OGH 4Ob11/00x

OGH4Ob11/00x14.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R*****, vertreten durch Lederer & Thienen-Adlerflycht Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei F*****gesmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23. November 1999, GZ 5 R 155/99x-14, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 2. Juni 1999, GZ 24 Cg 38/99t-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1) Die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2) Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

1) Zur Sicherung des Anspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten auf Unterlassung der berechtigte Interessen des Klägers verletzenden Veröffentlichung von Lichtbildern des Klägers wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über diese Klage ergehenden Urteils geboten, die Veröffentlichung von Lichtbildern des Klägers zu unterlassen, wenn im Begleittext zur Bildnisveröffentlichung die Behauptung aufgestellt wird,

a) der Kläger habe jahrelang Bilanzen frisiert, Saldenbestätigungen gefälscht, nicht vorhandene Guthaben vorgetäuscht und schon Monate vor seinem Verschwinden 600 Millionen S veruntreut;

b) 'die 320 Millionen Anlegergelder dürften bereits Monate vor seinem Verschwinden auf ein halbes Dutzend seiner Privatkonten im Ausland geflossen sein'

oder wenn durch sinngleiche Behauptungen der Kläger vor Rechtskraft eines diesbezüglichen Urteils als einer strafbaren Handlung überführt oder schuldig hingestellt und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird.

2) Das Mehrbegehren, der Beklagten ganz allgemein jede Veröffentlichung von Lichtbildern des Klägers vor Rechtskraft eines diesbezüglichen Urteils zu verbieten, wenn der Kläger im Begleittext als einer strafbaren Handlung überführt oder schuldig hingestellt und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet wird, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 6.408,72 S (darin 1.068,12 S USt) bestimmten anteiligen Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 11.436,30 S (darin 1.906,05 S USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin des Wochenmagazins F*****. In der Ausgabe Nr. 3 vom 19. 10. 1998 erschien unter der Überschrift "Das 700-Millionen-Ding des Bankiers R*****" ein Artikel über den Kriminalfall Wolfgang R*****, der mit zwei Lichtbildern des Klägers illustriert ist. Rechts neben dem ersten Bild ist unter anderem zu lesen: "Wolfgang R*****, Bankier und Bankräuber, Strafanzeige: ...". Links neben dem ersten Bild befindet sich unter anderem folgende Textpassage: "... wie R***** jahrelang unbemerkt Bilanzen frisierte, Finanzministerium und Anleger täuschte". Rechts neben dem zweiten Bild befindet sich der Text "Plumpe Fälschung: Beträge ausgelackt, korrigiert, und nur eine Unterschrift. Und trotzdem null Probleme mit den Bilanzprüfern." In der Textberichterstattung finden sich unter anderem folgende Passagen:

"Minutiös geplanter Millionencoup. Der Verdächtige sammelte bereits am 30. September die Tresorschlüssel seiner Mitarbeiter ein. (...)

Die Vorbereitungen. Der Bankier hatte den Coup wochen-, wenn nicht sogar monatelang intensiv vorbereitet. (...) Der gebürtige Oberösterreicher (...) steht jetzt im dringenden Verdacht, bereits seit 1992 zumindest 600 Millionen Schilling veruntreut zu haben. Zusammen mit den nun aus dem Safe entwendeten 107 Millionen ergibt dies die bemerkenswerte Summe von 707 Millionen Schilling. Mindestens. (...) Am Dienstag der vergangenen Woche tauchten erstmals Belege dafür auf, daß R***** die Bilanzen des als äußerst profitabel geltenden Bankhauses jahrelang frisiert hatte. F***** vorliegenden Dokumenten zufolge gelang es ihm in mehreren Fällen, gefälschte Saldenbestätigungen (eine Art verbindlicher Bestätigung des Kontostandes) von Geschäftsbanken, bei denen er Konten unterhielt, beizuschaffen. (...) Auf diesem Wege gelang es R*****, seinen Buchprüfern wenigstens 300 Millionen Schilling an Guthaben vorzutäuschen. (...) Dennoch gelang es R***** bis ins heurige Jahr, offensichtlich fingierte Saldenbestätigungen über diese Konten vorzulegen (...) Diese Fälschungen waren nicht einmal gut gemacht.

