OGH 2Ob336/98w

OGH2Ob336/98w22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert & Partner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Reinhalteverband Großraum Salzburg Stadt und Umlandgemeinden, 5101 Berheim, Aupoint 15, vertreten durch Dr. Peter Raits & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 3,899.472,83 s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14. September 1998, GZ 3 R 138/98d-74, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. April 1998, GZ 1 Cg 77/93b-68 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 25.844 (darin S 4.307,33 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei führte nach einer von der beklagten Partei durchgeführten Ausschreibung als Billigstbieterin im Auftrag der klagenden Partei Bauleistungen für die Baulose "VS 2/9-Glanspitz (Verbandssammler)" und "VS 3/5-Sohlstufendüker" aus. Die in der Leistungsbeschreibung für das Baulos 3/5 (Sohlstufendüker) enthaltene Leistungsgruppe 05 (LG 05) enthält eine beim Baulos 2/9 (Verbandssammler) nicht ausdrücklich vorgesehene Position 0508 "Sonderposition Rammerschwernis". Diese Position bot die klagende Partei für das Baulos 3/5 (Sohlstufendüker) für die in der Ausschreibung vorgesehene Menge von 20 lfm mit dem Einheitspreis 5.040 pro lfm Wandlänge an. In den für beide Bauvorhaben gültigen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis wurde zur Leistungsgruppe 05 angeführt, dass die Positionen im Leistungsverzeichnis für die einzelnen Baulose jeweils austausch- bzw anwendbar sind. Nach den nach Beginn der Bauarbeiten beim Baulos 2/9 (Verbandssammler) Rammerschwernisse im größeren Ausmaß auftraten, hat die beklagte Partei unter Berufung auf die ÖNORM B 2110 versucht, eine neue Abrechnungsmodalität für die Rammerschwernisse im Baulos 2/9 (Verbandssammler) bzw eine Festlegung neuer Preise zu erwirken. Die klagende Partei hat die Festlegung neuer Preise und die Vereinbarung einer gesonderten Abrechnungsmodalität abgelehnt und die aufgetretenen Rammerschwernisse im Baulos 2/9 (Verbandssammler) mit der Leistungsposition 0508 und Berufung auf die in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis vorgesehene Austauschbarkeit von Leistungspositionen zu einem Einheitspreis von S 5.040 pro lfm abgerechnet.

Die klagende Partei begehrt für zuletzt insgesamt 794,84 lfm Rammerschwernisse beim Baulos 2/9 (Verbandssammler) unter Berücksichtigung einer Zahlung der beklagten Partei von S 907.790,50 einen restlichen Werklohn von S 3,899.472,83 (inklusive 20 % USt). Sie habe der beklagten Partei vor Auftragserteilung die Kalkulationsgrundlagen für den Einheitspreis von S 5.040 pro lfm über die Rammerschwernisse offengelegt. Diese Kalkulationsgrundlagen seien von der beklagten Partei akzeptiert worden. Die tatsächlich aufgetretenen Rammerschwernisse im Baulos 2/9 (Verbandssammler) seien für einschlägig Berufserfahrene vorhersehbar gewesen. Durch die Rammerschwernisse habe die kalkulierte tägliche Verlegeleistung nicht eingehalten werden können. Dadurch habe sich die Bauzeit insgesamt verlängert. Der Zeitverlust habe nur durch die Verwendung von Kunststoffrohren kompensiert werden können, die Mehrkosten in Höhe von S 1,000.000 gegen den über ursprünglich vorgesehenen Stahlbetonrohren verursacht hätten. Bei Verwendung von Stahlbetonrohren wäre die Bauzeit um mehr als 27 Tage überschritten worden, wodurch der klagenden Partei Mehrkosten von rund 6,5 Mio entstanden wären. Durch die Mengenänderung habe sich im vorliegenden Fall der Einheitspreis kalkulationsmäßig nicht geändert. Die Schlussrechnung vom 1. 10. 1992 sei von den durch die beklagte Partei bestellten Ingenieurkonsulenten Dipl. Ing. Schüffl und Dipl. Ing. Forsthuber am 9. 12. 1992 geprüft und vertragsgemäß nach 24 Tagen, somit am 3. 1. 1993 zur Zahlung fällig geworden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Bei Baulos 2/9 (Verbandssammler) sei zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht damit gerechnet worden, dass Rammerschwernisse auftreten würden. Kurz nach Baubeginn dieses Bauloses sei auf Grund aufgetretener Aushub- und Rammhindernisse erkennbar gewesen, dass der Gesamtpreis der Leistungsgruppe "Baugrubensicherung" um mehr als 20 % überschritten werde. Die beklagte Partei habe daher in Übereinstimmung mit den vertraglich vereinbarten Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 die Festlegung neuer Preise verlangt. Die klagende Partei habe eine der vereinbarten ÖNORM B 2061 entsprechenden und überprüfbare Aufgliederung der Einheits- und Pauschalpreise nicht vorgenommen. Durch die Massenmehrung sei eine erhebliche Reduktion des Preises für Rammerschwernisse gerechtfertigt. Eine allfällige Forderung der klagenden Partei sei noch nicht fällig, weil die klagende Partei ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Aufgliederung des Einheitspreises nicht nachgekommen sei.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 631.627,10 samt 5 % Zinsen seit dem 23. 1. 1996. Das Mehrbegehren zur Zahlung weiterer S 3,267.845,70 und das Zinsenmehrbegehren wies es ab.

