OGH 7Ob154/00y

OGH7Ob154/00y15.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rene Helly E*****, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Walter M*****, Angestellter,***** vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Erwin M*****, Beamter, ***** ***** vertreten durch Witt & Partner KEG Rechtsanwälte in Wien, wegen S 456.051,60 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse S 435.885,15 sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2000, GZ 12 R 44/00d-32, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Oktober 1999, GZ 21 Cg 236/97y-24, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der Klägerin an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte (teilweise bekämpft) folgenden Sachverhalt fest:

Im Jahr 1976 verkauften die Eltern der Beklagten ein 100 m2 großes Stück der hier maßgeblichen Liegenschaft um S 4.000 an ihre Nachbarn, ohne dass jedoch dieser Kaufvertrag, der auch keine Aufsandungserklärung enthielt, bücherlich durchgeführt worden wäre. In der Folge erbauten die Nachbarn auf diesem Teil einen Stadel. Als die Klägerin dann im Jahre 1996 vor dem Kauf die Liegenschaft besichtigte nahm sie auch an, dass die Grundstücksgrenze vor dem Stadel verlaufe, also dieser Teil nicht mehr zu dem zu verkaufenden Grundstück gehört. Weder für sie noch für ihre Eltern, die die Liegenschaft bewohnen sollten, war maßgebend, ob das genannte Grundstück 3.244 m2 oder mit dieser Teilfläche 3.344 m2 groß ist. Dass das Wasser des Brunnens auf der Liegenschaft mit Nitrat belastet und zum Trinken nicht geeignet ist, wurde ihr bereits vor dem Kauf mitgeteilt. Auch weist es eine erhöhte Anzahl an koloniebildender coliformer Bakterien auf und ist nur in desinfiziertem Zustand bedingt genusstauglich. Der Kaufvertrag wurde dann am 26.8.1996 errichtet und darin festgehalten, dass die Liegenschaft ein katastermäßiges Ausmaß von 3.344 m2 habe, jedoch die Verkäufer nicht für ein bestimmtes Flächenausmaß oder für bestimmte Eigenschaften oder Beschaffenheiten des Vertragsgegenstandes haften. Vom vereinbarten Kaufpreis von S 1,2 Mio sollten 100.000 S als Darlehen der Beklagten an die Käuferin fließen.

Die Klägerin begehrt von beiden Beklagten je zur Hälfte den Betrag von S 456.051,16 sA. Sie stützte dies darauf, dass ihr für die den Nachbarn abgetretene Fläche von 100 m2 ein Rückforderungsanspruch pro Quadratmeter von S 385,85, also insgesamt S 35.885 zustehe. Die Wertminderung auf Grund des Umstandes, dass der Genuss des Wassers aus dem Brunnen auf der Liegenschaft lebensgefährlich sei betrage bis zu 50 %, da die Klägerin nunmehr die Ortswasserleitung einleiten und das Haus entsprechend adaptieren sowie Wassergebühren zahlen müsse. Aus dem Titel der Wertminderung werde der Betrag von S 500.000 geltend gemacht. Die Beklagten hätten sie nicht auf die mangelnde Wasserqualität hingewiesen. Schließlich begehrte sie an - im Revisionsverfahren nicht mehr gegenständlichen - Räumungsspesen weitere S 14.560. Insgesamt ergäben sich sohin S 556.051,17, wovon das Darlehen der Klägerin an die Beklagte in Abzug zu bringen sei.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 21.4.1998 stützte die Klägerin ihren Rückforderungsanspruch darauf, dass sie über das Ausmaß der Grundstücksfläche in Irrtum geführt worden sei ebenso hinsichtlich der Lebensgefährlichkeit des Wassers (AS 13 und 19). In der darauf folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung modifizierte die Klägerin ihr Klagebegehren und gründete dieses auf laesio enormis und Gewährleistung. Schließlich brachte sie in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor, das modifizierte Klagebegehren nicht aufrecht zu erhalten, sondern das Klagebegehren wie in der Klage ON 1 und nicht die Aufhebung des Vertrages wegen laesio enormis zu begehren. Dies wurde als Klagsänderung mit Beschluss zugelassen. Letztlich brachte die Klägerin dann noch vor, dass der Qualitätsmangel des Wassers ein wesentlicher Mangel sei und sie ihr Klagebegehren auch darauf stützte, dass sie für die Zuleitung des Ortswassers zum Grundstück einen Betrag von mindestens S 300.000 aufgewendet werden müsse.

Die Beklagten bestritten und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandten im Wesentlichen ein, keine Haftung für das Ausmaß der Liegenschaft übernommen zu haben und dass die Klägerin auch auf die Räumung verzichtet habe. Von der mangelnden Trinkbarkeit des Wassers habe sie Kenntnis gehabt. Der frühere Verkauf einer Teilfläche von 100 m2 sei auch den Beklagten nicht bekannt gewesen und ändere ohnedies nichts am Eigentumserwerb der Klägerin.

