OGH 10ObS345/99d

OGH10ObS345/99d22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf und die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christoffel K*****, Kraftfahrer, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Waldbauer & Paumgarten & Naschberger Partnerschaft in Kufstein, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. August 1999, GZ 25 Rs 87/99a-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. April 1999, GZ 43 Cgs 201/96z-53, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der vom Berufungsgericht für zulässig erklärte Rekurs gegen den Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschluss ist nach § 47 Abs 2 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil ein Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen vorliegt. Er ist aber nicht berechtigt.

Die im angefochtenen Beschluss enthaltene rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz iVm § 528a ZPO). Ergänzend ist den Rechtsausführungen der beklagten Partei entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Wie im angefochtenen Beschluss richtig dargelegt wurde, muss im Zusammenhang mit der Prüfung der Verweisbarkeit eines Versicherten nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG unterschieden werden, ob ein Berufsschutz im Sinne eines gelernten oder angelernten Berufes erst zu erwerben ist oder ob ein bereits erworbener Berufsschutz durch später ausgeübte Teiltätigkeit weiterhin erhalten bleibt.

Nach den Feststellungen sind sowohl das Erstgericht wie auch das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger, der im Ausland den Beruf des Kraftfahrers erlernt hat, infolge Gleichsetzung der dort abgelegten Prüfung mit der Lehrabschlussprüfung im österreichischen Lehrberuf Berufskraftfahrer als solcher Berufsschutz erworben hat (vgl SSV-NF 5/99, 12/12; 10 ObS 71/99k). In der vom Erstgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 39/94 (SSV-NF 8/17) ging es ebenso wie in der E SSV-NF 12/5 ausschließlich um den Erwerb des Berufsschutzes. Der Senat führte in der zuletzt genannten Entscheidung unter anderem aus: Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei der Berufsschutz nicht erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte alle Kenntnisse und Fähigkeiten besitze, die nach den Ausbildungsvorschriften (hier:

Ausbildungsverordnung BGBl 1995/902; gleichermaßen auch die hiedurch aufgehobenen Verordnungen BGBl 1987/396 und 1992/508) zum Berufsbild des Lehrberufes zählten und daher einem Lehrling während der Lehrzeit zu vermitteln seien. Es komme vielmehr darauf an, dass er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, die üblicherweise von Ausgelernten (etwa Facharbeitern) des jeweiligen Berufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betrieblichen Einschulungszeit verlangt werden. Es reiche allerdings nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches beschränkten, der von Ausgelernten (Facharbeitern) allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht werde (SSV-NF 2/78, 3/70, 10 ObS 301/97f). Das Fehlen von einzelnen, nicht zentralen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Lehrberufes stehe dagegen der Annahme des Berufsschutzes nicht entgegen. ..... Ein Versicherter genieße dann keinen Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer, wenn er die am Berufsbild des Lehrberufes eines Berufskraftfahrers entsprechend der Ausbildungsverordnung zu messenden üblicherweise und allgemein beherrschten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zu erfüllen vermöge. Dabei komme es in erster Linie darauf an, was von gelernten Arbeitern am Arbeitsmarkt üblicherweise verlangt werde. Die Feststellungen reichten nicht aus, um beurteilten zu können, ob der Versicherte Berufsschutz als angelernter Kraftfahrer erworben habe.

Bereits in der E SSV-NF 4/80 hat der Senat aber ausgesprochen, dass auch bei einem erlernten oder angelernten Beruf der einmal erworbene Berufsschutz erhalten bleibt, wenn sich die Tätigkeit später zwar inhaltlich ändert, in ihrer Gesamtheit aber noch als Ausübung des angelernten Berufes anzusehen ist. Deshalb darf auch ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, nicht auf Teiltätigkeiten dieses Berufes verwiesen werden, bei deren Ausübung er diesen Berufsschutz verlieren würde (stRspr seit SSV-NF 3/29 = SZ 62/37). Hingegen vermag die Ausübung einer Teiltätigkeit des erlernten oder angelernten Berufes, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, einen vorher bestandenen Berufsschutz nicht aufrecht zu erhalten (SSV-NF 9/40 ua). Für die Erhaltung des Berufsschutzes ist entscheidend, ob ein "Kernbereich" der Ausbildung auch bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden muss (SSV-NF 12/47: Servieren von Speisen und Getränken als Haupttätigkeit eines Kellners). Die Tätigkeit eines Tankwartes an einer Bedienungstankstelle wurde dagegen für ungeeignet gehalten, den Berufsschutz eines Kraftfahrzeugmechanikers zu bewahren (10 ObS 411/98h - ARD 5061/13/99).

Im Fall des Klägers, der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend, das heißt in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG als Kraftfahrer, vor allem Buslenker tätig war, ist der Rechtsansicht der zweiten Instanz beizustimmen, dass diese Teiltätigkeit zum "Kernbereich" der Tätigkeit eines Berufskraftfahrers gehört, die zwar allein nicht ausreichen würde, den Berufsschutz zu erwerben, durch die aber der bereits erworbene Berufsschutz nicht verloren geht, weil sie nicht als bloß "untergeordnet" angesehen werden kann. Der Senat hat in einem anderen Fall übrigens - wenn auch dort ohne ausdrückliche Prüfung der Bewahrung des Berufsschutzes - die Verweisung eines Berufskraftfahrers auf die Tätigkeiten eines Fahrers von Dienstpersonenkraftwagen und eines Direktionschauffeurs nicht beanstandet (10 ObS 205/97p - unveröffentlicht). Die von der Rekurswerberin zitierte E 10 ObS 2146/96b (unveröffentlicht) ging ebenfalls davon aus, dass nur die Ausübung einer Teiltätigkeit, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, einen vorher bestehenden Berufsschutz nicht aufrecht zu erhalten vermag; im Übrigen betraf sie aber einen völlig anderen Sachverhalt und insbesondere nicht den Beruf eines Kraftfahrers. In der Entscheidung des Senates vom 9. 11. 1999, 10 ObS 290/99s, wurde dem Erstgericht im fortgesetzten Verfahren aber auch aufgetragen, gegebenenfalls weiters zu prüfen, ob nicht noch andere einschlägige, wenn auch nicht unmittelbar mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbundene Verweisungsberufe, wie beispielsweise der Fuhrparkleiter, für den Kläger in Betracht kämen.

Zusammenfassend erweist sich, dass das Berufungsgericht in richtiger rechtlicher Beurteilung die Frage der Verweisbarkeit des Klägers im Rahmen des erlernten Berufes für noch aufklärungsbedürftig angesehen hat. Dem Rekurs der beklagten Partei kann daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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