OGH 1Ob30/00v

OGH1Ob30/00v28.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E.*****, Griechenland, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "C*****" ***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 400.000,-- (= öS 2,800.000,- -) sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 1999, GZ 4 R 161/99x-35, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. April 1999, GZ 12 Cg 229/96p-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei brachte vor, sie sei mit einer - ursprünglich mitbeklagten - österreichischen Gesellschaft mbH in Geschäftsbeziehung gestanden. Aus diversen Lieferungen sei letztlich ein Betrag von DM 450.000 ausständig gewesen. Die Schuldnerin habe mit der klagenden Partei am 22. 2. 1996 vereinbart, diese Schuld in monatlichen Raten DM 25.000 zurückzuzahlen. Dieser Vereinbarung sei die beklagte Partei "als Bürge und Zahler" beigetreten. Es sei lediglich die Zahlung von DM 50.000 erfolgt, weshalb der Klagsbetrag (DM 400.000,- -) unberichtigt aushafte.

Gegen die Hauptschuldnerin erging ein Versäumungsurteil, das in Rechtskraft erwuchs.

Die beklagte Partei wendete ein, ihr Geschäftsführer, der die Mithaftungsvereinbarung unterfertigt habe, sei hiezu nicht ermächtigt gewesen. Die Pflichtwidrigkeit dieses Geschäftsführers sei der klagenden Partei bekannt gewesen; die vom Geschäftsführer namens der beklagten Partei erklärte Haftungsübernahme sei sittenwidrig. Die Forderung bestehe auch dem Grunde und der Höhe nach nicht zu Recht.

Außer Streit steht, dass für das Rechtsgeschäft zwischen den Parteien keine Rechtswahl getroffen wurde.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei DM 400.000 zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren auf Zahlung vorprozessualer Kosten im Betrage von 95.000 griechischen Drachmen - unangefochten - ab.

Es stellte fest, von jener Gesellschaft, die Geschäftsbeziehungen zur klagenden Partei unterhalten habe, sei der aushaftende Saldo mit DM 450.000 anerkannt worden. Die beklagte Partei habe gewusst, dass sie sich im griechischen (Obst-)Markt nicht werde etablieren können, sollte die aushaftende Forderung gegen die (Haupt-)Schuldnerin nicht beglichen werden, zumal die an dieser Gesellschaft und die an der beklagten Partei beteiligten Personen teilweise identisch waren. Die beklagte Partei habe sich daher angeboten, eine Vereinbarung über die aushaftenden Schulden zu treffen. In der Folge sei vertraglich festgelegt worden, dass die beklagte Partei in Übernahme der Verbindlichkeit der (Haupt-)Schuldnerin an die klagende Partei monatlich DM 25.000 bis zur Höchstsumme von DM 450.000 zahle. Von der (Haupt-)Schuldnerin auf diese Schuld geleistete Zahlungen hätten angerechnet werden sollen. Gleichzeitig habe die klagende Partei gegenüber der beklagten Partei die grundsätzliche Lieferbereitschaft (für Obst) erklärt. Die beiden Geschäftsführer der beklagten Partei hätten intern die Abrede getroffen, dass Dispositionen über einen S 500.000 übersteigenden Betrag der Zustimmung des anderen Geschäftsführers bedürften. Eine schriftliche Darlegung dieser Verfügungsbeschränkung sei nicht erfolgt und der klagenden Partei auch nie bekanntgegeben worden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die beklagte Partei einen Schuldbeitritt "bzw Zahlungs- oder Haftungsübernahme hinsichtlich einer bestehenden Schuld" erklärt habe, allerdings im Zusammenhang mit der Zusage ausreichender Belieferung durch die klagende Partei. Diese Vertragsgestaltung sei "eine Art Rechtsinstitut sui generis", das allenfalls dem § 45 IPRG unterliege und unter Heranziehung von § 36 IPRG eine Verweisung auf das griechische Recht bedinge. Auf Grund des vorrangig anzuwendenden Grundsatzes der stärksten Beziehung und weil eine einseitige Verpflichtungserklärung vorliege, sei aber österreichisches Privatrecht anzuwenden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei voll wirksam; eine allfällige Beschränkung der "Geschäftsführungsbefugnis" des Geschäftsführers sei der klagenden Partei nicht bekannt gewesen. Die von der beklagten Partei eingegangene Verpflichtung sei auch nicht von der der (Haupt-)Schuldnerin abhängig; doch selbst bei Vorliegen einer Akzessorietät sei das Klagebegehren berechtigt, weil die (Haupt-)Schuldnerin das Bestehen der Schuld gar nicht bestritten habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Geschäftsführer sei für die beklagte Partei nach außen hin uneingeschränkt vertretungsbefugt gewesen. Es widerspreche auch keineswegs der Lebenserfahrung, dass ein selbständig vertretungsberechtigter Geschäftsführer befugt sei, Verbindlichkeiten für eine Gesellschaft in der Höhe von DM 400.000 einzugehen. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die klagende Partei von der zwischen den beiden Geschäftsführern vereinbarten Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis Kenntnis erlangt habe. Die beklagte Partei habe sich verpflichtet, die Bezahlung der an ein anderes Unternehmen erfolgten Warenlieferungen zu übernehmen; sie habe diese Zahlung garantiert. Demnach komme § 37 IPRG zur Anwendung: Schuldbegründende einseitige Rechtsgeschäfte seien nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt (seine Niederlassung) habe. Da diese Niederlassung in Österreich gelegen sei, habe das Erstgericht zu Recht österreichisches materielles Recht angewendet.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Bestand einer Forderung der klagenden Partei gegen die vormals erstbeklagte Partei - die (Haupt-)Schuldnerin - kann angesichts der vor dem Revisionsgericht nicht mehr bekämpfbaren erstinstanzlichen Feststellung, dieses Unternehmen habe die Forderung anerkannt, nicht zweifelhaft sein. Gerade dieser Schuld ist die beklagte Partei aber in der Folge beigetreten (S 6 des Ersturteils: "Bezahlung der ... aushaftenden Schuldsumme ... übernimmt").

Feststellungen über die in Aussicht genommenen Lieferungen - der klagenden Partei an die beklagte Partei - sind nicht erforderlich, hat doch die beklagte Partei gar nicht eingewendet, die klagende Partei hätte ihre Zusage zur Lieferung von Obst - zu angemessenen Preisen - nicht eingehalten. Schon deshalb ist von der grundsätzlichen Bereitschaft der klagenden Partei zur Lieferung von Obst an die beklagte Partei zu angemessenen Preisen auszugehen, auch wenn die Geschäftsbeziehung - da die beklagte Partei ihre Zahlungsverpflichtung nicht erfüllte - letztlich nicht zustande kam.

Dass die Vereinbarung vom 22. 2. 1996 unbestimmt und sittenwidrig sei, was deren Nichtigkeit zur Folge hätte, muss - beurteilte man diese nach österreichischem Recht - verneint werden: Es findet sich auch nicht einmal ein Anhaltspunkt dafür, dass die klagende Partei die mangelnde Berechtigung des Geschäftsführers der beklagten Partei zum Abschluss der genannten Vereinbarung (im Innenverhältnis) hätte erkennen müssen. Allerdings ist für die Beurteilung des Vertrags und damit auch die Beantwortung der Frage nach der Unbestimmtheit bzw Sittenwidrigkeit nicht österreichisches, sondern griechisches Recht maßgeblich:

Nach den Feststellungen kamen die Streitteile überein, dass die beklagte Partei die Schuld der ursprünglich erstbeklagten Partei im Betrag von DM 450.000 zur Zahlung übernimmt, im Gegenzug dafür aber die Geschäftsbeziehung zwischen klagender und beklagter Partei aufgenommen wird (S 6 des Ersturteils). Zahlungen der vormals erstbeklagten Partei sollten dabei im Rahmen der aufzunehmenden Geschäfte berücksichtigt werden. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich eindeutig um einen Schuldbeitritt (vgl SZ 61/174), auf den § 45 IPRG anzuwenden ist (Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 45 IPRG mwN). Die mittlerweile erfolgte Aufhebung der §§ 36 bis 45 IPRG ist gemäß § 50 Abs 2 IPRG für den vorliegenden Fall noch nicht maßgeblich. Die für die zu sichernde Verbindlichkeit (Kaufpreisschuld der früher erstbeklagten Partei gegenüber der klagenden Partei) maßgebliche Rechtsordnung ist das griechische Recht (§ 36 IPRG), weshalb die anstehenden Fragen von den Vorinstanzen nach diesem Recht zu beurteilen gewesen wären. Die Vorinstanzen hätten daher das dafür maßgebliche griechische Recht ermitteln müssen. Die Nichtbefolgung dieser Ermittlungspflicht führt in Stattgebung der Revision zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen (Schwimann aaO Rz 3 zu § 4 IPRG mwN).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte