OGH 4Ob207/00w

OGH4Ob207/00w13.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ä*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Gisela H*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und Mag. Werner Diebald, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 1,325.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 28. Juni 2000, GZ 6 R 107/00b-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zu Art 47 Abs 3 (ex Artikel 57 Abs 3) EG in der Rechtsache Bouchoucha (Rs C-61/89 , Urteil vom 3. Oktober 1990, Slg 1990 Seite I-3551), in deren Ausgangsverfahren es um die Bestrafung wegen unbefugter Ausübung der ärztlichen Tätigkeit (Osteopathie) durch einen in England ausgebildeten Heilpraktiker ging, in Beantwortung der Vorlagefrage folgendes entschieden: "Solange es in bezug auf die Tätigkeiten, deren Ausübung ausschliesslich Ärzten vorbehalten ist, an einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene fehlt, steht Artikel 52 EWG-Vertrag dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat eine arztähnliche Tätigkeit, wie etwa die Osteopathie, den Inhabern eines Diploms eines Doktors der Medizin vorbehält."

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin ist in dieser Rechtslage auch nach Erlassung der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG ("Zweite Anerkennungsrichtlinie"; ABl Nr L 209 v. 24. 7. 1992, 25) keine Änderung eingetreten. Die genannte Richtlinie koordiniert nämlich nicht die Bedingungen für die Ausübung arztähnlicher Berufe, sondern regelt lediglich die gegenseitige Anerkennung von Ausbildungen für "reglementierte Berufe" (sofern diese nicht Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind) unterhalb des Niveaus der schon von der ersten Anerkennungsrichtlinie 89/48/EWG vom 21. Dezember 1988 erfassten Hochschulausbildung (vgl nur die Erwägungsgründe 3 ff). Art 47 EG unterscheidet aber gerade zwischen Richtlinien über die gegenseitige Anerkennung von Ausbildungen in Abs 1 und Richtlinien zur "Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten" in Abs 2. Eine auf Art 47 Abs 2 EG gestützte Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend arztähnliche Berufe gibt es aber derzeit noch nicht, sodass iS des erwähnten Urteils des EuGH bis zur Erlassung einer Harmonisierungsrichtlinie iS des Art 47 Abs 2 EG weiterhin davon auszugehen ist, dass Österreich gemeinschaftsrechtlich zulässigerweise Tätigkeiten, wie sie in Deutschland zugelassene Heilpraktiker verrichten, den Ärzten vorbehält (so schon VfGH 15. 3. 2000, B 2767/97). Im Hinblick auf diese Rechtslage haben die Vorinstanzen zutreffend von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gem Art 234 EG beim EuGH Abstand genommen, ist doch auf Grund einer einheitlichen Rechtsprechung des EuGH die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (ÖBl 1996, 28 - Teure 185 S mwN).

Da ihre Rechtsauffassung im Gegensatz zur Rechtsprechung des EuGH steht, ist das Rekursgericht zu Recht von einer der Beklagten subjektiv vorwerfbaren Missachtung der Vorschriften des ÄrzteG ausgegangen. Ob in der konkreten Fallkonstellation der Klägerin durch die Tätigkeit der Beklagten unwiederbringlicher Schaden drohe, bedurfte im Hinblick auf die Bestimmung des § 24 UWG keiner näheren Prüfung. Dass das Erstgericht über die Bemängelung der Bewertung des Streitgegenstands durch die Beklagte (§ 7 RATG) bisher nicht entschieden hat, macht das Verfahren nicht mangelhaft.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

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