OGH 10ObS157/00m

OGH10ObS157/00m11.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerold R*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Wiederaufnahme, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2000, GZ 7 Rs 269/99d-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. November 1999, GZ 32 Cgs 25/99d-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wird, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies die eine Wiederaufnahme des Verfahrens 32 Cgs 299/93i des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht anstrebende Klage im Vorprüfungsverfahren als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Streitverhandlung ungeeignet zurück (§ 538 Abs 1 ZPO).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig (§ 47 Abs 2 ASGG), aber nicht berechtigt.

Die vom Kläger als Mangelhaftigkeit und Nichtigkeit des Verfahrens gerügte angebliche Nichtberücksichtigung von Verfahrensergebnissen des Hauptprozesses und die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage bereits im Vorprüfungsverfahren könnten allenfalls eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, nicht aber einen vom Kläger auch gar nicht näher bezeichneten Nichtigkeitsgrund darstellen. Der Revisionsrekurs ist daher, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

Auch die gerügte unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, dass die Wiederaufnahmsklage auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz iVm § 528a ZPO). Den Ausführungen im Revisionsrekurs ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage zu prüfen, ob diese auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen. Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen lässt oder in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen könnte (EvBl 1992/77; JBl 1990, 253; SZ 59/14 ua). Eine solche Schlüssigkeitsprüfung ist bei dem hier behaupteten Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO deshalb geboten, weil danach vorausgesetzt wird, dass die vorgebrachten Tatsachen oder Beweismittel im Hauptverfahren eine der Partei günstige Entscheidung herbeigeführt hätten. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die ein solches Wiederaufnahmsbegehren gestützt wird, müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken. Sie müssen nur so wichtig sein, dass ihre Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung des Hauptverfahrens führen könnte (SZ 61/184 mwN ua). Es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (EvBl 1992/77; SZ 61/184; SZ 54/191 ua). Im Vorprüfungsverfahren ist die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände, für sich allein betrachtet, eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen vermögen, zu prüfen (EvBl 1992/77 mwN ua; RIS-Justiz RS0044631; RS0044504; RS0044481 ua).

Im Hauptprozess wurde die Anerkennung des Ereignisses vom 20. 7. 1981 als Arbeitsunfall deshalb abgelehnt, weil nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ein alltäglich vorkommendes Ereignis, wie ein mittelschweres Heben (beispielsweise eines Koffers) in naher Zukunft vorgekommen wäre und dadurch dieselben Folgen im Bereich der vorgeschädigten Bandscheiben des Klägers verursacht hätte, die beim Kläger als Folge des Ereignisses vom 20. 7. 1981 eingetreten sind. Das Berufungsgericht führte in der Behandlung der Beweisrüge des Klägers aus, dass sich die Feststellungen zur medizinischen Kausalität vor allem auf das Gutachten des neurochirurgischen Sachverständigen Dr. L***** stützen, welches an Plausibilität und Schlüssigkeit dem ursprünglichen Gutachten des orthopädischen Sachverständigen Dr. N*****, der zunächst die Unfallskausalität bejaht hatte, weit überlegen sei. Hingegen komme es auf die ebenfalls mit den Ausführungen des neurochirurgischen Sachverständigen im Einklang stehende Aussage des Zeugen DDr. S*****, dass die Bandscheibe des Klägers bei einer Gelegenheitsursache innerhalb eines Jahres prolabiert wäre, nicht an, weil dieser als sachverständige Zeuge seine Sachkunde nur als Erkenntnisquelle für Tatsachen benützen, jedoch keine Bewertungen vornehmen dürfe. Medizinische Fragen seien nämlich (ausschließlich) vom medizinischen Sachverständigen zu lösen.

Nach dem Prozessstandpunkt des Wiederaufnahmsklägers habe der Zeuge DDr. S***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Hauptprozess in einem Schreiben vom 8. 1. 1999 seine Aussagen zur Unfallskausalität des Ereignisses vom 20. 7. 1981 im Hinblick auf eine Vorschädigung der Wirbelsäule des Klägers widerrufen. Dieser Umstand stelle einen Wiederaufnahmsgrund im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar, zumal diese vom Zeugen DDr. S***** widerrufene Aussage den orthopädischen Sachverständigen Dr. N*****, der vorher den Standpunkt vertreten habe, die Wirbelsäule des Klägers sei nicht vorgeschädigt gewesen, dazu bewogen habe, von seiner Ansicht abzugehen.

