OGH 4Ob336/99m

OGH4Ob336/99m18.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Arch. Dipl.-Ing. Gerhard S*****, 2. Dipl.-Ing. Heinz L*****, beide vertreten durch Gehmacher & Hüttinger Partnerschaft, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zumtobel und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Kläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. Oktober 1999, GZ 3 R 177/99s-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 25. August 1999, GZ 13 Cg 70/99w-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Architekten. Sie haben im Auftrag der K*****gmbH für die Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** H*****, ein Wohnbauprojekt ausgearbeitet. Ihr Entwurf wurde vom Gestaltungsbeirat der Landeshauptstadt Salzburg befürwortet und war Grundlage des vom Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg im Jahr 1996 erlassenen Bebauungsplans.

In der Folge erwarb nicht die K*****gmbH die Liegenschaft, sondern die Beklagte. Die Beklagte beauftragte das Architekturbüro H*****, ein Projekt auszuarbeiten. Während die Kläger das annähernd trapezförmige Hanggrundstück mit fünf Gebäuden bebauen wollten, sieht das von der Beklagten in Auftrag gegebene Projekt acht, allerdings kleinere Einheiten vor. Von beiden Wohnbauprojekten wurden Modelle angefertigt, die nicht nur die Baukörper, sondern auch die Umgebung, den Bewuchs, die Straßen und die Lage des Grundstücks zeigten:

Modell des Projekts der Kläger:

Modell des Projekts der Beklagten:

Die Beklagte bemühte sich, ihr Projekt durchzusetzen und eine Änderung des Bebauungsplans zu erreichen. Zu diesem Zweck veranstaltete sie eine Pressekonferenz, in der sie Modelle beider Projekte präsentierte. Während sie aber für ihr Projekt das oben beschriebene Modell verwendete, ließ sie vom Projekt der Kläger ein Modell anfertigen, das nur aus den weiß gestrichenen Baukörpern auf dunklem Untergrund bestand:

Die Kläger begehren, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Modelle von Architekturprojekten der Kläger in herabsetzender Form anfertigen zu lassen und öffentlich darzustellen, insbesondere das von der Beklagten angefertigte Modell des klägerischen Projekts "Wohnanlage S***** Wanderweg". Die Beklagte hätten ihr eigenes Projekt fördern und das der Kläger schlecht machen wollen. Dazu habe sie eine abwertende Darstellung des Modells der Kläger anfertigen lassen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe die Baukörper des Modells weiß gestrichen, weil die Kläger erklärt hätten, dass eine weiße Holzschalung vorgesehen sei. Das Modell sei maßstabgetreu angefertigt worden. Der Gestaltungsbeirat habe das Modell der Beklagten nicht dem der Kläger vorgezogen. Dennoch habe der Magistrat einer Änderung des Bebauungsplans als Folge der Neuprojektierung inzwischen rechtskräftig zugestimmt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Durch die Präsentation eines grob vereinfachten Modells des Projekts der Kläger bei gleichzeitiger Präsentation des Projekts der Beklagten in Form eines detaillierten und ausgeschmückten Modells habe die Beklagte das Projekt der Kläger herabgesetzt und damit gegen § 7 UWG verstoßen. Welches der beiden Projekte "schöner" sei, sei als Geschmacksfrage der rechtlichen Beurteilung entzogen. Es stehe jedoch fest, dass die Beklagte zwei völlig unterschiedlich gestaltete Modelle einander gegenübergestellt habe. Diese Art der Darstellung sei geeignet, das Projekt der Kläger weniger attraktiv erscheinen zu lassen. Die Beurteilung der beiden Modelle durch den Gestaltungsbeirat sei ebenso unerheblich wie das Verhalten der Baubehörde. Adressat der Präsentation seien die allgemeine Öffentlichkeit und mögliche künftige Auftraggeber der Streitteile gewesen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beklagte habe zwar im geschäftlichen Verkehr und auch zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt; mit der Präsentation des Projekts der Kläger als Baumassenmodell habe sie aber keine betriebs- oder kreditgefährdenden Äußerungen über die Kläger, deren Unternehmen oder Leistungen verbreitet. Durch die Beschränkung auf die Baukörper und auf bloß zwei Farben habe sie nichts Unrichtiges behauptet, sondern das Projekt der Kläger nur "schlechter" aussehen lassen. Ob aber etwas "schlechter" oder besser aussehe, sei als Ausdruck subjektiver Meinung ein bloßes Werturteil. Die Beklagte habe auch nicht gegen § 1 UWG verstoßen. Sie habe die Leistungen der Kläger weder pauschal abgewertet noch unnötig bloßgestellt; sie habe durch die unterschiedliche Ausführung der beiden Modelle auch das Sachlichkeitsgebot nicht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Kläger bekämpfen einerseits die Auffassung des Rekursgerichts, die Präsentation eines "schlechter" aussehenden Modells sei keine Tatsachenbehauptung, andererseits weisen sie darauf hin, dass die Beklagte nicht "Gleiches mit Gleichem" verglichen habe. Sie habe ein plumpes, grob vereinfachtes und lediglich die Baumassen wiedergebendes Modell des Projekts der Kläger einem detaillierten Modell des von ihr betriebenen Projekts gegenübergestellt und damit die Grenzen eines zulässigen Werbevergleichs überschritten.

