OGH 1Ob330/99g

OGH1Ob330/99g14.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian Alfred I*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 64.232 S sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 1999, GZ 14 R 25/99w-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Dezember 1998, GZ 32 Cg 3/98s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.059,20 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 64.232 S sA und brachte vor, er habe als Strafgefangener seit 1994 einen Anspruch auf Arbeitsentgelt nach dem Kollektivvertrag für Metallarbeiter gehabt. Dieser Kollektivvertrag regle nicht nur den Mindestbezug, sondern auch die Anzahl der Bezüge. Zu diesen Bezügen gehöre das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld. Der vom Arbeitslohn zu leistende Vollzugskostenbeitrag dürfe dagegen nur von 12 Monatsgehältern einbehalten werden, weil er als Strafgefangener nur jährlich 12 Monate in der Vollzugsanstalt zugebracht habe. Zufolge rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens von Organen der beklagten Partei sei ihm in den Jahren 1994 bis 1997 der 13. und der 14. Monatsbezug in Höhe des Klageanspruchs vorenthalten worden.

Die beklagte Partei wendete ein, gemäß § 52 Abs 1 StVG orientiere sich die Entgelthöhe für eine Arbeitsstunde eines Strafgefangenen ausschließlich am lohnrechtlichen Teil des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende sowie -verarbeitende Industrie Österreichs nach dem Bruttolohn eines mindestens 18-jährigen Arbeiters ohne Zweckausbildung. Der Arbeitslohn sei nach § 52 Abs 3 StVG ein Entgelt für die Arbeitszeit oder für die Stückleistung. Bereits aus § 52 Abs 1 StVG folge, dass ein Strafgefangener keinen Anspruch auf Bezahlung eines 13. und eines 14. Monatsbezugs habe. Dieses Ergebnis werde ferner durch § 54 Abs 1 StVG gestützt, wonach die Arbeitsvergütung eines Strafgefangenen monatlich im Nachhinein gutzuschreiben sei.

Das Erstgericht schloss sich der Rechtsansicht der beklagten Partei an und wies das Klagebegehren ab. Der Gesetzgeber habe eine vollständige arbeitsrechtliche Gleichstellung von Strafgefangenen mit Arbeitnehmern in Freiheit nicht gewollt. Die durch den Strafvollzug bedingten Besonderheiten der Arbeitssituation ließen eine solche Gleichstellung auch gar nicht zu. Der Strafgefangene solle mit einem Teil seines Arbeitslohns in der Vollzugsanstalt Waren erwerben können, wodurch einer (sonst) eklatanten Mangel- und Schwarzmarktsituation begegnet werde, außerdem diene der Arbeitslohn der teilweisen Deckung der Vollzugskosten und der Finanzierung von Beitragsleistungen zur Arbeitslosenversicherung. Der Anspruch eines Strafgefangenen auf Sonderzahlungen sei in § 53 StVG (außerordentliche Arbeitsvergütung) abschließend geregelt. Dagegen stehe einem Strafgefangenen ein 13. und ein 14. Monatsbezug nach allgemeinem Arbeitsrecht nicht zu.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, bereits der Wortlaut des § 52 Abs 1 StVG spreche gegen Sonderzahlungsansprüche von Strafgefangenen. Diese gesetzliche Bestimmung verweise nur auf die Höhe des Stundenlohns nach dem maßgebenden Kollektivvertrag, nicht aber auch auf seine anderen Teile. § 53 Abs 1 StVG beziehe sich nur auf eine außerordentliche Vergütung für besondere Arbeitsleistungen, worauf das Klagebegehren jedoch nicht gestützt worden sei. Die ordentliche Revision sei in Ermangelung einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage nach Sonderzahlungsansprüchen von Strafgefangenen zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Das Strafvollzugsgesetz regelt das besondere öffentlich-rechtliche Gewaltverhältnis zwischen dem Bund und Strafgefangenen. Die Zuweisung von Arbeit an Strafgefangene und deren organisatorische Gestaltung und Entlohnung sind Teile dieses öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses (SZ 62/105 = JBl 1990, 245 [Kerschner]). Die Entlohnung der Arbeit eines Strafgefangenen ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht Bestandteil der durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützten Rechte (SZ 62/105; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar2 Rz 12 zu Art 4).

1. 1. Nach § 20 Abs 1 StVG soll der Vollzug einer Freiheitsstrafe dem Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen, ihn abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen, und den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzeigen. Die Arbeitspflicht von Strafgefangenen nach § 44 StVG ist ein wichtiges Mittel zur Verwirklichung dieser Vollzugszwecke. Bei der Arbeitszuweisung ist gemäß § 47 Abs 1 StVG auf den Gesundheitszustand, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Strafgefangenen, die Dauer seiner Strafe, sein Verhalten während des Vollzugs, sein Fortkommen nach der Entlassung und schließlich auf seine Neigungen angemessen Rücksicht zu nehmen. Innerhalb der Grenzen des § 48 StVG ist Strafgefangenen, die keinen Beruf erlernten oder in erlernten Berufen nicht beschäftigt werden können, auch eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Arbeitstätigkeit eines Strafgefangenen dient daher - abgesehen vom Nebenzweck der Finanzierung eines Teils der Vollzugskosten (§ 54 Abs 1 in Verbindung mit § 32 Abs 2 und 3 StVG) und der Leistung des auf den Strafgefangenen entfallenden Anteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag (§ 54 Abs 1 StVG) - vor allem dem Ziel, ihm Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung aus der Strafhaft zu vermitteln bzw solche zu erhalten oder zu fördern (vgl dazu auch § 37 Abs 1 des deutschen Strafvollzugsgesetzes).