Diesen Ausführungen hat bereits das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, dass, wie bereits erwähnt, die nunmehr revidierte Aussage des Zeugen DDr. S***** keine (tragende) Grundlage für die Beweiswürdigung im Hauptprozess bildete, weil dieser sachkundige Zeuge im Hauptprozess nicht dazu berufen war, dem Gericht auf Grund seiner Sachkunde zum histologischen Befund vom 29. 7. 1981 Erfahrungssätze zu liefern und daraus (gutachterliche) Schlüsse zu ziehen (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 350 mwN; Fasching, ZPR2 Rz 967 ff ua). Es war vielmehr Aufgabe der bestellten medizinischen Sachverständigen im Vorprozess, unter Anwendung ihres Fachwissens die entsprechenden Wertungen und Schlussfolgerungen aus diesem medizinischen Befund vorzunehmen. Der histologische Befund vom 29. 7. 1981 (vgl AS 427 im Verfahren 32 Cgs 291/93i des Erstgerichtes) lag sowohl dem Sachverständigen Dr. L***** (vgl S 5 in seinem Gutachen ON 54) als auch dem Sachverständigen Dr. N***** (vgl S 7 und 13 in seinem Gutachten ON 60) vor und wurde von beiden Sachverständigen bei der Gutachtenserstellung auch berücksichtigt. Es trifft daher die Ansicht des Wiederaufnahmsklägers, den Gutachten der beiden genannten Sachverständigen liege ein objektiv unrichtiger Inhalt des histologischen Befundes zugrunde, nicht zu. Mit Recht hat das Rekursgericht auch darauf hingewiesen, dass der neurochirurgische Sachverständige Dr. L***** sein Gutachten nicht auf die Aussage des Zeugen DDr. S*****, sondern vor allem auf die vorliegende Krankengeschichte des Klägers, den histologischen Befund sowie die vorliegenden Röntgenbilder, gegründet hat. Wenn sich der orthopädische Sachverständige Dr. N***** im Zuge der mündlichen Gutachtenserörterung in der Tagsatzung vom 18. 11. 1998 schließlich in Abkehr von seiner bisher geäußerten gutachterlichen Meinung den Ausführungen des neurochirurgischen Sachverständigen Dr. L***** sowie den vom sachkundigen Zeugen DDr. S***** - in allerdings unzulässiger Weise - geäußerten medizinischen Schlussfolgerungen aus dem histologischen Befund vom 24. 7. 1981 angeschlossen hat, handelte es sich dabei um eine gutachterliche Beurteilung, die der Sachverständige Dr. N***** auf Grund seines Fachwissens eigenständig und eigenverantwortlich vorzunehmen hatte. Der vom Wiederaufnahmswerber geltend gemachte Umstand, der Zeuge DDr. S***** habe seine (unzulässigen) gutachterlichen Äußerungen zum histologischen Befund revidiert bzw relativiert, ist daher von vornherein nicht geeignet, eine Änderung der im Hauptprozess ergangenen Entscheidung herbeizuführen.

Nach herrschender Rechtsprechung vermögen weder die Unrichtigkeit eines im Vorprozess erstatteten Gutachtens noch der Umstand, dass später ein anderer Gutachter ein abweichendes Gutachten erstattet hat, die Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmsgrund im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu erfüllen (2 Ob 2127/96z; ZVR 1989/99 mwN ua). Der Wiederaufnahmskläger müsste in einem solchen Fall vielmehr etwa den Nachweis erbringen, dass der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt habe oder dass die jüngeren Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode beruhen, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war (SSV-NF 7/115, SSV-NF 1/40 mwN uva). Anhaltspunkte in dieser Richtung liegen nicht vor. Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum erkannt, dass die Wiederaufnahmsklage auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund, insbesondere nicht auf jenen des allein noch geltend gemachten § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, gestützt ist. Entgegen den Rechtsmittelausführungen des Wiederaufnahmsklägers liegt der Beurteilung des Rekursgerichtes auch keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung zu Grunde, sondern die im Rahmen der Vorprüfung gebotene Beurteilung der als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstände auf ihre Eignung, eine dem Wiederaufnahmswerber günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen. Demgemäß ist auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachte und dem Rekursgericht angelastete Mangelhaftigkeit nicht gegeben.

Es war daher dem Revisionsrekurs des Klägers ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte