OGH 1Ob120/00d

OGH1Ob120/00d29.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiebolag, ***** Schweden, vertreten durch Dr. Konrad Ferner und Dr. Walter Wienerroither, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer und Dr. Peter Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Bewirkung einer Anmeldung (Streitwert S 235.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 16. März 2000, GZ 1 R 40/00h-37, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12. Jänner 2000, GZ 6 Cg 274/97s-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozesskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei wurde in Schweden als Aktiengesellschaft nach schwedischem Recht gegründet und registriert. Am 18. 2. 1993 wurde über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet. Nach Aufhebung des Konkursverfahrens wurde die klagende Partei im schwedischen "Firmenbuch" gelöscht.

Das Stammkapital der beklagten Partei wird zur Gänze von einer (anderen) schwedischen Aktiengesellschaft gehalten. Bis 29. 3. 1994 war die klagende Partei als Gesellschafterin dieser Gesellschaft im Firmenbuch des Erstgerichts eingetragen, und ihr Geschäftsanteil entsprach einer voll einbezahlten Stammeinlage von S 235.000. Die klagende Partei "besitzt" des Weiteren Anteile an einer in Österreich gelegenen Liegenschaft.

Die klagende Partei brachte vor, der für sie im Konkursverfahren bestellte (schwedische) Masseverwalter habe die der klagenden Partei gehörigen Geschäftsanteile an der beklagten Partei an eine Aktiengesellschaft nach schwedischem Recht abgetreten, obwohl er hiezu nicht berechtigt gewesen sei. Die Eintragung des Übergangs der Geschäftsanteile an eine schwedische Aktiengesellschaft im Firmenbuch sei unrechtmäßig erfolgt und die beklagte Partei sei daher verpflichtet, zu bewirken, dass diese Eintragung rückgängig gemacht und berichtigt werde. Daher begehrte die klagende Partei, die beklagte Partei zu verpflichten, im Firmenbuch die Anmeldung zu bewirken, dass die klagende Partei wieder als Gesellschafterin eingetragen werde; hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass die klagende Partei Gesellschafterin der beklagten Partei sei.

Die beklagte Partei wendete ein, dass der für das Vermögen der klagenden Partei bestellte Masseverwalter zur vertraglichen Abtretung der Geschäftsanteile berechtigt gewesen sei. Im Übrigen sei die klagende Partei nicht partei- und prozessfähig.

Das Erstgericht verwarf im zweiten Rechtsgang die von der beklagten Partei erhobene Einrede der mangelnden Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei und wies den Antrag der beklagten Partei auf Einholung einer Auskunft des Justizministeriums in Stockholm zur Frage der Parteifähigkeit der klagenden Partei ab. Diese sei nach schwedischem Recht zu beurteilen. Nach diesem sei eine Gesellschaft dann aufgelöst, wenn die Liquidatoren die Schlussrechnung vorlegen. Tauchten nachträglich Aktiven auf oder erwiesen sich sonstige Liquidationsmaßnahmen als erforderlich, so müsse die Liquidation fortgesetzt werden. Die Registrierung der Auflösung einer Aktiengesellschaft habe keine "konstitutionelle" Bedeutung. Die Liquidation sei auch dann fortzusetzen, wenn die Aktiengesellschaft aus dem Firmenregister gestrichen worden sei. Die Parteifähigkeit der beklagten (richtig: klagenden) Partei sei daher zu bejahen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es das bisherige Verfahren als nichtig aufhob und die Klage zurückwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands S 260.000 übersteige und dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es sei nach den beiden eingeholten Rechtsgutachten als gesichert anzusehen, dass eine in Österreich gelegene Liegenschaft als Eigentum der klagenden Partei Bestandteil der Konkursmasse gewesen sei. Ob einer abgewickelten Aktiengesellschaft nach schwedischem Recht Rechts- und Parteifähigkeit zukomme, könne dahingestellt bleiben. Das Klagebegehren sei nämlich darauf gerichtet, die beklagte Partei zu verpflichten, die Eintragung der klagenden Partei als Gesellschafterin der beklagten Partei im Firmenbuch zu erwirken bzw festzustellen, dass die klagende Partei Gesellschafterin der beklagten Partei sei. Dies ziele darauf ab, "die grundsätzlich wirtschaftlich wie rechtlich erloschene klagende Partei über ein in Österreich nachträglich hervorgekommenes Vermögen wiederum 'aufleben zu lassen'", was aber der schwedischen Rechtsordnung widerspreche: Nach dieser sei lediglich die Liquidation fortzusetzen. Nur insofern könne der klagenden Partei partielle Partei- und Prozessfähigkeit zukommen. In Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche sei die klagende Partei weder partei- noch prozessfähig.