(...) Nachdem R*****s Schwindel am Dienstag aufgeflogen war (...)

Auch die umstrittene ministerielle Bankenaufsicht ... und die

OeNB-Prüfer ... stießen sich nicht im geringsten an den plumpen

Fälschungen."

Der Artikel enthielt weiters die nicht der Wahrheit entsprechende Behauptung: "Die 320 Millionen Anlegergelder dürften bereits Monate vor seinem [gemeint: R*****s] Verschwinden auf ein halbes Dutzend seiner Privatkonten im Ausland geflossen sein."

Am 29. 10. 1998 gewährte der Kläger einem Mitarbeiter der Beklagten ein Interview, in welchem er den wirtschaftlichen Niedergang der betroffenen Bank schilderte. In diesem Interview gestand der Kläger, zahlreiche Geschäftsbücher gefälscht sowie durch Spekulationen einen Verlust von rund 900 Mio S erlitten zu haben. Eine nachträgliche Zustimmung zur Veröffentlichung der Bildnisse im Artikel vom 19. 10. 1998 erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 17. 11. 1998 widerrief der Kläger gegenüber der Beklagten sein Geständnis. Der Kläger wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. 2. 1999 wegen Veruntreuung von 69,366.997 S und 1,000.000 Schweizer Franken sowie wegen betrügerischer Krida hinsichtlich 10,450.000 S und 7,000.000 S schuldig erkannt; dieses Urteil wurde am 17. 3. 1999 rechtskräftig.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, Lichtbilder des Klägers zu veröffentlichen, wenn im Begleittext

a) der Kläger strafbarer Handlungen nicht bloß verdächtig bezeichnet, sondern ihrer als überführt oder schuldig hingestellt wird, ohne dass eine diesbezügliche rechtskräftige Verurteilung vorliegt; und/oder

b) behauptet wird: "Die 320 Millionen Anlegergelder dürften bereits Monate vor seinem Verschwinden ins Ausland geflossen sein"; oder inhaltsgleiche Behauptungen aufgestellt werden.

