OGH 3Ob347/99x

OGH3Ob347/99x20.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*****, Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. A*****, und 2. H*****, 3. Andre H***** und 4. Stefan S*****, alle vertreten durch Dr. Gerald Hausar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 27. Oktober 1999, GZ 21 R 209/99d-38, womit infolge von Rekursen der verpflichteten Parteien der Beschluss des Bezirksgerichtes Schwechat vom 11. Februar 1999, GZ 1 E 319/99z-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei ist schuldig den verpflichteten Parteien die mit S 70.080,12 (darin enthaltenen S 11.680,02 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit (berichtigtem) Beschluss vom 11. 2. 1999 erteilte das Erstgericht auf Antrag der betreibenden Partei dem durch ein näher bezeichnetes Schiedsgericht in Zürich am 15. 12. 1994 gefällten endgültigen Schiedsspruch für Österreich die Vollstreckbarkeit (Punkt I.) und bewilligte auf Grund dieses Schiedsspruchs der betreibenden Partei die Herausgabeexekution auf in Verwahrung eines näher bezeichneten Unternehmens befindliche Container laut Anhang 1 des Schiedsspruchs Zug um Zug gegen Ausfolgung von US$ 2,000.000 sA (Punkt II.) an die erstverpflichtete Partei sowie die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der mit S 115.017,55 bestimmten Kosten des Exekutionsantrages (Punkt III.).

Den getrennt gegen die Punkte II. und III. einerseits und den Punkt I. gerichteten Rekursen der zweit- bis viertverpflichteten Parteien sowie dem gegen alle drei Punkte gerichteten gesonderten Rekurs der erstverpflichteten Partei gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge, hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass gegen seine Entscheidung der ordentliche "Revisionsrekurs" zulässig sei.

Das Rekursgericht verneinte die Unzuständigkeitseinrede der verpflichteten Parteien.

In der Sache lehnte es die Ansicht der verpflichteten Parteien ab, dass bei der Exekutionsbewilligung die Übersetzung des Titels auf ihre Richtigkeit zu überprüfen sei. Art IV des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl 1961/200 - New Yorker Übereinkommen) normiere für den Fall, dass ein Schiedsspruch oder eine Vereinbarung nicht in einer amtlichen Sprache des Landes abgefasst ist, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, dass die Partei, die um seine Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, eine Übersetzung der erwähnten Urkunden in diese Sprache beizubringen habe. Diese Übersetzung müsse von einem amtlichen oder beeidigten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter beglaubigt sein. Alle diese Voraussetzungen habe die betreibende Partei erfüllt. Die allgemein beeidete Dolmetscherin für die englische Sprache habe auch im Sinne des § 289 AußStrG die genaue Übereinstimmung der Übersetzung mit dem vorliegenden Original unter Berufung auf ihren Eid bestätigt. Die Geltendmachung allfälliger sinnstörender Unrichtigkeiten der Übersetzung sei daher im Rekursverfahren nicht möglich, weil es sich um unzulässige Neuerungen handle (Heller/Berger/Stix4, 649; EFSlg 49.486, 69.985).

Anders verhalte es sich allerdings, wenn eine Übersetzung so mangelhaft sei, dass in der Übersetzung ein ganzer Teil des in der Originalfassung abgefassten Spruches fehlt. Dem Erstgericht hätte von Amts wegen auffallen müssen, dass der im Spruch unter Punkt 6. d erfolgte Zuspruch an Kosten für die verpflichteten Parteien in der Übersetzung nicht enthalten sei. Das Erstgericht hätte daher der betreibenden Partei eine Verbesserung der Übersetzung auftragen müssen bzw werde es diesen Auftrag im fortgesetzten Verfahren zu erteilen haben.

Der ordentliche "Revisionsrekurs" sei gemäß § 78 EO, § 527 Abs 2 ZPO für zulässig zu erklären, weil die Voraussetzungen nach § 528 Abs 1 ZPO vorlägen. Soweit ersichtlich fehle eine Rechtsprechung darüber, inwieweit eine im Sinne des Art IV Abs 2 des "New Yorker Übereinkommens" gehörig beglaubigte Übersetzung der Urschrift eines Schiedsspruchs einer Überprüfung durch das Gericht auf Vollständigkeit unterliegt bzw ob bei Vorliegen einer unvollständigen Übersetzung des Entscheidungsspruches allenfalls der Antrag auf Anerkennung der Vollstreckbarkeit ohne Verbesserungsantrag zurückzuweisen wäre.

Diesen Beschluss bekämpft zur Gänze die betreibende Partei mit ihrem (wie schon vom Rekursgericht entgegen § 527 Abs 2 ZPO unrichtig als ordentlichen "Revisionsrekurs" bezeichneten) Rekurs, mit dem sie ausdrücklich nur die Abänderung dahin begehrt, dass dem Exekutionsantrag stattgegeben werde. Hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in die zweite Instanz begehrt.

Unter den Rekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird geltend gemacht, dass das Rekursgericht wegen des im Rekursverfahren uneingeschränkt geltenden Neuerungsverbots die Unvollständigkeit der Übersetzung des Exekutionstitels nicht wahrnehmen hätte dürfen. Ein Feststellungsmangel liege darin, dass das Rekursgericht die fehlende Relevanz des Punktes 6. d des Schiedsspruches nicht festgestellt und sich mit dem Vorbringen der betreibenden Partei in ihrer Äußerung vom 8. 4. 1999 nicht auseinandergesetzt habe.