Es traf die nachstehenden - vom Berufungsgericht übernommenen und zusammengefassten - Feststellungen:

In den bei beiden Bauvorhaben vereinbarten Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis wurde die Anforderung an die klagende Partei formuliert, dass "die Forderung einer seriösen Kalkulation ... nur bei einer Kalkulation nach ÖNORM B 2061 erfüllt sei. Es bestehe daher die Verpflichtung, jeden Einzelpreis angemessen zu gestalten. Punkt 5.8. der Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis enthalte den Hinweis, es sei nicht auszuschließen, dass alte Flussverbauungen bzw Sicherungen angetroffen würden. Unter Punkt 6.3. der Vorbemerkungen sei vorgesehen, dass vom Auftragnehmer mit dem Auftraggeber ein verbindlicher Bauzeitplan abzustimmen sei.". Die klagende Partei hatte vor schriftlicher Auftragserteilung über Anforderung des Dipl. Ing. Forsthuber (ein von der beklagten Partei bestellter Ingenieurkonsulent) bei einer Besprechung am 7. 7. 1991 Kalkulationseckdaten auch für die Leistungsposition 0508 offengelegt, aus der sich jedoch lediglich zwei Anteile des angebotenen Einheitspreises von S 5.040 pro lfm Wandlänge ergaben. Die klagende Partei hat sich für die streitgegenständlichen Bauleistungen eines Subunternehmers bedient, der ihr einen Einheitspreis von S 4.500 pro lfm angeboten hatte. Für beide Vertragsparteien war das tatsächliche Ausmaß der im Baulos 2/9 (Verbandssammler) aufgetretenen Rammerschwernisse nicht voraussehbar. Durch die Rammerschwernis trat keine Verlängerung der vertraglich vereinbarten Bauzeit ein. Die Verwendung von Kunststoffrohren anstelle von Stahlbetonrohren wurde nicht durch eine Verlängerung der für das Graben der Künette aufwendeten Zeit verursacht, sondern dadurch, dass die von der klagenden Partei zunächst vorgesehenen und auch an die Baustelle angelieferten Rohre nicht der ausgeschriebenen Qualität entsprachen. Der klagenden Partei wurde freigestellt, Kunststoffrohre zu verwenden, wenn der beklagten Partei daraus keine Mehrkosten erwüchsen. Der Einsatz der Kunststoffrohre erfolgte über Wunsch der klagenden Partei, weil es ihr nicht möglich war, innerhalb des vorgegebenen Bauzeitplanes andere Stahlbetonrohre zeitgerecht zu beschaffen und einzubauen. Insgesamt traten im Baulos 2/9 (Verbandssammler) über eine Strecke von 610,88 lfm Rammerschwernisse auf. Ein kalkulationsmäßig begründeter Einheitspreis "Rammerschwernis" entsprechend der Leistungsposition 0508 der vertraglich vereinbarten Leistungsbeschreibung beträgt rund S 2.100 je lfm (ohne USt). Beim Baulos 2/9 wurden 20 % des im Vertrag für diese Leistungsgruppe festgelegten Preises nach einer Spundwandlänge von 83,51 lfm erreicht.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers nur dann beachtlich seien, wenn diese Kalkulation zum Inhalt des Rechtgeschäftes gemacht worden sei und die Kalkulation nicht nur offengelegt, sondern darüberhinaus ein Einvernehmen darüber erzielt worden sei, dass das Geschäft auf dieser Basis erfolgen solle. Die "Kalkulationseckdaten" der klagenden Partei seien kein Bestandteil des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Werkvertrages geworden, weshalb insofern kein Rechtsgrund für den Entgeltanspruch der klagenden Partei bestehe. Da festgestellt worden sei, dass weder durch die beklagte Partei noch durch die klagende Partei eine Baugrundprüfung der Künettentrasse im Baulos 2/9 vorgenommen werden sollte, die Subunternehmerin der klagenden Partei mit den örtlichen