OGH 14Os90/00 (14Os99/00)

OGH14Os90/00 (14Os99/00)12.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gülten K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz, erster Fall und zweiter Satz SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Murat T***** und Mario Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Mai 2000, GZ 23 Vr 82/00-83, sowie über die Beschwerden gemäß § 494a Abs 4 StPO der Angeklagten Murat T***** und Mario Z***** nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten Murat T***** und Mario Z***** fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche anderer Angeklagter enthaltenden Urteil wurden Murat T***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz erster Fall und zweiter Satz SMG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (A II) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG (B II 1), nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG (B II 2) sowie nach § 27 Abs 2 Z 2 erster Halbsatz erster Fall und zweiter Halbsatz SMG (B II 3), Mario Z***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz erster Fall SMG als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB (A II) sowie des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG (A IV) schuldig erkannt.

Darnach haben ..... A II Murat T***** und Mario Z***** im Jänner 2000 in den Niederlanden und in Tirol zur Ausfuhr von ca 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten mit zumindest achtzig Gramm MDMA bezogen auf die Reinsubstanz von den Niederlanden und deren über Deutschland nach Österreich erfolgten Einfuhr durch Gülten K***** (A I) beigetragen, indem Murat T***** sie in Innsbruck zu dieser Schmuggelfahrt überredete, sie nach Amsterdam begleitete und Murat T***** und Mario Z***** in Amsterdam die 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten bei einem unbekannten Drogendealer erwarben, wobei sowohl Murat T***** als auch Mario Z***** einen Teil des Kaufpreises beisteuerten, in der Folge beide bei Gülten K***** die 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten zum Schmuggel nach Österreich übergaben, wobei sie die Tat gewerbsmäßig begingen und Murat T***** selbst an ein Suchtmittel gewöhnt war und die Tat vorwiegend deshalb beging, um sich für den eigenen Gebrauch ein Suchtmittel oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen;

A IV) Mario Z***** im Jänner 2000 in Tirol von den von Gülten K***** nach Österreich geschmuggelten Ecstasy-Tabletten (A I) ca 700 Stück mit zumindest 56 Gramm MDMA bezogen auf die Reinsubstanz mit dem Vorsatz besessen, dass das Suchtgift in Verkehr gesetzt wird;

B .... II) Murat T***** von Herbst 1998 bis 10. Jänner 2000 im Raum Innsbruck den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen, anderen überlassen bzw verschafft und zwar

1. durch Erwerb von ziffernmäßig nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten, Kokain und Ecstasy-Tabletten bei Unbekannten und deren Besitz,

2. durch Verkauf einer nicht mehr feststellbaren Menge an Kokain an die am 30. Mai 1982 geborene mj. Gülten K*****, wobei er einer Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglichte, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährige war,

3. durch gewerbsmäßigen Verkauf ziffernmäßig nicht mehr feststellbarer Mengen von Ecstasy-Tabletten an Andreas H***** und andere unbekannte Drogenkonsumenten, wobei er selbst an ein Suchtmittel gewöhnt war und die Taten vorwiegend deshalb beging, um sich für den eigenen Gebrauch ein Suchtmittel oder Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen.

Die dagegen von Murat T***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 8 und 10 StPO und Mario Z***** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Murat T*****:

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider konnten die Tatrichter ihre Feststellungen hinsichtlich des Schuldspruchs nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG (B II 2; US 12 f) logisch und empirisch einwandfrei auf die dezidierte Aussage der Mitangeklagten Gülten K***** vor dem Landesgendarmeriekommando für Tirol, T***** habe mit Sicherheit gewusst, wie alt sie sei (S 43/I), stützen, wobei angesichts des Umstandes, dass deren Angaben wesentlich mehr Glaubwürdigkeit als der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers beigemessen wurde (US 19), eine nähere Auseinandersetzung mit jener, insbesondere der Passage "sie habe auf ihn wie eine 20jährige gewirkt", entbehrlich war (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens an Hand der Akten ergeben sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a). Der Angeklagte versucht hier in der Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, welche sich mit den Widersprüchen in den Angaben der Gülten K***** eingehend auseinandergesetzt hat (US 19 f).

Insoweit der Beschwerdeführer in der tatrichterlichen Qualifikation des Tatverhaltens zu B II 2 nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG eine Überschreitung der lediglich den Grundtatbestand nach § 27 Abs 1 SMG inkriminierenden Anklage erblickt (Z 8) genügt ihm zu entgegnen, dass der in der Anklageschrift angelastete historische Sachverhalt dem Tatsachensubstrat des Schuldspruchs - wie vorliegend - entsprechen muss, das Gericht aber an die rechtliche Bezeichnung der Tat durch die Anklagebehörde nicht gebunden ist (§ 262 letzter Satz StPO).

Die neuerlich die Qualifikation nach § 27 Abs 2 Z 1 SMG bekämpfende Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt eine prozessordnungsgemäße Darstellung, weil sie sich nicht am zitierten Urteilssachverhalt über das Wissen des Beschwerdeführers um das Alter der Gülten K***** (US 12 f) orientiert.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mario Z*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider haben die Tatrichter mit Recht den Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens betreffend Gülten K***** zum Beweis dafür, dass sie auf Grund ihrer Suchtgiftabhängigkeit keinen Realitätsbezug habe und somit ihrer Aussage keinerlei Glaubwürdigkeit zukomme (S 309/II), wenngleich mit lapidarer Begründung (Unerheblichkeit bzw geklärte Sachlage; S 311/II) abgewiesen, kommt doch die Prüfung der Glaubwürdigkeit einer vernommenen Person dem erkennenden Gericht zu, welches sich überdies mit der problematischen Persönlichkeit der genannten Mitangeklagten ausführlich auseinandergesetzt hat (US 19 f). Anhaltspunkte für eine relevante Beeinträchtigung der Gülten K***** haben die Tatrichter ersichtlich nicht gefunden; auch der Beweisantrag verabsäumt es, konkret objektive Momente darzulegen, die die Aussagefähigkeit der Genannten in Frage stellen könnten.

Dass es im tatgegenständlichen Milieu aus welchen Gründen immer (vgl hier beeinflussender Kassiber Murat T*****s; US 20) häufig zu Änderungen von Verantwortungen in Richtung weitgehender Abschwächung ursprünglich belastender Angaben kommt, ist notorisch und somit allein noch kein Grund, die Aussagefähigkeit in Zweifel zu setzen.

Die bemängelte (Z 5), im Übrigen schon allein durch die aktenkundigen, ihn mit einer Cannabisplatte im Mund zeigenden Fotos (S 115 f in ON 26) verifizierte Urteilsannahme, dass Mario Z***** über entsprechende Erfahrung im Umgang mit Suchtgiften aller Art verfügte (US 17), hat bloß illustrativen, nicht aber entscheidungsrelevanten Charakter.

Hinsichtlich der die Glaubwürdigkeit der Mitangeklagten Gülten K***** in Zweifel setzenden Tatsachenrüge (Z 5a) gilt das hinsichtlich Murat T***** Ausgeführte.

Indem der Beschwerdeführer unter Abhebung auf den anklagedifformen Schuldspruch (bloß) wegen des Besitzes von ca 700 Stück Ecstasy-Tabletten zwecks deren Inverkehrsetzung Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit vermisst (Z 10), übergeht er prozessordnungswidrig, dass die Tatrichter hinsichtlich des ihm auch zur Last liegenden Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz, erster Fall SMG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A II) in Bezug auf die Einfuhr von ca 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten unmissverständlich eine gewerbsmäßige Absicht des Beschwerdeführers annahmen (US 18).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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