OGH 4Ob247/00b

OGH4Ob247/00b3.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. pharm. Elfriede S*****, 2. Apotheke ***** Kommanditgesellschaft, beide *****, beide vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mag. pharm. Dr. Walter P*****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2000, GZ 15 R 201/99k-10, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. Juli 2000, GZ 38 Cg 45/99z-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit 23.512,50 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 3.918,75 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt, weil es eine Klarstellung für notwendig erachtet hat, ob die Rechtsprechung zur Bindung des Gerichts an rechtskräftige Verwaltungsbescheide ungeachtet der im Hinblick auf Art 6 MRK vermehrt geäußerten Kritik aufrecht erhalten wird, und weil es seine Entscheidung auf keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 10 Abs 2 Z 2, § 14 Abs 1 ApothekenG stützen konnte. Die Kläger setzen sich in ihrer Revision ausführlich mit beiden Fragen auseinander, übersehen jedoch, dass die Entscheidung von diesen Fragen nicht abhängt:

Rechtliche Beurteilung

Streitentscheidend ist die Frage, ob der Beklagte mit der Verlegung der Betriebsstätte seiner Apotheke innerhalb seines Standorts gesetzwidrig gehandelt hat, weil durch die Verlegung der für den Fall der Neuerrichtung einer Apotheke einzuhaltende Mindestabstand von 500 m zur nächstgelegenen Apotheke - das ist die Apotheke der Kläger - unterschritten wird. Dem Beklagten wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Amts der Wiener Landesregierung vom 22. 2. 1999 bewilligt, seine öffentliche Apotheke innerhalb seines Standorts, und zwar in das Haus Wien *****, zu verlegen. Der Bescheid gründet sich auf § 14 Abs 1 ApothekenG, wonach die Verlegung einer Apotheke innerhalb des festgesetzten Standorts der behördlichen Genehmigung bedarf.

Das Gesetz schreibt bei der Verlegung einer Apotheke innerhalb ihres Standorts, anders als bei der Verlegung einer Apotheke an einen anderen Standort (§ 14 Abs 2 ApothekenG), nicht vor, dass die Bewilligung nur erteilt werden darf, wenn die Voraussetzungen des § 10 ApothekenG zutreffen. § 10 ApothekenG macht die Erteilung der Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke (ua) davon abhängig, dass ein entsprechender Bedarf besteht; ein Bedarf besteht (ua) dann nicht, wenn die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt (§ 10 Abs 2 Z 2 ApothekenG).

Das Gesetz macht demnach die Verlegung der Betriebsstätte einer Apotheke innerhalb ihres Standorts (nur) von einer behördlichen Genehmigung abhängig. Über diese Genehmigung verfügt der Beklagte; das schließt es aus, die Verlegung der Betriebsstätte seiner Apotheke als gesetzwidrig zu beurteilen, so dass auch einer Beurteilung als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG die Grundlage entzogen ist.

Dabei stellt sich die Frage einer Bindung des Gerichts an den Bescheid der Verwaltungsbehörde nicht, weil es nicht darum geht, eine Rechtsfrage zu beurteilen, über die die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde vorliegt, sondern mit der Berücksichtigung der dem Beklagten erteilten Genehmigung nur der Tatbestandswirkung dieser Genehmigung Rechnung getragen wird: Der gerichtlichen Entscheidung ist ein durch den rechtskräftigen Bescheid der Verwaltungsbehörde geschaffener Tatbestand zugrundezulegen.

Das Gericht hat daher auch nicht §§ 10, 14 ApothekenG anzuwenden, sondern allein die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Beklagte über eine rechtskräftige Genehmigung verfügt. Die Entscheidung hängt demnach auch nicht davon ab, wie die betreffenden Bestimmungen des Apothekengesetzes auszulegen sind. Dem Beklagten könnte selbst dann nicht vorgeworfen werden, gesetzwidrig (= ohne behördliche Genehmigung) zu handeln, wenn die Behörde das Gesetz unrichtig angewandt hätte. Für die Beurteilung seines Verhaltens ist allein maßgebend, dass er über die für die Verlegung der Betriebsstätte seiner Apotheke allein notwendige Genehmigung verfügt und daher nicht gesetzwidrig handelt.

Die Revision war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen; seine Revisionsbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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