OGH 10Ob344/99g

OGH10Ob344/99g21.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Vertriebsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Holzwerke ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 57.875 (öS 434.062) sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1999, GZ 15 R 63/99s-57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22. Dezember 1998, GZ 33 Cg 75/96w-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist eine außerordentliche Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Obwohl die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung bedarf, wird zu den Rechtsmittelausführungen in Kürze wie folgt Stellung genommen:

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei führt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision aus, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einer Reihe materieller Rechtsfragen insbesondere des UN-Kaufrechts (Art 39, 40, 49 und 50 des UN-Kaufrechtsübk) uneinheitlich oder nicht vorhanden sei und das Berufungsgericht überdies von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei. Dieser Vorwurf geht aus folgendem Grund ins Leere:

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. 4. 1980, BGBl 1988/96 (UNK), ist in Deutschland seit 1. 1. 1991 und in Österreich seit 1. 1. 1989 in Kraft. Gemäß Art 1 Abs 1 UNK ist dieses Übereinkommen auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Übereinkommens, dass die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und das aus den Umständen bei Vertragsabschluss erkennbar ist, ist im vorliegenden Fall gegeben.

Der Oberste Gerichtshof hat in der E vom 15. 10. 1998, 2 Ob 191/98x (JBl 1999, 318 mit zust. Anm von Karollus) festgehalten, dass die österreichischen Holzhandelsusancen, die gemäß ihres § 1 Abs 1 für alle Geschäfte in Holz aller Art gelten, die unter Berufung auf diese Usancen abgeschlossen werden, zwar nach dem letzten Satz dieser Bestimmung (auch) Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB wiedergeben, derartige Bräuche allerdings auch dann gelten, wenn sie nicht zum Inhalt eines Vertrags erhoben werden, selbst dann, wenn sie den Parteien nicht bekannt gewesen sind, weil dort, wo das Gesetz selbst auf den Handelsbrauch verweist, er mittelbar zum gesetzlichen Inhalt erhoben wird. Gemäß Art 4 UNK betrifft das Übereinkommen über das UN-Kaufrecht, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nicht die Gültigkeit von Bräuchen. Diese Frage überlässt es der Beurteilung durch das nationale Recht; Art 9 UNK betrifft nur ihre Anwendbarkeit. Gemäß Art 9 Abs 1 UNK sind die Parteien an die Bräuche, mit denen sie sich einverstanden erklärt haben, und an die Gepflogenheiten gebunden, die zwischen ihnen entstanden sind; haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so wird angenommen, dass sie sich in ihrem Vertrag oder bei seinem Abschluss stillschweigend auf Bräuche bezogen haben, die sie kannten oder kennen mussten und die im internationalen Handel den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt sind und von ihnen regelmäßig beachtet werden. Die von den Parteien ausdrücklich oder schlüssig zugrundegelegten Bräuche müssen nicht internationale Geltung haben. Art 9 Abs 2 UNK fingiert, dass die Parteien an Bräuche des internationalen Handels gebunden sind, wenn sie diese kannten oder kennen mussten. Solche Bräuche müssen grundsätzlich im internationalen Handel Verwendung finden und an einschlägigen Verträgen beteiligten Parteien weithin bekannt sein und von ihnen auch regelmäßig beachtet werden. Weithin bekannt und regelmäßig beachtet ist ein internationaler Handelsbrauch dann, wenn er von der Mehrheit der in einer Branche tätigen Geschäftsleute anerkannt wird. Neben diesem objektiven Erfordernis müssen die Parteien Handelsbräuche nach Art 9 Abs 2 UNK tatsächlich gekannt haben oder kennen müssen. Handelsbräuche, die weithin bekannt und beachtet sind, müssen nur solchen Parteien geläufig sein, die im Verbreitungsgebiet dieser Bräuche ansässig sind oder sich dort in dem betreffenden Geschäftszweig ständig betätigen. Handelsbräuche, deren Geltung von den Parteien vereinbart wurde, ferner die zwischen den Parteien etablierten Gepflogenheiten sowie die im internationalen Handel allgemein üblichen und beachteten Bräuche haben, dem dispositiven Charakter des UN-Kaufrechts entsprechend, Vorrang vor den Bestimmungen dieses Übereinkommens. Ob die österreichischen Holzhandelsusancen, insbesondere deren Bestimmungen über die Rügepflicht, in Österreich kraft Handelsbrauchs gelten, ist ebenso eine Tatfrage wie die weitere Frage, ob die österreichischen Holzhandelsusancen, wie es Art 9 Abs 2 UNK für internationale Handelsbräuche fordert, im internationalen Warenverkauf allgemein bekannt sind und beachtet werden (so die bereits zitierte E 2 Ob 191/98x mwN).