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach österreichischem (Prozess-)Recht ist die Parteifähigkeit eines Rechtsgebildes absolute Prozessvoraussetzung vom Beginn des Rechtsstreits an bis zu dessen Ende. Der Verlust der Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu beachten und führt jedenfalls zur Nichtigkeit des Verfahrens ab dem Eintritt der Parteiunfähigkeit. Die Löschung einer Aktiengesellschaft im Firmenbuch wirkt nur deklarativ und beeinträchtigt deren Partei- und Prozessfähigkeit so lange nicht, als verwertbares Gesellschaftsvermögen noch unverteilt vorhanden ist (4 Ob 308/99v; SZ 71/50). Ob die schwedische, im schwedischen Register gelöschte klagende Partei nach schwedischem Recht (§ 12 IPRG) partei- und prozessfähig ist, lässt sich, zumal sie behauptet, nach wie vor Geschäftsanteile an der beklagten Partei und Vermögen in Österreich zu besitzen, nach dem derzeitigen Verfahrensstand noch nicht verlässlich beurteilen:

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, es müsse nicht geprüft werden, ob die schwedische Aktiengesellschaft nach deren Löschung im Register entgegen der Grundregel rechts- und parteifähig sei, weil sie in Verfolgung der geltend gemachten Ansprüche weder partei- noch prozessfähig sei. Diese Ausführungen sind in sich insoweit widersprüchlich, als das Gericht zweiter Instanz einerseits die Frage der Rechts- und Parteifähigkeit dahingestellt lässt, andererseits aber der klagenden Partei - in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche - die Partei- und Prozessfähigkeit abspricht. Das (Haupt-)Klagebegehren kann auch nicht von vornherein als verfehlt angesehen werden, gilt doch gemäß § 78 Abs 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft nur Derjenige als Gesellschafter, der im Firmenbuch als solcher aufscheint, und die Gesellschaft ist selbst verpflichtet, die Gesellschafter ins Firmenbuch eintragen zu lassen (§ 9 Abs 2 Z 2 GmbHG).

Die beklagte Partei legte ein Gutachten des schwedischen Justizministeriums vor, in dem dargelegt wird, dass die Fragen der Parteifähigkeit nur zu einem gewissen Teil Gegenstand einer Gesetzesregelung in Schweden seien und die Rechtslage als unsicher betrachtet werde. Die Aktiengesellschaft werde im Konkurs von einem Konkursverwalter vertreten, dessen Aufgabe die Veräußerung des in der Konkursmasse enthaltenen Eigentums und die Verteilung der Einnahmen aus dieser Veräußerung unter den Gläubigern sei. Das in der Konkursmasse enthaltene Eigentum bestehe aus dem gesamten, dem Konkursschuldner zum Zeitpunkt des Konkursbeschlusses gehörenden und auch aus dem ihm während des Konkurses zufallenden Eigentum, wobei es keine Rolle spiele, wo sich das betreffende Eigentum befinde; auch in einem anderen Staat befindliches Eigentum werde als Bestandteil der Konkursmasse betrachtet. Aus Entscheidungen des schwedischen Obersten Gerichtshofs lasse sich herauslesen, dass eine abgewickelte Aktiengesellschaft keine Rechtsfähigkeit besitze. Ausnahmen von dieser Hauptregel seien jedoch "in gewissen Situationen" möglich.

Die Anfrage des Erstgerichts, ob die Löschung aus dem Firmenregister nach schwedischem Recht nur deklaratorische Bedeutung habe, ob also kein "völliger Abschluss" (der Gesellschaft) eintrete, solange Vermögen existiere, beantwortete das schwedische Justizministerium dahin, dass die Liquidation einer Aktiengesellschaft fortgesetzt werde, falls Aktivposten nach Auflösung der Gesellschaft auftauchten oder sonst Liquidationsmaßnahmen notwendig würden. Die Registrierung habe keine Bedeutung für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft. Die Bestimmungen über die Fortsetzung der Liquidation seien auch dann gültig, wenn die Aktiengesellschaft aus dem Firmenregister gestrichen sei.