Die Lichtbilder seien ohne Zustimmung des Klägers veröffentlicht worden und verletzten auf Grund des Begleittextes dessen Interessen auf das Gröblichste. Der Kläger werde im Text der Begehung strafbarer Handlungen nicht nur verdächtig bezeichnet, sondern trotz fehlender rechtskräftiger Verurteilung als überführt oder schuldig hingestellt. Durch die unrichtige Behauptung "Die 320 Millionen Anlegergelder dürften bereits Monate vor seinem Verschwinden ins Ausland geflossen sein" werde der Kläger vor breiter Öffentlichkeit in einem Druckwerk in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet sei, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Es werde damit der Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt. Erst nach der beanstandeten Berichterstattung habe der Kläger ein - ein Tatsachengeständnis enthaltendes - Interview gegenüber der Zeitschrift N***** abgegeben, das abgedruckt, von ihm in der Folge aber widerrufen worden sei.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Sicherungsantrags. Die Veröffentlichung sei vor dem Widerruf des Eingeständnisses der Tat erfolgt. Der Kläger habe den dem Interview entsprechenden Artikel bestätigt und freigegeben. Die Lichtbilder des Klägers seien ausschließlich zu Fahndungszwecken veröffentlicht worden, weil gegen ihn ein internationaler Haftbefehl erlassen worden sei.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag in seinem zu b) angeführten Begehren statt und wies ihn im übrigen ab. Durch den Begleittext werde der Kläger einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen schuldig hingestellt, ohne dass er rechtskräftig verurteilt sei. Er werde ohne Hinweis darauf, dass nur ein Tatverdacht vorliege, als Urkundenfälscher und Betrüger hingestellt. Daran ändere auch der Hinweis nichts, dass sich die Anschuldigungen aus den der Beklagten vorliegenden Dokumenten ergäben, weil sich daraus für den flüchtigen Leser nicht eindeutig der bloße Tatverdacht ableiten lasse. Es liege daher ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor. Die Beklagte könne sich auch nicht auf das Vorliegen der Voraussetzung des § 7b Abs 2 Z 3 MedienG berufen, weil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels weder ein Tatgeständnis des Klägers noch seine Zustimmung zur Veröffentlichung vorgelegen sei. Aus dem vom Kläger gewährten Interview ergebe sich nicht zweifelsfrei, dass er damit auch eine bereits erschienene Veröffentlichung nachträglich habe genehmigen wollen. Die Beklagte habe weder bescheinigt, dass die Bildnisveröffentlichung über Ersuchen der Behörde erfolgt sei, noch klargestellt, inwieweit durch die Veröffentlichung weitere Informationen im Zusammenhang mit den dem Kläger zur Last gelegten Daten erlangt werden sollten. Dennoch sei das zu a) begehrte Unterlassungsgebot mangels Wiederholungsgefahr unberechtigt. Der Sicherungsantrag sei nämlich erst nach Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gestellt worden. Eine Wiederholung des Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung sei nicht mehr möglich. Hinsichtlich des zu b) begehrten Unterlassungsgebots ergebe die Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Klägers an der Nichtveröffentlichung der Bildnisse und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dass den berechtigten Interessen des Klägers der Vorrang einzuräumen sei. Auch bei Anwendung der Wertungen nach dem MedienG gebühre dem Veröffentlichungsinteresse dann kein Vorrang, wenn - wie hier - die im Begleittext der Bildnisse aufgestellten Behauptungen unrichtig seien.

Das Rekursgericht wies den gesamten Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Abweichung von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig sei. Der Vorwurf, 320 Millionen S dürften bereits Monate vor dem (erwiesenen und allgemein bekannten) Verschwinden des Klägers ins Ausland geflossen sein, sei bei logischer und vernünftiger Wertung im Zusammenhang mit den Straftaten der Veruntreuung und der betrügerischen Krida zu verstehen, derentwegen der Kläger strafgerichtlich für schuldig erkannt worden sei. Somit sei dieser Vorwurf bloß ein Teil des zufolge der nachmaligen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung berechtigten Veruntreuungs- und Kridavorwurfs. Ob 320 Millionen S ins Ausland geflossen seien, obwohl der Kläger nur wegen einer Schadenssumme von rund 78 Mio S wegen Veruntreuung und wegen einer weiteren Schadenssumme von rund 17,5 Mio S wegen betrügerischer Krida verurteilt worden sei, sei für die berechtigten Interessen des Klägers iSd § 78 UrhG wohl nicht maßgeblich. Der Kläger sei daher insoweit nicht schutzwürdig. Dieser gegen ihn erhobene Vorwurf verletze auch nicht die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK und damit § 7b MedienG: Der Kläger werde zwar einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigt, aber nicht als rechtskräftig verurteilt und auch nicht als überführt oder schuldig hingestellt; die Beklagte habe nur über einen Tatverdacht berichtet. Diese Passage des beanstandeten Artikels lasse nach der maßgebenden Auffassung des Lesers nicht unbedingt die Überzeugung zurück, der Kläger habe auch hinsichtlich dieses Geldbetrags das Verbrechen der Veruntreuung oder der betrügerischen Krida begangen. Auch fehle in diesem Zusammenhang die Wiederholungsgefahr; es sei nämlich nicht ernsthaft anzunehmen, dass die Beklagte den beanstandeten Vorwurf noch einmal wiederholen werde, obwohl ein nicht auf diesen Schadensbetrag lautendes rechtskräftiges Strafurteil vorliege und der Umfang der Straftaten des Klägers öffentlich abgehandelt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht in einer die Rechtssicherheit gefährdenden Weise von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Bildnisschutz abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, soweit er in der Textberichterstattung solcher strafbarer Handlungen als überführt hingestellt werde, derentwegen keine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vorliege, beeinträchtige die damit im Zusammenhang stehende Bildberichterstattung seine überwiegenden Interessen. Der Vorwurf, der Kläger habe schon Monate vor seinem Verschwinden Gelder in Millionenhöhe ins Ausland verbracht, sei unzutreffend und durch den Schuldspruch im Strafverfahren nicht gedeckt. Dazu ist zu erwägen:

