OGH 1Ob135/00k

OGH1Ob135/00k30.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Stefanie K*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. Dezember 1999, GZ 14 R 579/99m-208, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Linz-Land vom 21. September 1999, GZ 4 P 1174/95x-201, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährige beantragte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Klage gegen die Stadt Linz auf Zahlung von 16.500 S sA und brachte vor, der beklagten Partei sei die vorläufige Obsorge übertragen worden. Daraufhin sei sie - die Minderjährige - in einem SOS-Kinderdorf untergebracht worden. Nach dessen - im offenkundigen Einvernehmen mit der beklagten Partei gestellten - Antrag sei die Familienbeihilfe gewährt und an das Kinderdorf ausgezahlt worden. Die Beihilfenbeträge dürften - neben den Unterhaltsbeiträgen der Eltern - der Deckung der Kosten ihrer Unterbringung im Kinderdorf gedient haben. Allerdings mangle es an einem effektiven Verwendungsnachweis. Schließlich habe das Finanzamt einem Begehren ihres Vaters auf Gewährung der Familienbeihilfe stattgegeben, weil die Zugehörigkeit zu seinem Haushalt trotz ihrer zwangsweisen Unterbringung im Kinderdorf gegen seinen Willen nicht aufgehoben worden sei. Aufgrund eines weiteren finanzbehördlichen Bescheids sei sie verpflichtet, "quasi" ihrem Vater die tatsächlich bezogene Familienbeihilfe zu refundieren. Die finanzielle Unterdeckung der Kosten ihrer zwangsweisen Unterbringung im Kinderdorf gehe nicht zu ihren Lasten, weshalb die beklagte Partei verpflichtet sei, ihr die unrechtmäßig eingezogenen Beträge an Familienbeihilfe zu ersetzen. Ein sorgfältiger Obsorgeberechtigter hätte geklärt, ob die Familienbeihilfe durch das Kinderdorf überhaupt eingezogen werden dürfe. Der Klageanspruch ergebe sich aus Beihilfenzahlungen an das Kinderdorf für den Zeitraum Oktober 1995 bis Juli 1996.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die Finanzbehörde gewährte dem Vater mit Berufungsbescheid vom 17. 6. 1998 die Familienbeihilfe für die Minderjährige vom 1. 10. 1995 bis zum 31. 7. 1996. Nach dessen Begründung waren die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 Abs 2 FLAG erfüllt, weil die Zugehörigkeit der Minderjährigen zum väterlichen Haushalt während ihres Kinderdorfaufenthalts nicht aufgehoben war. Daraufhin wurde der Minderjährigen mit Bescheid vom 18. 6. 1998 die Refundierung der vom 1. 10. 1995 bis zum 31. 7. 1996 bezogenen Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags - insgesamt 16.500 S - aufgetragen, weil sie wegen ihrer Zugehörigkeit zum väterlichen Haushalt selbst keinen Anspruch auf Familienbeihilfe hatte. Einer tatsächlichen Rückzahlung bedurfte es deshalb nicht, weil die Rückforderung mit dem Beihilfenanspruch des Vaters verrechnet wurde.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Genehmigung der Klageführung in Ermangelung jeder Erfolgsaussicht ab.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Diesen Ausspruch änderte es sodann mit Beschluss vom 9. Mai 2000 dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, "inwieweit die Anrechnung eines zurückzuzahlenden Betrages gemäß § 26 Abs 1 FLAG eine ... Vorschussleistung" (Anm: des Vaters) darstelle, "die dem Schädiger, hier der beklagten Stadt Linz, nicht zugute kommen" solle. Im übrigen erwog es, dass die als Nichtigkeit behauptete Verletzung der Geschäftsverteilung des Erstgerichts nicht verwirklicht worden sei, weil gerade der konkrete Erstrichter über den Antrag auf Klagegenehmigung zu entscheiden gehabt habe. Wegen der von der Finanzbehörde mit väterlicher Zustimmung durchgeführten Verrechnung des Rückforderungs- mit dem Zahlungsanspruch sei "der Schaden bzw die Entreicherung letztlich ... beim Vater eingetreten". Die Minderjährige sei dadurch "schadlos gestellt". Ihr Vermögen sei somit nicht gemindert worden. Sie sei aber auch nicht "entreichert". Das Klagebegehren müsse also jedenfalls scheitern.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Seit der Entscheidung SZ 65/84 entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine behauptete, aber vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz auch im Verfahren außer Streitsachen nicht nochmals mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden kann, wenn eine solche Nichtigkeit nicht auch dem Rekursverfahren anhaftet.

1. 1. Im Lichte der unter 1. erläuterten Rechtslage bedarf die im Revisionsrekurs aufrechterhaltene Ansicht, der erstgerichtliche Beschluss sei nichtig, weil nach der Geschäftsverteilung ein anderer Richter zur Entscheidung berufen gewesen wäre, keiner Erörterung mehr.

2. Die Rechtsmittelwerberin betont, dass die Gerichte der Entscheidung über den Antrag auf Klagegenehmigung bei Lösung der für den Familienbeihilfenanspruch maßgebenden Fragen die rechtskräftigen und daher bindenden finanzbehördlichen Bescheide zugrunde zu legen hätten. Das trifft für das hier zu lösende Problem jedenfalls soweit zu, als die Finanzbehörde mit Bescheid vom 18. 6. 1998 eine Rückzahlungspflicht der Minderjährigen mangels Anspruchs aussprach. Nicht beizutreten ist dagegen deren weiteren Ansicht, das Gericht zweiter Instanz habe die Frage nach einer Entreicherung bzw einem Schaden unrichtig beantwortet, weil die "Zustimmung (Anm: des Vaters) zur Gegenverrechnung ... noch nicht die Rechtsfolge" habe, dass in ihrem Vermögen kein Schaden eingetreten sei, seien doch "Leistungen von nahen Angehörigen (hier Vorschussleistung) natürlich nicht zugunsten des Schädigers erbracht" worden. "Ähnlich wie beim Unterhalt für die Vergangenheit" gehe "mit solcher Vorschussleistung des Obsorgeberechtigten die Antragslegitimation (Klagelegitimation) des Kindes gegen den Dritten nicht verloren".

Hatte die Minderjährige, wie sie selbst unterstellt, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, so kann sie durch die Rückerstattung der zu Unrecht erhaltenen Beihilfezahlungen weder "entreichert" noch geschädigt sein, ist doch ein nicht existenter Anspruch kein Vermögenswert. Somit ist nach deren Vorbringen unerfindlich, für welche "Entreicherung" bzw für welchen "Schaden" an Familienbeihilfe ihr die Stadt Linz einzustehen hätte.

3. Unter Zugrundelegung des soeben erzielten Ergebnisses hängt die Entscheidung nicht von der Lösung jener Frage ab, die das Rekursgericht veranlasste, den Revisionsrekurs schließlich doch zuzulassen. Das Rechtsmittel ist daher mangels einer zu klärenden erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen, ist doch der Oberste Gerichtshof zufolge § 16 Abs 3 AußStrG an einen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz gemäß § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden.

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