Untergrundverhältnissen im Großraum Salzburg in besonderer Weise vertraut gewesen sei und in den von der beklagten Partei beigestellten Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses eindeutige Hinweise darauf bestanden hätten, dass mit Rammerschwernissen in Form alter Flussverbauungen, Sicherungen und ähnlichem gerechnet werden müsse, stehe fest, dass für die Durchführung der Werkleistung das Baugrundrisiko allein auf seiten der klagenden Partei als Auftragnehmerin gelegen sei. Die beklagte Partei treffe daher keine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit Art und Umfang der Rammerschwernisse. Vielmehr wäre die klagende Partei verpflichtet gewesen, die beklagte Partei schon vor Anbotlegung zu warnen, dass auch für das Baulos 2/9 (Verbandssammler) eine entsprechende Sonderposition "Rammerschwernisse" anzusetzen sei. Ein schadenersatzrechtlich begründeter Entgeltanspruch der klagenden Partei scheide daher aus. Auf Grund des Hinweises in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis zur Leistungsgruppe 05 stehe fest, dass das Beseitigen von Rammerschwernissen nach der Leistungsposition 0508 auch im Baulos 2/9 (Verbandssammler) Bestandteil der vereinbarten Werkleistung geworden sei. Es stehe weiters fest, dass ausschließlich die Quantität eines Teils der Werkleistung, nämlich die Menge der Rammerschwernisse nach lfm Wandlänge, Einfluss auf die Entgeltlichkeit dieses Werkleistungsteils habe. Auf Grund der Abweichungen der Mengen der vereinbarten Leistungsposition "Rammerschwernisse" von den tatsächlich ausgeführten Mengen, habe daher Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 in der vereinbarten Fassung zur Anwendung zu kommen. Danach sei der Auftragnehmer verpflichtet, dem Auftraggeber neue kalkulationsmäßig begründete Einheitspreise anzubieten, wenn infolge der Änderungen der Mengen der vereinbarten Leistung der Preis von Gruppen gleicher Art und Preisbildung um mehr als 20 % von dem im Vertrag festgelegten Preis nach oben oder nach unten abweiche. Dieser Fall sei eingetreten. Die klagende Partei sei daher nach Aufforderung verpflichtet gewesen, kalkulationsmäßig begründete neue Einheitspreise für die Position 0508 anzubieten. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, könne der Entgeltsanspruch für den im Baulos 2/9 erbrachten Werkleistungen dem Grunde nach so lange nicht entstanden sein, als der beklagten Partei nicht ein entsprechender kalkulationsmäßig begründeter neuer Einheitspreis bekannt worden sei. Dies sei erst zum Zeitpunkt der Zustellung des Ergänzungsgutachtens des gerichtlichen Sachverständigen DI Felber am 9. 1. 1996 eingetreten, weshalb nach § 904 Satz 1 ABGB der Entgeltsanspruch der klagenden Partei aus dieser Leistungsposition erst am 23. 1. 1996 zur Zahlung fällig geworden sei. Aus dem Wortlaut der Vertragsklausel ergebe sich, dass bei Überschreitung der 20 % Grenze nicht nur der 120 % des Leistungsgruppenpreises übersteigende Teil dieser Werkleistung mit dem kalkulationsmäßig begründeten angemessenen Einheitspreis, sondern die gesamte Leistung mit diesem Einheitspreis von S 2.100 (ohne USt) pro lfm abzurechnen sei. Bei einer Spundwandlänge von 610,88 lfm ergebe dies einen Entgeltsanspruch der klagenden Partei aus der Position 0508 für das Baulos 2/9 (Verbandssammler) von S 1,282.848 (ohne USt) unter Berücksichtigung der 20 %igen Mehrwertsteuer und der Zahlung der beklagten Partei von S 907.790,50 ergebe sich ein Zuspruch von S 631.627,10.