Die Beklagte zieht die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats (JBl 1998, 55 = MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K.; K; MR 1998, 126 - Ing.P. [Korn]; ÖBl 1999, 56 - krankenhausreif geprügelt

ua) nicht in Zweifel, wonach bei Auslegung des § 78 UrhG die im MedG zum Ausdruck gekommenen Wertungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen sind und die Verletzung der Unschuldsvermutung die berechtigten Interessen im Sinne des § 78 UrhG beeinträchtigt. Die Verletzung der Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK) verstößt nämlich gegen § 7b MedG: Wird in einem Medium eine Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig, aber nicht rechtskräftig verurteilt ist, als überführt oder schuldig hingestellt oder als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet, so steht dem Betroffenen - außer in den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen des § 7b Abs 2 MedG - gegen den Medieninhaber (Verleger) nach § 7b Abs 1 MedG ein Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung zu.

Die Grundsätze dieser Rechtsprechung haben auch dann zu gelten, wenn

eine Person - wie hier der Kläger - wegen bestimmter Straftaten

rechtskräftig verurteilt worden ist, ihr Bildnis ohne ihre Zustimmung

aber im Zusammenhang mit dem unberechtigten Vorwurf, auch noch

weitere Straftaten begangen zu haben, veröffentlicht wird. Eine

strafrechtliche Verurteilung führt nämlich noch nicht dazu, dass der

Verurteilte damit auch seiner Rechte nach § 78 UrhG in jenem Bereich

verlustig ginge, der von der Verurteilung nicht betroffenen ist.

Ob ein Text die Unschuldsvermutung verletzt, ist nach dem Gesamteindruck zu beurteilen. Dabei ist maßgebend, ob der Leser den Eindruck gewinnt, der Abgebildete habe die ihm angelasteten Handlungen tatsächlich begangen (JBl 1998, 55 = MR 1997, 302 = ÖBl 1998, 88 - Ernestine K.). Nach der Lehre und ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 1330 ABGB ist die Haftung des Täters auch dann zu bejahen, wenn die ehrenrührige Äußerung in Verdachts- oder Vermutungsform erfolgte (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 58; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 14 zu § 1330 ABGB; SZ 27/298; ÖBl 1980, 130 - Baum-Guerilla; MR 1991, 235 - Parteienfinanzierung; ÖBl 1992, 213 - Untersuchungsausschuss Magdalen; SZ 69/113; 6 Ob 218/98x; 6 Ob 25/99s uva), weil der Ehrenschutz nicht durch geschickte Formulierungen des Täters verhindert werden soll. Für den Bildnisschutz im Zusammenhang mit einer Textberichterstattung kann nichts anderes gelten.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte gar nicht behauptet, dass der Kläger im Verdacht stünde, auch noch weitere Straftaten als jene begangen zu haben, derentwegen er rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach dem Gesamteindruck der beanstandeten Textpassagen steht der Kläger aber nicht bloß im Verdacht, jene Handlungen begangen zu haben, die ihm in dem - der Berichterstattung nachfolgenden - Strafurteil zur Last gelegt wurden. Der Leser gewinnt vielmehr die Überzeugung, der Kläger habe darüber hinaus jahrelang Bilanzen frisiert, Saldenbestätigungen gefälscht, nicht vorhandene Guthaben vorgetäuscht, seit 1992 600 Millionen S veruntreut und schon Monate vor seinem Verschwinden 320 Millionen S Anlegergelder auf ausländische Privatkonten verschoben. Indem der Kläger auf diese Weise tatsachenwidrig als solcher Straftaten überführt hingestellt wird, die nicht Gegenstand des später gegen ihn ergangenen rechtskräftigen Strafurteils sind, hat die Beklagte die Unschuldsvermutung verletzt. Damit hat sie auch die berechtigten Interessen des Klägers im Sinne des § 78 UrhG beeinträchtigt, weil Bilder des Klägers (auch) dem beanstandeten Text zugeordnet werden. Diese Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Klägers kann auch nicht durch ein von der Beklagten behauptetes Informationsinteresse aufgewogen werden, weil an tatsachenwidriger, die Unschuldsvermutung verletzender Information kein schützenswertes Interesse besteht.

