OGH 10ObS215/00s

OGH10ObS215/00s5.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Lang (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Michael F*****, Polizeibeamter, ***** vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2000, GZ 8 Rs 361/99p-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. September 1999, GZ 7 Cgs 67/99b-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb grundsätzlich auf die Richtigkeit dieser Ausführungen verwiesen werden kann. Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber vermengt in seinen zur Frage der Kausalität getätigten Ausführungen die Tat- mit der Rechtsfrage. Es muss hiebei nämlich zwischen der sogenannten natürlichen und der juristischen Kausalität unterschieden werden. Ursächlich im Sinn der natürlichen Kausalität ist für ein bestimmtes Ereignis jede Bedingung, das heißt jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Geschehensablauf ein anderer gewesen wäre. Ob dieser natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist, ist eine Tatfrage. Nur wenn der natürliche Kausalzusammenhang durch die Tatsacheninstanzen bejaht wurde, kann die Frage des juristischen Kausalzusammenhanges als auch durch den Obersten Gerichtshof überprüfbare Rechtsfrage aktuell werden, wenn das anzuwendende Gesetz selbst ausdrückliche Kausalitätsregeln enthält oder solche voraussetzt (vgl SZ 51/66 = JBl 1979, 148; JBl 1972, 569 mwN uva; RIS-Justiz RS0022582; RS0022687). Auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts kommt eine Haftung des Unfallversicherungsträgers nur dann in Betracht, wenn sich im Sinne der Äquivalenztheorie der eingetretene Personenschaden als eine Folge einer aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung herrührenden Ursache darstellt (vgl Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 302 f).

Die Beantwortung der Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen eines Unfalls sind, also die Feststellung der sogenannten natürlichen Kausalität, und der weiteren Frage, inwieweit die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aus medizinischer Sicht gemindert ist, gehört nach ständiger Rechtsprechung zum Tatachenbereich und ist damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (SSV-NF 8/86; 3/19; jüngst 10 ObS 109/99b mwN uva). Auszugehen ist von den vom Berufungsgericht als richtig und unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, wonach der Kläger durch den gegenständlichen Dienstunfall vom 20. 1. 1998 neben einer Knorpelverletzung der Nasenscheidewand Einrisse bereits teilresezierter Menisci eines beträchtlich vorgeschädigten rechten Kniegelenkes erlitten hat. Die Verletzung führte lediglich zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines seit vielen Jahren beim Kläger bestehenden schweren Aufbrauchsleidens des rechten Kniegelenkes. Das gegenständliche traumatische Ereignis war allein nicht geeignet, diese Verletzung bei einem degenerativ nicht veränderten Meniskus herbeizuführen. Die über die Meniskusresektion vom 5. 2. 1998 hinausgehenden operativen Maßnahmen galten der Behandlung der beim Kläger bestehenden degenerativen Kniegelenksveränderungen und standen daher mit dem gegenständlichen Trauma in keinem ursächlichen Zusammenhang. Auch die neuerliche Knieoperation am 1. 12. 1998 erfolgte ausschließlich wegen der bestehenden degenerativen Veränderungen. Die derzeit beim Kläger noch bestehende deutliche Bewegungseinschränkung mit Schwellung und eingeschränkter Gangleistung ist ebenfalls auf die bereits vorbestehenden beträchtlichen Degenerationsprozesse des Kniegelenkes zurückzuführen und keinesfalls mehr unfallskausal. Die unfallskausale Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt weniger als 10 vH.

Wird - wie im vorliegenden Fall - ein bestehendes Leiden durch beruflich bedingte Schädigungen verschlimmert, so ist von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht die Gesamteinwirkung auf die Erwerbsfähigkeit, sondern nur die durch die Verschlimmerung verursachte Steigerung des Grades der Erwerbsunfähigkeit, also der Verschlimmerungsanteil an dem Gesamtzustand zu entschädigen. Es wird dazu das Gesamtleiden rechtlich in den beruflich bedingten und den davon unabhängigen, auf die Anlage bzw Vorschädigung zurückzuführenden Teil zerlegt. Der verschlimmerungsbedingte Anteil wird abgegrenzt und - unter Berücksichtigung des Vorschadens - allein entschädigt, da nur dieser der schädigenden Einwirkung zuzurechnen ist (SSV-NF 8/66 mwN ua).

Die im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen vom Erstgericht wiedergegebene Einschätzung der durch den Unfall bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen mit weniger als 10 vH ist ein zum Tatsachenbereich gehöriger Akt der irrevisiblen Beweiswürdigung und damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (SSV-NF 9/77; 6/130 uva). Dieser Umstand führt aber auch zu dem Ergebnis, dass die Rechtsausführungen des Revisionswerbers zur Frage des juristischen Kausalzusammenhanges (Theorie der wesentlichen Bedingung, Unteilbarkeit des Schadens in der gesetzlichen Unfallversicherung) nicht vom festgestellten Sachverhalt, sondern von einer - feststellungsfremden - Bejahung der natürlichen Kausalität der bei ihm bestehenden körperlichen Beschwerden ausgehen und daher keinen Erfolg haben können.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates bildet die medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (SSV-NF 1/64 uva). Ein Abweichen von dieser medizinischen Minderung der Erwerbsfähigkeit käme nur bei Vorliegen eines Härtefalles in Frage. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt ein solcher Härtefall, der ein Abgehen von der medizinischen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen würde, nicht vor (SSV-NF 7/52; 6/44 uva; RIS-Justiz RS0086442). Die Unfähigkeit, den bisherigen Beruf auszuüben, stellt keinen in der Unfallversicherung zu berücksichtigenden Härtefall dar. Nur wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, etwa eine spezialisierte Berufsausbildung, die eine anderweitige Verwendung, bezogen auf das gesamte Erwerbsleben praktisch gar nicht zulässt oder in weit größerem Umfang einschränkt als in durchschnittlichen Fällen mit vergleichbaren Unfallfolgen, könnte von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden (SSV-NF 9/93; 9/26; 3/128 ua; RIS-Justiz RS0086439). Da diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens vor, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten. Gerichtsgebühren sind in Sozialrechtssachen nicht beizubringen (§ 80 ASGG).

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