In der dagegen erhobenen Berufung lässt die klagende Partei das Urteil hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von S 1,112.661,10 ausdrücklich unbekämpft. Bekämpft wird die Abweisung eines Teilbetrages von S 2,155.184,60. In der dazu bezughabenden Berechnung führt die klagende Partei aus, dass ihr an Mehrkosten für Rammerschwernisse (inklusive USt) S 3,694.602,20 zustünden, wovon die unbestrittene Zahlung von S 907.790,50 und der erstinstanzliche Zuspruch von S 631.627,10 abzuziehen sei, woraus sich der Berufungsstreitwert von S 2,155.184, 60 ergebe. Im Berufungsantrag (AS 93 Bd II) wird allerdings beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren "abzuweisen".

Die beklagte Partei verweist in ihrer Berufungsbeantwortung darauf, dass nach dem (offensichtlich irrtümlichen) Berufungsantrag das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden solle und beantragte der Berufung nicht Folge zu geben.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 14. 9. 1998 hielt das Berufungsgericht fest, dass die klagende Partei wie in ihrer Berufungsschrift vortrage und den dort enthaltenen Antrag stelle. Dazu wurde festgehalten: "Seite 8 der Berufung wird hinsichtlich der Zinsen ausgedehnt auf den 3. 1. 1993 sowohl hinsichtlich des zugesprochenen Betrages als auch des bekämpften Betrages". Zum Vorbringen der beklagten Partei hielt das Berufungsgericht fest, dass der Beklagtenvertreter seine Ausführungen (der Berufung keine Folge zu geben) dahin ergänze, dass "die Änderung der Preise begründet gewesen war, weil anders ausgeführt wurde sei als der Kalkulation zu Grunde gelegt."

In der Folge wurde im Protokoll folgendes festgehalten:

"Verlesen wird das Gutachten ON 53 Dr. Oberndorf und die Erörterung dieses Gutachtens S 586 f bis 596 sowie ON 65. Die Parteien sind mit dieser Verlesung nach Hinweis auf § 488 Abs 4 ZPO einverstanden."