Im vorliegenden Fall erhebt die klagende Partei den Vorwurf, der Masseverwalter im Konkurs über ihr Vermögen in Schweden habe einen Abtretungsvertrag (über Geschäftsanteile an der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei) geschlossen, obwohl er hiezu nicht berechtigt gewesen sei. Für den Fall der Richtigkeit dieser Behauptung wäre - da die klagende Partei nach wie vor "Eigentum" in Form von Gesellschaftsanteilen besäße - eine sonstige Liquidationsmaßnahme nötig, also die Liquidation fortzusetzen. Dann könnte aber die Rechtsfähigkeit der klagenden Partei, die nicht von der (aufrechten) Registrierung abhängt, grundsätzlich nicht zweifelhaft sein. Fraglich könnte es nur sein, ob sie selbst oder der Konkursverwalter im Rahmen der fortgesetzten Liquidation auftreten müsste. Nach dem Gutachten des schwedischen Justizministeriums vom 9. 11. 1998 sind "die früheren Stellvertreter als vorschriftsmäßige Stellvertreter der Gesellschaft zu erachten", was die Parteifähigkeit der klagenden Partei bedeutete. Diese Frage bedarf aber noch einer Klärung, weil dazu im Gutachten vom 21. 9. 1999 keine Ausführungen enthalten sind. Es ist daher unvermeidlich, das schwedische Justizministerium abermals um Beantwortung mehrerer Fragen zu ersuchen, um die Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei im hier zu beurteilenden Fall zu klären. Insbesondere wird das schwedische Justizministerium um konkrete Stellungnahme zur Frage ersucht werden müssen, ob sich die Wirkungen eines schwedischen Konkurses tatsächlich auch auf im Ausland gelegenes unbewegliches Vermögen der Gemeinschuldnerin erstrecken, was etwa nach österreichischem Recht zu verneinen wäre (vgl EvBl 2000/100; ZfRV 1996, 193; ÖBA 1994, 165; PBl 1990, 193; JBl 1988, 653).

Zu beachten ist schließlich auch, dass die in Schweden erfolgte Konkurseröffnung keine (konkurstypische) Wirkung in Österreich entfaltete, weil kein Staatsvertrag zwischen Österreich und Schweden über die gegenseitige Anerkennung der Konkurseröffnung, also kein Insolvenzrechtsvertrag besteht. Mangels einer staatsvertraglichen Regelung treten bei Eröffnung eines Konkurses im Ausland die Wirkungen der §§ 1, 3, 6 und 7 KO in Österreich nicht ein. Der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses bleibt über sein in Österreich befindliches Vermögen verfügungsbefugt. Dem im Ausland bestellten Masseverwalter fehlt für dieses Vermögen die Vertretungsmacht, sodass er in Österreich seine Funktionen nicht wahrnehmen kann. Rechtshandlungen des ausländischen Gemeinschuldners über sein in Österreich befindliches Vermögen bleiben gegenüber den Konkursgläubigern wirksam. Dem ausländischen Masseverwalter kommt keine Prozessführungsbefugnis in Bezug auf das in Österreich gelegene Vermögen zu. Der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses kann in Österreich seine Rechte gerichtlich und außergerichtlich geltend machen (ZfRV 1996, 193; PBl 1990, 193; ÖBA 1994, 165; Leitner, Der grenzüberschreitende Konkurs 221 f; Keppelmüller, Österreichisches internationales Konkursrecht Rz 441 f; SZ 53/44; vgl EvBl 1984/125).

Es erscheint daher geboten, mit folgenden Fragen an das schwedische Justizministerium heranzutreten:

1. Ist eine schwedische Aktiengesellschaft, die durch den Konkurs abgewickelt ist, berechtigt, als Partei eines Zivilverfahrens aktiv Klage dahin zu erheben, dass eine vom Konkursverwalter vorgenommene Veräußerung rechtswidrig gewesen und der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen sei, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass ein Staatsvertrag zwischen Österreich und Schweden über die gegenseitige Anerkennung der Konkurseröffnung nicht besteht und grundsätzlich der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses nach österreichischem Recht über sein in Österreich befindliches Vermögen verfügungsberechtigt bleibt?

2. Erstrecken sich die Wirkungen eines schwedischen Konkurses auch auf im Ausland (hier: Österreich) gelegenes unbewegliches Vermögen des Gemeinschuldners bzw auf Anteile an einer Gesellschaft, die ihren Sitz im Ausland hat?

Erst nach Klärung dieser Fragen im Rechtshilfeweg wird die Partei- und Prozessfähigkeit der klagenden Partei verlässlich beurteilt werden können.

Dem Revisionsrekurs ist demnach Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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