Ob die Beklagte durch einen unzulässigen Vergleich der beiden Modelle gegen § 1 UWG verstoßen hat, ist nicht zu prüfen, weil der Sicherungsantrag ein derartiges Verhalten nicht erfasst. Der Beklagten soll untersagt werden, "Modelle von Architekturprojekten der Kläger in herabsetzender Form anfertigen zu lassen und öffentlich als Modelle von Projekten der Kläger darzustellen, insbesondere ...". Dieses Begehren ist berechtigt, wenn die Beklagte durch die Gestaltung und Präsentation des Projekts der Kläger in Form eines bloßen Baumassenmodells Tatsachen verbreitet hat, die geeignet sind, den Kredit der Kläger oder ihres Unternehmens zu schädigen (§ 7 Abs 1 UWG), oder wenn sie dadurch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt hat.

Tatsachen im Sinne des § 7 Abs 1 UWG sind nach ständiger Rechtsprechung - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften eines greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalts. Werturteile geben hingegen die rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und sind daher objektiv nicht überprüfbar. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach Lehre und Rechtsprechung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung (SZ 62/208 = MR 1990, 66 = ÖBl 1990, 253 - Moderne Sklaven mwN).

Tatsachen können auch durch bildliche oder dreidimensionale Darstellungen behauptet werden. Durch ein Modell können daher Behauptungen über das zugrunde liegende Projekt aufgestellt werden. Dabei handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, wenn das Modell das Projekt unrichtig wiedergibt und die davon betroffenen Projekteigenschaften objektiv nachprüfbar sind. Hingegen liegt ein Werturteil vor, wenn das Modell die objektiven Projekteigenschaften richtig wiedergibt, aber in einer Weise gestaltet ist, dass ein bestimmter Eindruck von den ästhetischen Qualitäten des Projekts vermittelt wird.

Dies ist hier der Fall:

Durch das bloße Baumassenmodell des Projekts der Kläger entsteht der Eindruck, es sei weniger attraktiv als das Projekt der Beklagten. Ob etwas mehr oder weniger attraktiv ist, entzieht sich einer objektiven Überprüfung; das der Beklagten angelastete und vom Begehren erfasste "Anfertigen von Modellen von Architekturprojekten der Kläger in herabsetzender Form" kann daher nicht § 7 Abs 1 UWG unterstellt werden.

Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte mit der Präsentation des vereinfachten Modells gegen § 1 UWG verstoßen hat. Werden nämlich die Leistungen eines Mitbewerbers auf andere Weise als durch Behauptung unwahrer Tatsachen herabgesetzt, so kann ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegen, wie etwa bei der pauschalen Herabsetzung von Konkurrenten und deren Erzeugnissen durch Schlagworte (MR 1991, 35 = ÖBl 1991, 64 - Blättelein).

Der pauschalen Herabsetzung durch Schlagworte sind bildliche oder dreidimensionale Darstellungen gleichzuhalten, die das Erzeugnis eines Konkurrenten karikieren. Das von der Beklagten präsentierte Modell des Projekts der Kläger kommt einer Karikatur gleich, weil es dessen Baukörper durch die Farbwahl und den Verzicht auf - den Eindruck kasernartiger Gebäude mildernde - Gestaltungselemente unverhältnismäßig stark hervortreten und damit einfallslos und plump erscheinen lässt. Darin liegt die pauschale Herabsetzung des Projekts der Kläger; die Beklagte hat damit gegen § 1 UWG verstoßen, weil sie, wie das Rekursgericht ausführlich begründet, zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat.

Die Behauptung der Beklagten in der Revisionsrekursbeantwortung, nur eine Änderung des Bebauungsplanes entsprechend ihrem eigenen Projekt angestrebt zu haben, vermag die Annahme eines Handelns zu Wettbewerbszwecken nicht zu widerlegen, sondern bestätigt sie vielmehr. Durch die von ihr - durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Wege einer Pressekonferenz - angestrebte und auch erreichte Änderung des Bebauungsplans ist das Projekt der Kläger hinfällig geworden; die Änderung des Bebauungsplans hat die Beklagte nur erreicht, weil es ihr gelungen ist, den Eindruck zu erwecken, dass ihr Projekt dem der Kläger vorzuziehen sei. Ziel ihrer Kampagne musste es sein, das Projekt der Kläger unattraktiv erscheinen zu lassen, um ihr eigenes Projekt durchsetzen zu können. Ein Handeln zu Wettbewerbszwecken liegt daher unabhängig davon vor, ob die Pressekonferenz auch dazu bestimmt war, Interessenten für Eigentumswohnungen zu finden.

Ob die Kläger den Sicherungsantrag auch auf einen Urheberrechtsverstoß der Beklagten stützen könnten, kann offen bleiben, weil entsprechende Behauptungen der Kläger in erster Instanz fehlen. Ihr Rechtsmittelvorbringen verstößt insoweit gegen das Neuerungsverbot.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten der Kläger beruht auf § 393 Abs 1 EO; jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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