Das Erstgericht folgerte rechtlich, dass die Klägerin ohnehin Eigentümerin des 100 m2 großen Grundstückes geworden sei und sich auch über das Ausmaß der Fläche bei der Besichtigung nicht im Irrtum befunden habe. Schließlich ergebe sich auch aus dem Vertrag, dass die Beklagten für ein bestimmtes Flächenausmaß nicht zu haften hätten. Auch die Belastung des Brunnenwassers sei der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen, sodass kein Mangel vorliege. Hinsichtlich der nicht von der Liegenschaft entfernten Gegenstände hätten die Beklagten davon ausgehen können, dass diese als mitverkauft gelten und keine Räumungsverpflichtung bestehe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Dabei behandelte es weder die erhobene Mängelrüge noch die Beweisrüge, sondern vertrat hinsichtlich der Teilfläche von 100 m2 die Ansicht, dass die Klägerin ohnehin die Liegenschaft im vollen Ausmaß erworben habe. Im Übrigen habe die Klägerin ihr Begehren mit Ausnahme des Ersatzes der Räumungskosten nur auf laesio enormis und Gewährleistung gestützt. Laesio enormis könne die Klägerin aber schon deshalb nicht geltend machen, da sie nicht die Vertragsaufhebung sondern die Vertragsanpassung begehre. Der Gewährleistung stehe der im Kaufvertrag vereinbarte Ausschluss solcher Ansprüche unter anderem hinsichtlich bestimmter Eigenschaften oder Beschaffenheiten des Vertragsgegenstandes entgegen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.

Die nur noch hinsichtlich der Anpassung eines Betrages von S 435.885,15 sA - also ohne die Räumungskosten - erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend stellt die Revision dar, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht davon auszugehen ist, dass die Klägerin ihr Begehren nur auf Gewährleistung und laesio enormis gestützt hat, vielmehr hat die Klägerin ausdrücklich erklärt, das Klagebegehren wie in der Klage ON 1 aufrecht zu erhalten (AS 117). Bereits in der Klage hat sie aber ihren Rückforderungsanspruch darauf gestützt, dass die Beklagten einen Hinweis auf die mangelnde Wasserqualität unterlassen hätten und hat dies darauf folgend noch dahin präzisiert, dass sie in einen wesentlichen Irrtum geführt worden sei (AS 13 und 19). In Wahrung der Rechtssicherheit ist dies aufzugreifen (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 4).

Die Veranlassung eines Irrtums im Sinne des § 871 ABGB kann auch durch Unterlassung einer gebotenen Aufklärung über derartige Umstände erfolgen (vgl etwa SZ 58/69, JBl 1994, 404; Apathy in Schwimann ABGB2 § 871 Rz 21, Rummel in Rummel ABGB2 § 871 Rz 14 f).

Nun besteht zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für seinen Kaufentschuss maßgeblich sein könnten, sondern nur insoweit als er dies nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs erwarten konnte (vgl SZ 52/22, SZ 55/51, WBl 1988, 341 uva; WBl 1994, 28 zum Verweis auf die Grundsätze des redlichen Verkehrs hinsichtlich der Aufklärungspflichten im Rahmen der Schutz- und Sorgfaltspflichten im vorvertraglichen Verhältnis). Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der Vertragspartner über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt (SZ 55/51, 5 Ob 568/88) oder zum Ausdruck bringt, dass für ihn bestimmte Punkte von besonderer Bedeutung sind (vgl 1 Ob 562/83).

Dies ist für die Frage, ob das Wasser von der Liegenschaft, das die einzige Wasserbezugsquelle darstellt, auch trinkbar ist, in Bezug auf die Benützbarkeit des Hauses aber zu bejahen, zumal dies von einem Laien nicht beurteilt werden kann. Nach den in diesem Punkt bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen wurde die Klägerin aber darüber aufgeklärt. Das Berufungsgericht hat aber die Behandlung der Beweisrüge, mit denen die Klägerin diese Feststellungen bekämpfte, mit der unzutreffenden Begründung unterlassen, dass sich die Klägerin nur auf Gewährleistung und laesio enormis gestützt hätte. Insoweit ist aber eine Aufhebung der Entscheidung und Rückverweisung zur Behandlung der Beweisrüge unvermeidlich.

Festgehalten werden kann im Übrigen zu den in der Berufung geltend gemachten Verfahrensmängeln wegen der Unterlassung der Beiziehung von Sachverständigen, dass die Qualität des Wassers ohnehin festgestellt wurde. Die Grundfläche, für die die Klägerin die weiteren Ansprüche geltend macht, befindet sich ohnenhin in ihrem Eigentum, sodass ein Sachverständiger zur Ermittlung der Wertminderung ebenfalls nicht erforderlich ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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