OGH 10ObS265/00v

OGH10ObS265/00v3.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Gründler und Dr. Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Naftali R*****, Pensionist, *****, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2000, GZ 9 Rs 233/99x-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. April 1999, GZ 17 Cgs 19/99d-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22. 4. 1902 geborene Kläger bezieht von der beklagten Partei auf Grund des rechtskräftigen Bescheides vom 22. 6. 1979 seit 1. 6. 1976 die Alterspension. Mit einem weiteren rechtskräftigen Bescheid der beklagten Partei vom 13. 7. 1979 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Ausgleichszulage zur Alterspension abgelehnt.

Am 16. 3. 1998 langte bei der beklagten Partei ein vom Kläger ausgefüllter Ausgleichszulagenerhebungsbogen ein. Die beklagte Partei wertete diese Eingabe des Klägers als Antrag auf Ausgleichszulage und sprach mit dem ebenfalls in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 27. 3. 1998 aus, dass dem Kläger ab 1. 2. 1998 eine Ausgleichszulage in Höhe von monatlich S 2.472,40 gebühre.

Am 24. 11. 1998 beantragte der Kläger, ihm die Ausgleichszulage auch für die Zeit vor dem 1. 2. 1998 zu gewähren. Die beklagte Partei sprach mit Bescheid vom 14. 12. 1998 aus, dass ihm für die Zeit vor dem 1. 2. 1998 keine Ausgleichszulage gebühre, weil er den neuerlichen Antrag auf Zuerkennung einer Ausgleichszulage erst am 16. 3. 1998 gestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem sinngemäßen Begehren auf Zahlung der Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß auch für die Zeit vom 1. 1. 1988 bis einschließlich 31. 1. 1998. Die beklagte Partei habe mit ihrem Bescheid vom 13. 7. 1979 die Gewährung einer Ausgleichszulage wegen des Bezuges einer deutschen Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz abgelehnt. Mit der 13. Novelle zum GSVG, BGBl 610/87, seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage nach § 149 Abs 4 GSVG insofern geändert worden, als ausländische Rentenleistungen, die aus Anlass des Kampfes oder des Einsatzes gegen den Nationalsozialismus gebühren, also auch die dem Kläger gebührende Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz, nicht mehr auf die Ausgleichszulage anzurechnen seien. Die beklagte Partei hätte diese Änderung von sich aus berücksichtigen müssen und die Ausgleichszulage von Amts wegen neu feststellen müssen. Er selbst sei erst im Jahr 1998 auf diesen Umstand aufmerksam geworden, weshalb er am 16. 3. 1998 einen entsprechenden Antrag gestellt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach § 153 Abs 2 GSVG gebühre die Ausgleichszulage bei erstmaliger Feststellung frühestens ab dem Beginn des vor der Antragstellung liegenden Kalendermonats. Die Ablehnung der Gewährung der Ausgleichszulage mit Bescheid vom 13. 7. 1979 sei auf Grund der damals geltenden Gesetzeslage zu Recht erfolgt. Eine amtswegige Berücksichtigung der durch die 13. Novelle zum GSVG geänderten Rechtslage sei nicht möglich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Ausgleichszulage sei gemäß § 153 Abs 2 GSVG erstmalig auf Grund des Pensionsantrages festzustellen. Werde die Ausgleichszulage erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen beantragt, so gebühre sie frühestens ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonats. Daraus ergebe sich, dass eine Ausgleichszulage, die erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen beantragt werde, erst ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonats, nicht aber bereits ab dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen anfalle. Eine amtswegige Feststellung, ob eine Ausgleichszulage gebühre, siehe das Gesetz nur im Falle der Feststellung auf Grund eines Pensionsantrages vor, in allen übrigen Fällen sei ein Antrag des Pensionsberechtigten auf Ausgleichszulage erforderlich. Ein Anspruch auf amtswegige Überprüfung nach § 153 Abs 3 GSVG setze voraus, dass eine Ausgleichszulage bereits zuerkannt worden sei. Diese Bestimmung sei jedoch nicht auf den "Neuanfall" von Ausgleichszulagen anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen ist zutreffend, weshalb gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verwiesen werden kann. Sie steht auch im Einklang mit der in SSV-NF 10/34 veröffentlichten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in einem inhaltlich gleichgelagerten Fall nach dem BSVG. Die vom Revisionswerber dagegen vorgebrachten Einwände bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Soweit der Revisionswerber meint, die Ausgleichszulage hätte bereits anlässlich der Überprüfung im Zusammenhang mit dem Pensionsantrag gewährt werden müssen, da es sich bei der nach dem Bundesentschädigungsgesetz gewährten deutschen Rente richtigerweise nicht um ein Einkommen im Sinn des Ausgleichszulagenrechtes handle, und die beklagte Partei sei im Sinn des § 69 GSVG zur rückwirkenden Herstellung des gesetzlichen Zustandes verpflichtet, ist ihm zu entgegnen, dass die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes nach § 69 GSVG (ebenso § 101 ASVG) oder auch für eine Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens nach § 69 AVG vorliegen, keine Leistungssache im Sinn des § 254 ASVG und daher auch keine Sozialrechtssache im Sinn des § 65 ASGG, sondern eine Verwaltungssache im Sinn des § 355 ASVG ist. Dieses Verfahren ist somit der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen. Im Fall der Nichtentscheidung des Versicherungsträgers ist auch die Erhebung einer Säumnisklage ausgeschlossen, sodass auf dieses Vorbringen nicht weiter eingegangen werden kann (SSV-NF 9/39; 10 ObS 103/95; 10 ObS 357/97s mwN ua; RIS-Justiz RS0084076; RS0084088 ua).

