OGH 10Ob371/99b

OGH10Ob371/99b25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Arnold N*****, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und Dr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ilse N*****, vertreten durch Dr. Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 1999, GZ 44 R 778/99h-33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Dass im vorliegenden Fall nach den Bestimmungen der §§ 18 und 20 IPRG grundsätzlich die Bestimmungen des BGB für die Beurteilung des Scheidungsbegehrens heranzuziehen sind, ist zwischen den Parteien nicht strittig (vgl auch ZfRV 1992, 236 mit Anmerkung ua).

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Rechtliche Beurteilung

Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des anzuwendenden fremden Rechts reicht für die Annahme einer qualifizierten Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aus (RZ 1984/88; IPRE 2/12; ZfRV 1992/32, 309 ua). Der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes kommt nämlich für die Anwendung fremden Rechts in dessen ursprünglichen Geltungsbereich im Regelfall keinerlei Bedeutung zu; für die Rechtsanwendung des fremden Rechts in dessen ursprünglichen Geltungsbereich fehlt es der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes daher an der in § 502 Abs 1 ZPO zugrunde gelegten Leitfunktion. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn gegen Rechtsanwendungsgrundsätze des § 3 IPRG verstoßen und bei der Entscheidung des Rechtsstreites durch die inländischen Gerichte eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt wurde (NRsp 1994/103; ZfRV 1994/33, 158; RIS-Justiz RS0042940; RS0042948 mwN uva). Die Revisionswerberin vermag nicht aufzuzeigen, inwieweit die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht von einer gefestigten Rechtsanwendung im fremden Staat abgewichen wäre.

Nach § 1565 Abs 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht mehr erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Gemäß § 1566 Abs 2 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. Was unter Getrenntleben zu verstehen ist, wird in § 1567 BGB für das Scheidungsrecht in einer Legaldefinition festgelegt. Danach leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung ausgeführt, dass somit zum Getrenntleben neben der objektiven Trennung auch gehört, dass ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Es kommt somit nicht auf das Fehlen einer ehelichen Gesinnung eines Ehegatten sondern vielmehr darauf an, ob ein Ehegatte aus freiwilligem Entschluss eine Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnt (Wolf in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3 Bd 7 Rz 34 ff zu § 1567; Palandt, BGB58 Rz 7 f zu § 1567; Jaeger in Johannsen/Henrich, Eherecht3 Rz 10 f zu § 1567 mwN ua). Auch derjenige Ehegatte, der die räumliche Trennung durchführt, weil oder obwohl er sich noch im Unklaren über seine eheliche Bindung und unschlüssig über sein weiteres die Ehe betreffendes Verhalten ist, lebt während dieser selbst gewählten Bedenkzeit im Rechtssinne getrennt vom Partner. Er lehnt zwar nicht im strengen Sinne des Wortes die eheliche Lebensgemeinschaft - vorbehaltlos - ab, aber er lehnt derzeit die Fortsetzung der bisherigen ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Dies reicht nach § 1567 Abs 1 Satz 1 BGB für ein Getrenntleben der Ehegatten aus (vgl Jaeger aaO).

In der Annahme der Vorinstanzen, der Kläger habe nach den getroffenen Feststellungen seit dem Jahr 1993 eine Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft abgelehnt, kann keine gegen die Rechtssicherheit verstoßende Fehlbeurteilung nach dem maßgebenden fremden Recht erblickt werden. Die in der Revision bekämpfte rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass auch in der Äußerung des Klägers im September 1997, er wolle einen Neuanfang mit einer christlichen Trauung versuchen, doch müsse sich die Revisionswerberin in Zukunft an gewisse erörterte und schriftlich festgehaltene Bedingungen halten, letztlich kein Abgehen von seiner Ablehnung der Fortsetzung der bisherigen ehelichen Lebensgemeinschaft zu erblicken sein, weil es zu diesem Neuanfang tatsächlich nicht gekommen sei und die vom Kläger dafür gesetzten Bedingungen offenbar nicht erfüllt worden seien, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab, sodass auch in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird.

Die nach § 502 Abs 1 ZPO unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.

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