OGH 4Ob213/00b

OGH4Ob213/00b13.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 12. Juli 2000, GZ 3 R 52/00i-16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspreche. Aus den zur Abgrenzungsverordnung, BGBl 1995/68, ergangenen Entscheidungen (4 Ob 340/86 uva) ergebe sich, dass die in Anhang 1 der Verordnung angeführten Stoffe als Arzneimittel zu werten seien, wenn dies auch in keiner Entscheidung ausdrücklich ausgesprochen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger zitierte Entscheidung 4 Ob 340/86 ist zu den Abgrenzungsverordnungen RGBl 1883/152, RGBl 1886/97 und RGBl 1895/188 ergangen (ÖBl 1987, 71 - Kräutertee II). Die Abgrenzungsverordnungen standen bis zum Inkrafttreten der aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 59 Abs 3 AMG erlassenen Abgrenzungsverordnung BGBl 1995/68 in Geltung, die nunmehr festlegt, welche Arzneimittel selbst bei einer nach den Erfahrungen des täglichen Lebens vorhersehbaren nicht bestimmungsgemäßen Verwendung keine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Mensch oder Tier besorgen lassen und daher durch Drogisten oder durch Gewerbetreibende, die gemäß Gewerbeordnung 1994 zur Herstellung von Arzneimitteln berechtigt sind, abgegeben werden dürfen.

Nach § 1 der Abgrenzungsverordnung BGBl 1995/68 dürfen die in Anlage 1 genannten Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, sofern diese gemäß § 1 Abs 1 des Arzneimittelgesetzes als Arzneimittel einzustufen sind, nur in Apotheken und von den zuvor genannten Gewerbetreibenden abgeben werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass sich "diese" auf die "in Anlage 1 genannten Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen" beziehe. Die Wendung, "sofern diese ... als Arzneimittel einzustufen sind" bedeute, dass ein Produkt, welches einen in der Anlage 1 zur Abgrenzungsverordnung genannten Stoff enthält, nur dann unter § 1 der Abgrenzungsverordnung fällt, wenn die Arzneimitteleigenschaft dieses Produkts (ausschließlich) auf diesen Stoff zurückzuführen ist (Erkenntnis vom 15. 11. 1999, Zl. 99/10/0127). In dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall enthielt das Produkt zwar Ascorbinsäure, seine Arzneimitteleigenschaft war jedoch auf einen anderen, in der Anlage 1 der Abgrenzungsverordnung nicht genannten Stoff zurückzuführen. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit der Abgrenzungsverordnung verneint.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt das Vorhandensein eines in der Anlage 1 der Abgrenzungsverordnung genannten Stoffes demnach nicht in jedem Fall dazu, dass ein Arzneimittel anzunehmen ist. Damit steht im Einklang, dass der Verwaltungsgerichtshof Vitaminpräparate nur dann als Arzneimittel einstuft, wenn nach der Einnahmeempfehlung eine den Tagesbedarf bei weitem übersteigende Menge einzunehmen ist und damit eine therapeutische Wirkung erzielt wird (Erkenntnis vom 28. 4. 1997, Zl. 95/10/0131).

Die Auffassung der Beklagten, das von ihr angebotene "Vitamin C Pulver" sei kein Arzneimittel und könne daher auch in Selbstbedienung abgegeben werden, kann sich demnach auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen. Das schließt es aus, ihr sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG vorzuwerfen. Bei unterschiedlicher Auslegung der verletzten Rechtsvorschrift ist nämlich maßgebend, ob die Auffassung des Beklagten über die Bedeutung dieser Bestimmung durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann (stRsp SZ 56/2 = EvBl 1983/49 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I uva).

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