OGH 8Ob46/00y

OGH8Ob46/00y13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Andreas K*****, 2) Angela S*****, beide Hauseigentümer, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Broesigke und Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Christine B*****, Hausbesorgerin, *****, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 1999, GZ 41 R 555/99t-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 10. Juni 1999, GZ 5 C 143/98b-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Die Aufkündigung vom 26. 2. 1998 ist rechtswirksam.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägerin die Wohnung top Nr. 28a im Haus *****, binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, den klagenden Parteien die mit S 14.389,68 (darin S 2.142,44 Umsatzsteuer und S 1.535,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit S 4.636,35 (darin S 651,73 Umsatzsteuer und S 726,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.858,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 446,68 Umsatzsteuer und S 2.178,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger kündigten der Beklagten die im Spruch genannte Wohnung nach § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG auf.

In ihren Einwendungen gegen die Aufkündigung bestritt die Beklagte, die Wohnung - einen Einzelraum mit einer Größe von 13,5 m2 - untervermietet zu haben. Richtig sei allerdings, dass sie und ihr Gatte diesen zum Wohnen ohnedies zu kleinen Raum als Atelierkammer im Zusammenhang mit ihren Hobbys - Zauberei und Kunstmalen - nützten. Diese Art der Verwendung habe sie schon 1987 mit der damaligen Hausverwalterin vereinbart, der sie schon damals ihre nach wie vor aktuellen Wohnadresse gegeben habe.

Die Kläger hielten dem entgegen, dass nach dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages das Bestandobjekt ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet worden sei und anderslautende Nebenabreden nicht getroffen worden seien. Nach dem davon abweichenden Vorbringen der Beklagten wäre das Bestandobjekt nur zum Zweck der Freizeitgestaltung angemietet worden; es würde daher nicht unter das MRG fallen.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Begehren, die Beklagte sei schuldig, das Bestandobjekt zu räumen, ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Schon bei der Anmietung des Objekts gab die Beklagte an, den Raum nicht zu Wohnzwecken nützen zu wollen, sondern ihn lediglich zu Lagerzwecken bzw. für ihren Mann als Mal- bzw. Zauberatelier zu mieten. Die damalige Hausverwalterin war davon in Kenntnis und machte die Beklagte darauf aufmerksam, dass sie die Wohnung zu Wohnzwecken anmiete und jede andere Benützung der Wohnung jederzeit zu einer gerichtlichen Aufkündigung führen könnte. Die Wohnung wurde dann von Beginn des Mietvertrages an als Malatelier bzw. zur Lagerung von Zauberutensilien des Ehemanns der Beklagten genutzt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin - da die ihnen zuzurechnende Hausverwalterin von Beginn an von der Verwirklichung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG gewusst habe - konkludent auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes verzichtet hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es ging ebenfalls von einem schlüssigen Verzicht der Kläger auf den in Betracht kommenden Kündigungsgrund aus. Die Hausverwalterin habe nach den erstgerichtlichen Feststellungen seit der Anmietung des Objektes im Februar 1987 Kenntnis davon gehabt, dass die Wohnung nicht zu Wohnzwecken, sondern als Lager und Atelier genutzt werde. Aus der darauf folgenden, rund 11 Jahre dauernden Untätigkeit trotz dieses Wissens habe die Beklagte auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes ableiten dürfen, dass die Kläger ihr Interesse an der zunächst möglichen Durchsetzung des verwirklichten Kündigungsgrundes verloren hätten. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 4 MRG - Vermietung bloß als Freizeitwohnung zu Zwecken der Erholung und der Freizeitgestaltung - liege nicht vor, weil es insofern nicht auf die tatsächliche Nutzung des Bestandobjektes, sondern auf die Parteienabsicht bei Vertragsabschluss oder eine allfällige spätere einvernehmliche Vertragsänderung ankomme. Eine einseitige Änderung der Nutzung habe mangels Zustimmung der Vermieter nicht zu einer Änderung des Vertragsinhaltes führen können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt und die Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes verpflichtet werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat. Sie ist auch berechtigt.

Die Revisionswerber machen zutreffend geltend, dass die Meinung des Berufungsgerichtes, die Hausverwalterin habe seit der Anmietung des Objektes im Februar 1987 Kenntnis davon gehabt, dass die Wohnung nicht zu Wohnzwecken, sondern als Lager und Atelier genutzt wird, durch die erstgerichtlichen Feststellungen nicht gedeckt ist. Diesen Feststellungen, auf die in der Berufung ausdrücklich Bezug genommen wurde (§ 468 Abs 2 Satz 2 ZPO), ist zwar zu entnehmen, dass die Beklagte (zunächst) erklärt hat, den Raum nicht zu Wohnzwecken nützen zu wollen, sondern ihn als Lager bzw. als Mal- bzw. Zauberatelier zu mieten. Die damalige Hausverwalterin entgegnete dem aber mit dem Hinweis, dass die Beklagte die Wohnung zu Wohnzwecken miete - dies entspricht dem schriftlichen Mietvertrag - und dass jede andere Benützung der Wohnung zu einer gerichtlichen Aufkündigung führen könne. Damit machte die Vertreterin der Vermieterin klar, zum Abschluss des Mietvertrages nur im Hinblick auf eine Benutzung des Bestandobjektes als Wohnung bereit zu sein. Da die Beklagte dessen ungeachtet daran festgehalten hat, den Raum zu mieten, konnte die Hausverwalterin dies - jedenfalls nach den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen - nur als Unterwerfung unter die von ihr erklärten Vorgaben auffassen. Gegenteiliges - etwa das Bestehen einer stillschweigenden Übereinkunft, dass das Bestandobjekt dessen ungeachtet nicht als Wohnung benützt werde bzw. das Wissen der Hausverwalterin um die künftige Nichteinhaltung der unmissverständlich erklärten Vorgabe - ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Derartiges hätte aber - da die Nutzung eines Einzelraumes zu Wohnzwecken keineswegs ausgeschlossen ist - ausdrücklich festgestellt werden müssen, wurde aber weder behauptet, noch bewiesen.

Aus den Feststellungen über den Abschluss des Mietvertrages kann daher ein (schlüssiger) Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht abgeleitet werden. Ein solcher Verzicht könnte nur dann angenommen werden, wenn die Vermieter (bzw. deren Hausverwalter) nach dem Abschluss des Mietvertrages erfahren hätten, dass die Beklagte das Bestandobjekt ungeachtet der als Voraussetzung des Vertragsabschlusses erklärten Vorgabe, es als Wohnung zu nutzen, nicht in diesem Sinne nutzte, und wenn sie diesen Zustand trotz dieses Wissens jahrelang hingenommen hätten. Dazu fehlen in den Feststellungen aber jegliche Anhaltspunkte. Derartiges wurde von der Beklagten auch gar nicht behauptet. Lediglich im Rahmen ihrer Einvernahme als Partei hat sie in diesem Zusammenhang angegeben, Verwaltungsunterlagen und Mietabrechnungen an die tatsächlich von ihr bewohnte Wohnung übersandt erhalten zu haben (S 59 des Aktes). Nach entsprechenden Einwänden der Kläger räumte sie aber ein, "vor Klagseinbringung keine oder wahrscheinlich keine Post in den 14. Bezirk" bekommen zu haben (S 71 des Aktes).

Damit fehlt es aber für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes der Kläger auf die Geltendmachung des (hier wegen des völligen Fehlens einer regelmäßigen Verwendung des als Wohnung vermieteten Bestandobjektes zu Wohnzwecken) verwirklichten Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG in den Feststellungen an einer rechtfertigenden Grundlage.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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