen mj. Schädiger, auch wenn diesem ein Verschulden anzulasten sei, nicht mit der ganzen Strenge des § 1295 f ABGB vorgehen. Vielmehr sei es in jedem der im § 1310 ABGB angeführten Ausnahmefälle dem billigen Ermessen des Richters überlassen, das Maß des zu leistenden Schadenersatzes festzusetzen, welches unter Umständen den ganzen Betrag erreichen könne, ihn aber nicht erreichen müsse. In allen Fällen könne der Richter mit Rücksicht auf die Umstände auch bloß auf Teilersatz erkennen. Im vorliegenden Fall sei im Rahmen der Billigkeitsabwägungen zu berücksichtigen, dass der als Vermögen zu wertenden Haftpflichtversicherungsdeckung des Beklagten eine Feuerversicherung des Geschädigten gegenüberstehe, was dazu führe, dass der Schaden entsprechend den Deckungsfonds anteilig zu tragen sei. Diesen Erwägungen entspreche auch das Ersturteil.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 522.496,90 stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt, weil das Berufungsgericht in seiner

Entscheidung von der Rechtsprechung (7 Ob 3/91 = VersRdSch 1991, 385

= VersR 1991, 1395) abweicht. Sie ist auch teilweise berechtigt.

§ 1310 dritter Fall ABGB kommt nur subsidiär in Betracht, nämlich dann, wenn die anderen Fälle des § 1310 ABGB nicht zur Auferlegung des Schadenersatzes führen (RIS-Justiz RS0027492, zuletzt 7 Ob 183/99h). Allerdings ist es in jedem der in § 1310 ABGB erwähnten Fälle einer ausnahmsweisen Haftung des unmündigen Schädigers aber dem billigen Ermessen des Richters überlassen, das Maß des zu leistenden Schadenersatzes festzusetzen, das unter Umständen den ganzen Betrag erreichen kann, aber nicht erreichen muss (SZ 45/69, RZ 1966, 90, 6 Ob 652/84; zuletzt 7 Ob 3/91 = VersRdSch 1991, 385 = VersR 1991, 1395). Dabei sind alle vorhandenen Elemente in die Billigkeitserwägung miteinzubeziehen. Wenngleich es in diesem Zusammenhang regelmäßig nicht auf die Vermögenssituation des Schädigers ankommt (RIS-Justiz RS0027532, zuletzt 6 Ob 652/84) - dies muss konsequenterweise auch für das Vermögen des Geschädigten gelten - ist dennoch das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Geschädigten in die Billigkeitserwägungen einzubeziehen (7 Ob 752/90, 7 Ob 3/91). Ist somit eine eigene Versicherung des Schädigers nicht unbeachtlich, kann auch eine eigene Versicherung des Geschädigten nicht ohne Belang sein (7 Ob 3/91). Allerdings wäre es in einem solchen Fall verfehlt, die Haftpflichtversicherung des unmündigen Schädigers bloß im Verhältnis des Deckungsfonds zum eingetretenen Schaden einzubeziehen, wie dies von der Rechtsprechung beim Vorliegen des dritten Falles des § 1310 ABGB als gerechtfertigt erkannt wird (7 Ob 3/91 mwN). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass bei Vorhandensein von Versicherungen auf beiden Seiten trotz zurechenbaren Verschuldens des Schädigers die Verhältnisrechnung durchzuführen sei, wie sie sonst nur im 3. Fall des § 1320 ABGB vorgenommen wird, hätte zur Konsequenz, dass es auf ein Verschulden überhaupt nicht mehr ankäme. Dies widerspricht jedoch der schon zitierten Rechtsprechung zur Subsidiarität einer Haftung nach § 1310 dritter Fall ABGB. Wenngleich daher das Vorhandensein von Versicherungen sowohl auf Seiten des Schädigers als auch des Geschädigten bei Berücksichtigung aller vorhandenen in die Billigkeitsbetrachtung einzubeziehenden Elemente nicht völlig unberücksichtigt bleiben kann, ist das Verschulden des Schädigers stärker zu gewichten. Zieht man dabei in Betracht, dass der im Tatzeitpunkt noch nicht 11-jährige Beklagte die Gefährlichkeit des Zündelns erkennen und dieser Einsicht gemäß handeln, nicht jedoch das Entstehen eines Großbrandes vorhersehen konnte (vgl Gutachten AS 115 oben), ist dem Erfordernis, dass das Verschulden Unmündiger milder zu betrachten ist, mit der Kürzung der auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzansprüche um ein Drittel angemessen Rechnung getragen (vgl EFSlg 46.087, OLG Wien).

Dem entspricht die Zuerkennung eines Betrages von S 438.488,46.

Daraus ergibt sich im Kostenpunkt: Im ersten Rechtsgang stehen begehrten S 982.130 ersiegte S 438.488,46 gegenüber; die Obsiegensquote der Klägerin beträgt daher nur 45 %. Gemäß § 43 Abs 1 erster Satz ZPO folgt daraus ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz von 10 % der in diesem Abschnitt entstandenen Vertretungskosten; gemäß Satz 3 des § 43 Abs 1 ZPO sind die entstandenen Barauslagen entsprechend den Obsiegensquoten zu ersetzen. Die Vertretungskosten (ohne Umsatzsteuer) auf Beklagtenseite betragen S 79.744,26, 10 % davon S 7.974,43. 45 % der der Klägerin entstandenen Gesamtbarauslagen (S 17.652,--) ergeben S 7.943,40. 55 % der dem Beklagten mit S 4.132,-- aufgelaufenen Barauslagen ergeben S 2.272,60, die Differenz ergibt einen Betrag von S 5.670,80 zu Gunsten des Klägers. Im zweiten Rechtsgang steht dem noch begehrten Betrag von S 657.732,70 ein solcher von S 438.488,46 gegenüber. Der Obsiegensquote der Klägerin von zwei Drittel entspricht ein Anspruch auf Ersatz eines Drittels der Vertretungskosten sowie zwei Drittel der Barauslagen. Die Vertretungskosten (einschließlich der im ersten Rechtsgang vorbehaltenen Kosten des Berufungsverfahrens) betragen (ohne Umsatzsteuer S 67.598,60, ein Drittel davon ergibt S 22.532,87. Dem Beklagten sind in diesem Abschnitt Barauslagen in Höhe von S 19.880,-- entstanden, ein Drittel davon ergibt S 6.626,66. Die Gegenüberstellung der Vertretungskostenanteile aus dem ersten und zweiten Rechtsgang ergibt S 14.558,44 zu Gunsten der Klägerin, dazu kommt USt in Höhe von S 2.911,68. Die Differenz der Barauslagenanteile schlägt sich zu Gunsten des Klägers mit S 955,86 nieder, daraus folgt ein Gesamtkostenanspruch des Klägers aus dem Verfahren erster Instanz in Höhe von S 18.425,99. Im Berufungsverfahren des zweiten Rechtsganges steht einer begehrten Klagesumme von S 522.496,90 ein noch berechtigter Betrag in Höhe von S 303.234,66 (= S 438,488,46 abzüglich vom Erstgericht zuerkannter S 135.235,80) gegenüber; dies entspricht einer Obsiegensquote der Klägerin von 58 %. Daraus folgt ein Anspruch auf Ersatz von 16 % der Vertretungskosten sowie 58 % der Barauslagen (§ 43 Abs 1 erster und dritter Satz iVm § 50 Abs 1 ZPO). Dies gilt auch für die Kosten des Revisionsverfahrens.

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