OGH 2Ob160/00v

OGH2Ob160/00v20.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land *****, vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber und Dr. Ivo Burianek, Rechtsanwälte in Mödling, gegen die beklagte Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 129.258,75 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. Dezember 1999, GZ 12 R 184/99p-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Juli 1999, GZ 12 Cg 206/98x-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das klagende Land ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112 (darin S 1.352 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. 4. 1996 verschuldete der Lenker eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges einen Verkehrsunfall, bei dem die Beifahrerin verletzt wurde. Das klagende Land begehrt von der beklagten Partei S 129.258,75 sA mit der Begründung, die Verletzte sei unmittelbar nach dem Unfall im Landeskrankenhaus M***** in der allgemeinen Gebührenklasse stationär aufgenommen und bis 27. 6. 1996 behandelt worden. Rechtsträger dieses Krankenhauses sei das Land *****. Vom Sozialversicherungsträger seien jedoch nicht die gesamten amtlichen Pflegegebühren entrichtet worden; geleistet worden sei lediglich ein Pflegegebührenersatzbetrag, wobei sich die Differenz zwischen den amtlichen Pflegegebühren und diesem Pflegegebührenersatzbetrag auch unter Abzug des Beitrages des KRAZAF auf S 129.258,75 belaufe. Der Pflegegebührenersatzbetrag werde aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem Rechtsträger des Krankenhauses und den Sozialversicherungsträgern festgelegt. Diese Vereinbarung basiere auf einer gesetzlichen Grundlage und stelle sich nicht als freiwilliger Verzicht dar. Der genannte Differenzbetrag sei ein Abgang des Krankenhauses. Diesen Abgang habe im gegenständlichen Zeitraum das Land ***** selbst, teilweise aber auch der ***** Krankenanstaltensprengel zu tragen. Letzterer habe seine Ansprüche an das Land ***** zum Inkasso abgetreten, dies allerdings nur für den Fall, als nicht § 48 KAG zum Tragen komme. Rechtsgrundlage für den erhobenen Anspruch sei die letztgenannte Bestimmung. Als weitere Rechtsgrundlage werde auch § 896 ABGB iVm § 1358 ABGB herangezogen.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, dass bei sozialversicherten Geschädigten gemäß § 332 Abs 1 ASVG kein Anspruch des Geschädigten verbleibe, der gemäß § 48 KAG auf den Träger des Krankenhauses übergehen könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Hinblick auf § 48 KAG statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es liege bereits eine in einem völlig gleichgelagerten Fall ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 225/99y) aus jüngster Zeit vor.

Auf Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Unzulässigkeitsausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt werde, weil dem Problem der Schadensverlagerung nicht von vornherein jede Relevanz abgesprochen werden könne.

In ihrer Revision macht die klagende Partei unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil sie das in 2 Ob 225/99y gefundene Ergebnis mit dem neuen Argument der Schadensverlagerung bekämpft; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In 2 Ob 225/99y ist der erkennende Senat zur Auffassung gelangt, dass bei der Unterbringung sozialversicherter Personen eine Legalzession nach § 48 KAG in Bezug auf die Differenz zwischen den in den Verträgen zwischen den Trägern der Krankenanstalten und den Trägern der Sozialversicherung festgelegten "Pflegegebührenersätzen" und den von den Krankenanstalten festgelegten (höheren) Pflegegebühren nicht in Betracht kommt.

Soweit die klagende Partei eine Schadensverlagerung vom Sozialversicherungsträger auf den Träger der Krankenanstalt geltend macht, ist davon auszugehen, dass der Sozialversicherungsträger die nach Sozialversicherungsrecht gebührenden Leistungen zu erbringen hat; für die auf ihn gemäß § 332 ASVG übergehenden korrespondierenden Schadenersatzansprüche übernimmt er bloß das Eintreibungsrisiko. Der Ersatzanspruch gemäß § 332 ASVG ist kein Schadenersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers, sondern der vom Versicherten abgeleitete Anspruch (Neumayr in Schwimann2 Band 8 § 332 ASVG Rz 11 mwN). Da somit kein eigener Schaden des Sozialversicherungsträgers ersatzfähig ist, kommt auch eine Berücksichtigung eines solchen Schadens im Wege der Verlagerung auf einen Dritten nicht in Frage. Im Übrigen begehrt die klagende Partei in ihrer Klage gerade nicht den Ersatz der vom Sozialversicherungsträger geleisteten Pflegegebührenersätze, sondern der Differenz auf die vollen Pflegegebühren der Krankenanstalt.

Was eine Aufspaltung des Schadens des Verletzten in einen Pflegegebührenersatzbetrag, der vom Sozialversicherungsträger beim Schädiger zu regressieren ist, und den klagsgegenständlichen Differenzbetrag, der vom Rechtsträger der Krankenanstalt (ohne Legalzession gemäß § 48 KAG) beim Schädiger zu regressieren wäre, anlangt, so fehlt es für eine solche Konstruktion an einer gesetzlichen Grundlage. Neben dem Regelungsmodell des § 332 ASVG kann keine Gesetzeslücke angenommen werden, die durch analoge Anwendung von Legalzessionsnormen zu schließen wäre. Gewähren also die Vertragspartner des Sozialversicherungsträgers, deren er sich bei der Leistungserbringung gegenüber den Sozialversicherten bedient (wie Krankenanstalten, niedergelassene Ärzte oder Medikamentenlieferanten), diesem auf Grundlage privatrechtlicher Verträge Nachlässe auf jene Entgelte, die sie von nicht sozialversicherten Patienten verlangen, so sind solche Differenzen auch unter dem Aspekt der Schadensverlagerung nicht ersatzfähig. Dass dieses Ergebnis privatrechtlicher Gestaltungen verfassungsrechtlich bedenklich wäre, ist nicht erkennbar.

Die Revisionsausführungen geben somit keinen Anlass, vom Resultat der Entscheidung 2 Ob 225/99y wieder abzugehen, weshalb dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen war.

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