Nicht geteilt werden kann die Auffassung des Rekursgerichts, die Wiederholungsgefahr sei mit Rechtkraft des Strafurteils weggefallen. Die Frage der Wiederholungsgefahr bei Unterlassungsansprüchen nach dem UrhG ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie im Verfahren nach dem UWG (SZ 63/75; ÖBl 1991, 137 - Udo Proksch mwN; MR 1999, 27 - Unisono ua). Auch hier darf bei der Annahme von Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden; vielmehr ist eine solche Gefahr schon bei einem einmaligen Gesetzesverstoß anzunehmen, wenn nicht das Verhalten des Beklagten nach der Beanstandung eine ernstliche Willensänderung erkennen läßt (SZ 51/167 = ÖBl 1979,51 - Betriebsmusik; ÖBl 1984,28 - Rezeptschwindelaffäre; ÖBl 1991, 137 - Udo Proksch). Hat daher die Beklagte schon einmal rechtsverletzend gehandelt, indem sie Lichtbilder des Klägers gemeinsam mit einem die Unschuldsvermutung verletzenden Begleittext veröffentlichte, muss sie, weil die Handlung selbst nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, in anderer Weise überzeugend dartun, dass sie eine gleichartige Handlung in Zukunft nicht mehr wiederholen werde; sie hat dazu aber nichts vorgebracht.

Das Unterlassungsgebot nach § 78 UrhG hat sich nach stRsp an der konkreten Verletzungshandlung zu orientieren (MR 1995, 229 - Janusgesicht ua). Der Kläger hat nur Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen, die vom Beklagten oder einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen worden sind oder drohend bevorstehen. Auf den im Begleittext zu einer Bildnisveröffentlichung enthaltenen abträglichen Sinngehalt muss im Unterlassungsbegehren hinlänglich deutlich Bezug genommen werden (MR 1997, 208 - Anschein der Bevorzugung).

Das geltend gemachte Unterlassungsgebot erweist sich im Lichte dieser Rechtsprechung nur insoweit berechtigt, als im Begleittext zu Unrecht Vorwürfe konkreter strafbarer Handlungen gegen den Kläger erhoben worden sind. Das unter a) dargestellte Unterlassungsgebot erweist sich daher in seiner Formulierung als zu weit und war auf das Verbot der konkret erfolgten Verstöße gegen § 78 UrhG sowie gleichartiger Handlungen zu beschränken.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist mit dem ersten Punkt seines Unterlassungsbegehrens (bewertet mit 450.000 S) nur in eingeschränktem Umfang durchgedrungen; Obsiegen und Unterliegen in diesem Punkt sind mangels anderer Anhaltspunkte mit je der Hälfte zu bewerten. Mit dem weiteren Unterlassungsbegehren (bewertet mit 50.000 S) hat der Kläger zur Gänze obsiegt, weshalb seine Obsiegensquote insgesamt 55% beträgt.

Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung wurde der Kanzlei des Beklagtenvertreters am 20. 1. 2000 zugestellt. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beträgt 14 Tage (§ 402 Abs 3 EO); sie endete daher mit Ablauf des 3. 2. 2000. Der am 17. 2. 2000 zur Post gegebener Schriftsatz der Beklagten ist daher verspätet.

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