Das Berufungsgericht übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes und gab der Berufung der klagenden Partei insoweit statt, als es (unter Einschluss des bereits zugesprochenen Betrages) von S 631.627,10 insgesamt einen Betrag von S 2,786.811,70 samt 5 % Zinsen seit 3. 2. 1993 zusprach. Es erklärte, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich erörterte das Berufungsgericht, dass nach Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 über Verlangen des Auftraggebers oder Auftragnehmers bei durch Mengenänderungen bedingten Abweichungen des Preises von Gruppen gleicher Art und Preisbildung um mehr als 20 % neue Einheitspreise dann zu vereinbaren seien, wenn ihre Änderung kalkulationsmäßig begründet sei. Diese Bestimmung könne nur dahin verstanden werden, dass eine neue Festsetzung des Preises möglich sei, wenn sich allein durch die Änderung der Mengen auch Kostenfaktoren änderten, welche der Kalkulation zugrunde gelegt seien. Die sogenannte "20 % Klausel" sei nicht dazu da, das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das die Vertragspartner als aus ihrer Sicht ausgewogen vertraglich festgeschrieben hätten, bei größeren Mengenabweichungen zu ändern. Die Bestimmung sei auch grundsätzlich nicht geeignet, eine Ungleichwertigkeit des Leistungsaustausches, die schon mit dem Vertragsabschluss begründet worden sei, nachträglich zu korrigieren. Die klagende Partei habe auf diese Voraussetzung der Anwendung der ÖNORM Bestimmung ausdrücklich hingewiesen und sinngemäß vorgebracht, dass sich die Kostenkomponenten des im Leistungsverzeichnis ausgewiesenen Einheitspreises durch die Mengenänderung nicht verändert hätten. Auch die beklagte Partei gehe in ihrem Vorbringen davon aus, dass eine Neufestsetzung des Preises eine Änderung der Preisanteile als Folge der veränderten Menge voraussetze. Das Erstgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich allein durch die Mengenänderung auch Kostenfaktoren geändert hätten. Der Sachverständige Dr. Oberndorfer habe aber in seinem schriftlichen Gutachten ON 53 zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen und unter anderem ausgeführt, dass Baustellengemeinkosten und sonstige einmalige Kosten im vorliegenden Fall keine Änderung der ausgeschriebenen Position "Rammerschwernisse" ergeben könnten, weil diese Kosten in eigens dafür ausgeschriebenen Positionen vergütet worden seien. Durch die bloße Tatsache der Mengenmehrung seien die Einzelkosten der gegenständlichen Teilleistung (= Rammerschwernisse) nicht verändert worden. Eine kalkulative d.h. eine aus der bloßen Mengenmehrung heraus abzuleitende Begründung für eine Neufestsetzung des vertraglichen Einheitspreises von S 5.040 pro lfm existiere daher nicht. Dies werde daher ergänzend festgestellt. Auf den vorliegenden Sachverhalt sei Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 nicht anwendbar. Die beklagte Partei habe daher auch bei der nicht vorhergesehenen Mengenänderung den vereinbarten Preis pro lfm Rammerschwernisse gegen sich gelten zu lassen. Dabei könne unerörtert bleiben, ob das Angebot der klagenden Partei als nicht nachvollziehbar ausscheidbar gewesen wäre. Demnach sei die klagende Partei berechtigt, für die nicht mehr strittige Länge der Rammerschwernisse im Ausmaß von 610,88 lfm den vereinbarten Preis von S 5.040 zuzüglich USt zu verlangen. Zur Fälligkeit der Forderung führte das Berufungsgericht aus, dass die beklagte Partei dem Tatsachenvorbringen der klagenden Partei (24 Tage nach der Schlussrechnung am 9. 12. 1992) lediglich insofern entgegengetreten sei, als sie sich berechtigt gefühlt habe, gemäß ÖNORM B 2110 eine Neufestsetzung des Preises verlangen zu können. Es seien daher entsprechende Klagebegehrenzinsen ab 3. 2. 1993 zuzusprechen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Auslegung von Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, unvollständiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit der Revisionswerber weitere Feststellungen aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Oberndorfer begehrt, ist darauf zu verweisen, dass es hier um eine Rechtsmeinung des Sachverständigen handelt.

Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Punkt 2.9. der ÖNORM B 2110 in der hier anzuwendenden Fassung vom 1. 1. 1986 hatte folgenden Wortlaut:

"Weicht infolge von Änderungen der Mengen der vereinbarten Leistung der Preis von Gruppen gleicher Art und Preisbildung um mehr als 20 % von dem im Vertrag festgelegten Preis nach oben oder unten ab, so sind über Verlangen des Auftraggebers oder Auftragnehmers neue Einheitspreise zu vereinbaren, vorausgesetzt, dass ihre Änderung kalkulationsmäßig begründet ist."

Die seit 1. 3. 1995 geltende ÖNORM B 2110 lautet in Punkt 2.23.6.:

"Änderungen von Mengen infolge Abweichungen von den vorgesehenen Mengen:

Beeinflusst bei Leistungen, die nach Einheitspreisen abgerechnet werden, eine Abweichung der abzurechnenden Menge von den im Vertrag angegebenen Mengen die Kosten der zu erbringenden Leistungen oder von Leistungsgruppen, so sind über Verlangen eines Vertragspartners neue Preise zu vereinbaren, wenn

1. dies kalkulatiosmäßig begründet ist und

2. die Abweichung vom Preis von Leistungsgruppen um mehr als 20 % oder den Gesamtpreis um mehr als 10 % nach oben oder nach unten ändert.

Dieses Verlangen ist im Grunde nach am ehesten nachweislichs geltend zu machen."

Die ÖNORM B 2110 idF 1. 3. 1995 gestaltete die korrespondierende Bestimmung der Fassung 1. 1. 1986 sprachlich völlig neu, doch sollte sich am Inhalt nichts ändern (Oberndorfer, Die 20 % Klausel in der ÖNORM B 2110; Der Sachverständige H 3, 4 ff). Danach ist die 20 % Klausel dazu vorgesehen, kalkulativ begründete Änderungen von Einheitspreisen, die allein durch Mengenänderungen bedingt sind, bei sonstiger Unverändertheit der Art der Leistung und Umstände der Leistungserbringung, gegenüber dem Vertragspartner durchzusetzen. Damit fallen alle Mengenänderungen, die mit einer Änderung der Art der Leistung oder einer Änderung der Umstände der Leistungserbringung untrennbar verbunden sind, aus dem Anwendungsbereich der 20 % Klausel heraus. Dies bedeutet, dass eine (20 %) übersteigende Mengenänderung im Sinn der hier anzuwendenden Bestimmung Punkt 2.9. der B 2110 idF 1. 1. 1986 nur dann zu einer neuen Preisvereinbarung berechtigt, wenn diese Mengenänderung auch eine Änderung der Kalkulation begründet (Argument: vorausgesetzt, dass ihre Änderung kalkulationsmäßig begründet ist). Kostenänderungen dürfen daher also nur dann in die neue Preiskalkulation einfließen, wenn sie direkt durch die Mengenmehrung bedingt sind (Oberndorfer aaO S 7). Doch ist die 20 % Klausel nicht dazu da, das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das die Vertragspartner als aus ihrer Sicht ausgewogen vertraglich festgeschrieben haben, jedenfalls bei größeren Mengenabweichungen zu ändern. Sie ist auch grundsätzlich nicht geeignet, eine Ungleichwertigkeit des Leistungsaustausches, die schon mit Vertragsabschluss begründet wurde, nachträglich zu korrigieren (Oberndorfer aaO S 8). Einschränkungen hiezu ergeben sich allein aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben.

Im vorliegenden Fall besteht eine kalkulativ begründbare Notwendigkeit der Änderung des Einheitspreises (für Rammerschwernisse) nach dem Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Techn. Wolfgang Oberndorfer nicht. Damit fällt aber die Anwendbarkeit der 20 % Klausel der ÖNORM B 2110 weg. Die beklagte Partei war daher nach der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht berechtigt, eine Preisfestsetzung im Sinne dieser Bestimmung zu verlangen. Die Abrechnung angefallener Mehrmengen nach dem ursprünglich vereinbarten Preis entspricht daher der Vereinbarung der Parteien.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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