Die verpflichteten Parteien erstatten eine R(evisionsr)ekursbeantwortung. Diese ist zulässig, weil das Rechtsmittelverfahren über Anträge auf Vollstreckbarerklärung nach § 84 Abs 4 EO grundsätzlich zweiseitig ist (Erläut RV 195 BlgNR 19. GP). Das gilt daher insbesondere auch für das Rekursverfahren nach Aufhebungsbeschlüssen des Rekursgerichtes. Die zitierte Bestimmung verweist auf § 521a ZPO, in welchem wieder der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes genannt ist (nicht aber der Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO: vgl RZ 1994/47, 140 zur ebenso wie § 84 Abs 4 EO formulierten Bestimmung des § 402 Abs 1 EO). Da § 521a ZPO gemäß § 84 Abs 4 EO "sinngemäß" anzuwenden ist, muss er auch für den vergleichbaren Fall einer aufhebenden Entscheidung eines Rekursgerichtes gelten, zumal ein Grund für eine einschränkende Auslegung nicht besteht.

Im Hinblick auf die Zug um Zug geschuldete Gegenleistung von US$ 2,000.000 bedarf es keiner Ergänzung der Rekursentscheidung um einen gemäß § 78, § 83 Abs 2 EO, § 527 Abs 2, § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 lit a ZPO an sich erforderlichen Bewertungsausspruch, was die Herausgabeverpflichtung und die zu deren Durchsetzung begehrte Exekution betrifft; der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Rekursgerichtes übersteigt zwangsläufig den Betrag von S 52.000.

Der Rekurs ist somit zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht meint die betreibende Partei, das Rekursgericht habe gegen das auch im Rekursverfahren nach der Exekutionsordnung geltende (s nur die bei Angst/Jakusch/Pimmer, MGA EO13 § 65 E 127 ff angeführten Entscheidungen) Neuerungsverbot verstoßen. Davon kann aber gar keine Rede sein, lag doch bereits dem Erstgericht das Original des den Exekutionstitel bildenden Schiedsspruchs und die von der betreibenden Partei vorgelegte Übersetzung vor. Alle schon dem Erstgericht erkennbaren Fehler können nämlich ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot geltend gemacht werden (Heller/Berger/Stix 889), es handelt sich ja insofern weder um eine neue Tatsache noch um ein neues Beweismittel.

Zu Unrecht beruft sich die betreibende Partei auch auf eine mangelnde Relevanz des fraglichen Punktes des Titels. Zum einen lässt sie dabei unberücksichtigt, dass sie selbst eine uneingeschränkte Vollstreckbarerklärung des in Zürich gefällten Schiedsspruchs beantragt hat, weshalb nicht gesagt werden kann, ein Teil desselben wäre nicht erheblich für die Entscheidung. Zum anderen setzt, wie vom Obersten Gerichtshof bereits in der Entscheidung ZfRV 1999, 75 ausgesprochen wurde, die Vollstreckbarkerklärung fremdsprachiger Entscheidungen - schon zufolge Art 8 B-VG und § 53 Abs 1 Geo - das Vorliegen einer Übersetzung in die deutsche Sprache voraus. Darüber hinaus ist grundsätzlich für eine Überprüfung der Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen, nicht in deutscher Sprache verfassten Exekutionstitels - sei es nach den Bestimmungen der EO (selbst wenn dies in den Staatsverträgen und Verordnungen gemäß § 79 Abs 2 EO nicht ausdrücklich angeordnet wäre), sei es nach den der Sache nach in Betracht kommenden völkerrechtlichen Verträgen - ebenso eine vollständige Übersetzung des Titels wie ein kompletter Titel selbst erforderlich. Weder der EO noch den hier in Betracht kommenden Abkommen (Art IV Abs 1 und 2 des New Yorker Übereinkommens BGBl 1961/200 oder Art 6 Z 1 und 5 des Österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages BGBl 1962/125) ist zu entnehmen, dass sich das Gericht im Vollstreckungsstaat mit unvollständigen Titeln oder Übersetzungen begnügen dürfe. Derartige Unvollständigkeiten sind richtigerweise von Amts wegen wahrzunehmen, zumindest dann, wenn sie auf Grund der Gliederung der Entscheidung auch ohne Fremdsprachenkenntnisse erkennbar sind; dass dies hier der Fall ist, weil der Punkt 6. d in der Übersetzung gänzlich fehlt, kann nicht bezweifelt werden. Im Hinblick auf den gemäß § 83 Abs 2 EO auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung sinngemäß anzuwendenden § 54 Abs 3 EO hat das Rekursgreicht eine Verbesserung des Formmangels der unvollständigen Übersetzung angeordnet. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht außerdem auf das Vorbringen der verpflichteten Parteien zur Unrichtigkeit der von der betreibenden Partei vorgelegten Übersetzung (vgl ON 17-19) Bedacht zu nehmen haben.

Das Rekursgericht hat daher zur Recht einen Aufhebungsbeschluss (auch im Hinblick auf die Exekutionsbewilligungen, die ja die Vollstreckbarerklärung voraussetzen) gefasst.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 83 Abs 2 und 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

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