Im vorliegenden Fall ist das Erstgericht, insoweit dem Standpunkt der klagenden Partei als Verkäuferin folgend und von der beklagten Partei nicht gerügt, von der primären Geltung der "Tegernseer Gebräuche" als für die Streitteile maßgeblichen Handelsbrauch im Handel mit Rundholz, Schnittholz, Holzwerkstoffen und anderen Holzhalbwaren im Sinne des Art 9 Abs 2 UNK ausgegangen. Es hat dazu ausdrücklich und von der beklagten Partei nicht als unrichtig bekämpft festgestellt, dass die Vereinbarung der Tegernseer Gebräuche bei Lieferung eines deutschen Verkäufers an einen österreichischen Käufer üblich sei. Da die klagende Partei in ihrer Auftragsbestätigung ausdrücklich auf die Geltung dieser Gebräuche hinwies und schon vor der gegenständlichen Holzlieferung in geschäftlichem Kontakt mit der beklagten Partei gestanden war und ihr Holz geliefert hatte, beruht die Annahme, dass die beklagte Partei diese Handelsbräuche kennen musste, nicht auf einer groben Verkennung der Rechtslage.

Damit haben die Tegernseer Gebräuche aber Vorrang vor den dispositiven Bestimmungen des UNK. Das Erstgericht hat daher aus seiner Sicht zutreffend vorrangig auf deren § 12 verwiesen, wonach der Käufer verpflichtet ist, die Sendungen in jedem Falle in Empfang zu nehmen (Pkt 1) und Beanstandungen der Ware (Mängelrüge) unverzüglich nach gegebener Möglichkeit zur Besichtigung und Prüfung des Holzes, spätestens aber innerhalb 14 Kalendertagen schriftlich unter genauer Angabe der behaupteten Mängel und des Lagerortes zu erheben sind (Pkt 2). Auch in der weiteren auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhenden Annahme, die beklagte Partei habe mit der Äußerung in einem Schreiben, das gelieferte Holz entspreche nicht den "besprochenen Qualitätskriterien", keine ausreichend präzisierte Mängelrüge erhoben und könne sich daher in der Folge nicht mehr auf solche Mängel berufen, ist eine grobe Verkennung der Rechtslage nicht zu erblicken. Bei Außerachtlassung der Bestimmungen über die Bemängelung gilt die Ware als genehmigt. Auch nach Art 39 Abs 1 UNK verliert der Käufer das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder feststellen hätte müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet (2 Ob 191/98x). Die Beweislast dafür, dass eine Mängelrüge rechtzeitig und gehörig erhoben wurde, trifft stets im vollen Umfang den Käufer (1 Ob 223/99x = RdW 2000, 20). Ob der Verkäufer auf die Einhaltung der Rügeförmlichkeiten verzichtet hat oder die Berufung hierauf Treu und Glauben widerspräche, wenn er sich etwa auf eine verspätete oder unsubstantiierte Rüge einlässt und Abhilfe anbietet (Magnus in Honsell, Komm zum UN-Kaufrecht Rz 35 zu Art 39), kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und vermag keine erhebliche Rechtsfrage darzustellen.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die umfangreichen Rechtsausführungen des Revisionswerbers zu einzelnen Bestimmungen des UNK. Insbesondere kommt es nicht auf die Auslegung des Art 40 UNK an, der nur im Zusammenhang mit Art 38 und 39 von Bedeutung sein kann. Den wiederholten Darlegungen, die klagende Partei habe ein "Aliud" geliefert, wurde schon vom Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass die Unterscheidung zwischen bloßer Schlechtlieferung und "Aliud"-Lieferung dem UNK fremd ist (Karollus, UN-Kaufrecht 105; Wilhelm, UN-Kaufrecht, 17, 21). Der Revisionswerber dürfte schließlich auch zu wenig berücksichtigen, dass sowohl die Vertragsaufhebung nach Art 49 UNK im Fall von Sachmängeln als auch die Preisminderung nach Art 50 UNK eine substantiierte Mängelrüge voraussetzen würde (Schnyder/Straub in Honsell aaO Rz 32 zu Art 49; Posch in Schwimann, ABGB2 Band 5, 1097 Rz 3 zu Art 50).

Die weiters geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO) bzw erreichen nicht die Bedeutung erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

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