Der Leistungsanfall der Ausgleichszulage wird in § 153 Abs 2 zweiter und dritter Satz GSVG (ebenso § 296 Abs 2 ASVG und § 144 Abs 2 BSVG) geregelt. Danach gebührt die Ausgleichszulage grundsätzlich ab dem Tag, an dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind. Wird die Ausgleichszulage jedoch - wie im vorliegenden Fall - erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen beantragt, so gebührt sie frühestens ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonates. Diese Regelung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass für die Feststellung von Leistungsansprüchen in der Pensionsversicherung das Antragsprinzip gilt und eine Leistungsgewährung daher nur auf Grund eines Antrages zulässig ist. Lediglich die erstmalige Feststellung der Ausgleichszulage erfolgt von Amts wegen, weshalb ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der Ausgleichszulage neben dem Antrag auf Zuerkennung der Pension nicht erforderlich ist. Werden hingegen die Voraussetzungen für die Ausgleichszulage erst nach der Entscheidung auf Grund des Pensionsantrages oder nach einem Wegfall der Ausgleichszulage (wieder) erfüllt, dann ist ein Antrag auf Ausgleichszulage erforderlich (SSV-NF 10/34; Radner ua, BSVG3 § 144 FN 3 bis 5; Teschner/Widlar, MGA, ASVG 69 Erg-Lfg Anm 2 zu § 296 mwN).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann auch aus der Bestimmung des § 153 Abs 3 GSVG, die die Neufeststellung anordnet, wenn sich die für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebende Sach- und Rechtslage ändert, nicht die generelle Verpflichtung des Versicherungsträgers zur amtswegigen Feststellung der Ausgleichszulage im Fall einer Änderung der Sach- oder Rechtslage abgeleitet werden. Aus den Wortfolgen "Änderung der für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebenden Sach- und Rechtslage" und "neu festzustellen" ist vielmehr abzuleiten, dass sich die in Abs 3 angeordnete amtswegige Neufeststellung nur auf bereits zuerkannte (laufende) Ausgleichszulagen bezieht (SSV-NF 10/34). Diese amtswegige Feststellung ist dem Sozialversicherungsträger auch zumutbar, weil ihm der Kreis der Anspruchsberechtigten bereits bekannt ist. Hingegen würde die in der Revision vertretene Vorgangsweise, den im Pensionsantrag inkludierten Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulage - bei Nichterfüllung der dafür vorgesehenen Voraussetzungen - zunächst unerledigt zu lassen, wie die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, nicht nur im Widerspruch zu der in § 368 Abs 1 ASVG vorgesehenen Frist für die Bescheiderteilung stehen sondern auch zu einem dem Rechtsschutzinteresse des Pensionsberechtigten abträglichen Ergebnis führen.

Das Antragsprinzip ist ein wesentliches Merkmal des österreichischen Versicherungsrechtes. Eine Leistungsgewährung ist in der Pensionsversicherung nur auf Grund eines Antrages zulässig (SSV-NF 10/38 mwN). Der Anspruch auf eine konkrete Pensionsleistung wird daher erst durch den Antrag ausgelöst (Anfall der Leistung). Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird, kommt es gar nicht zum Anfall der Leistung. Auch das GSVG enthält - abgesehen von der bereits erwähnten Ausnahme, dass die Ausgleichszulage erstmalig auf Grund des Pensionsantrages festzustellen ist - keine Regelung, nach der ein Versicherungsträger verpflichtet wäre, (später) von Amts wegen zu prüfen, ob ein Pensionsberechtigter, der keine Ausgleichszulage bezieht, möglicherweise die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch erfüllt. Das GSVG enthält insbesondere auch keine § 506 Abs 2 ASVG vergleichbare Regelung, wonach die Leistung ohne Rücksicht auf den Tag der späteren Antragstellung mit dem Ablauf des Monats, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist und die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, anfällt. Die Bestimmung des § 153 Abs 2 dritter Satz GSVG sieht vielmehr im Gegensatz dazu ausdrücklich vor, dass die Ausgleichszulage, wenn sie erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird, frühestens ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonate gebührt. Das Gesetz kennt auch kein Institut, welches den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war (SSV-NF 4/21; RIS-Justiz RS0085841). Dies gilt auch für den Fall, dass die verspätete Antragstellung auf die Unkenntnis des Gesetzes zurückzuführen sein sollte (SSV-NF 5/81 mwN ua). Dass eine sozialrechtliche Leistung an die Voraussetzung einer Antragstellung auf Leistung durch den Anspruchsberechtigten geknüpft ist, erscheint auch verfassungsrechtlich in keiner Weise bedenklich.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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