2. § 52 StVG wurde durch die Strafvollzugsnovelle 1993 BGBl 799 neu gefasst. Nach Abs 1 dieser Bestimmung hat sich die Höhe der Arbeitsvergütung "an dem auf eine Arbeitsstunde entfallenden Bruttoarbeitsentgelt eines mindestens 18 Jahre alten, mit leichten Tätigkeiten beschäftigten Metallhilfsarbeiters ohne Zweckausbildung gemäß dem lohnrechtlichen Teil des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie Österreichs zu orientieren". Die Arbeitsvergütung ist einem Strafgefangenen gemäß § 54 Abs 1 StVG nach Vornahme der gesetzlich geregelten Abzüge monatlich im Nachhinein gutzuschreiben. Allein aus dem Wortlaut des § 52 Abs 1 StVG, der nur eine Berechnungsgrundlage für die Höhe der Arbeitsvergütung eines Strafgefangenen festlegt, lässt sich noch nicht zwingend ableiten, dass ein Strafgefangener keinen Anspruch auf einen 13. und einen 14. Monatsbezug haben soll. Gleiches gilt auch für den Wortlaut des § 54 Abs 1 StVG.

2. 1. Zufolge § 50 Abs 1 StVG sind die Arbeitszeit und die Arbeitsleistung von Strafgefangenen den in der gewerblichen Wirtschaft oder in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Verhältnissen - je nach der Arbeitsverwendung - möglichst anzugleichen. Eine der Rechtsfolgen einer solchen Angleichung könnte es auch sein, dass Strafgefangene wie Arbeitnehmer im Bereich der gewerblichen Wirtschaft bzw der Land- und Forstwirtschaft Anspruch auf Sonderzahlungen haben.

2. 2. Die Gesetzesmaterialien (RV 946 BlgNR 18. GP, 21) nehmen zum Sonderzahlungsproblem ausdrücklich in nachstehender Weise Stellung:

"2. 2. 2. Angesichts der vollzugsbedingten Besonderheiten der Arbeitssituation soll der Ausgangswert, dh. die niedrigste Vergütungsstufe, im Endstadium 75 % des Metallhilfsarbeiterkollektivvertragslohnes (pro Stunde und ohne Sonderzahlungen [Hervorhebung durch den erkennenden Senat]) betragen."

Das Strafvollzugsgesetz enthält weder in § 52 noch an anderer Stelle eine Bezugnahme auf Sonderzahlungen, in § 53 wird vielmehr nur eine außerordentliche Arbeitsvergütung für besondere Leistungen von Strafgefangenen geregelt, deren Gesamtbetrag das Doppelte des Höchstmaßes einer Monatsvergütung der höchsten Vergütungsstufe nach Abzug des Vollzugskostenbeitrags und des auf den Strafgefangenen entfallenden Anteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag nicht übersteigen darf.

Damit hat der Gesetzgeber ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass in § 52 StVG nicht nur die Berechnungsgrundlage für die Höhe der Arbeitsvergütung von Strafgefangenen festgelegt, sondern eine abschließende Regelung über den Entlohnungsanspruch getroffen werden sollte, soweit nicht besondere Arbeitsleistungen eine Zusatzentlohnung nach § 53 Abs 1 StVG rechtfertigen.

Ein Strafgefangener hat daher, wie zusammenzufassen ist, auf der Rechtsgrundlage des besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses zwischen ihm und dem Bund keine Sonderzahlungsansprüche, die für ein privat- oder öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis typisch sind.

3. Mit dem zu 2. 2. erzielten Ergebnis wird die Ansicht des Klägers widerlegt, die Strafvollzugsnovelle 1993 habe Strafgefangene in der Frage nach der Höhe ihrer Arbeitsvergütung "allgemeinen Arbeitnehmern" völlig gleichgestellt.

Im Übrigen versucht der Kläger vergeblich, sein Prozessziel durch die Berufung auf eine verfassungskonforme Auslegung der maßgebenden Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes zu erreichen: Wäre die Regelung des Strafvollzugsgesetzes über die Vergütung der Arbeitsleistungen von Strafgefangenen gleichheitswidrig, so könnte sie angesichts der unter 2. 2. erläuterten gegenteiligen Absicht des Gesetzgebers dennoch nicht verfassungskonform ausgelegt werden (VfSlg 11.036; Posch in Schwimann, ABGB2 Rz 27 zu § 6); schon daran müsste der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch scheitern, kann doch ein solcher nur auf einen unvertretbar fehlerhaften Akt der Vollziehung in Auslegung des Strafvollzugsgesetzes, nicht dagegen auch auf legislatives Unrecht gestützt werden.

Die vom Kläger beanstandete gesetzliche Regelung lässt aber nach Ansicht des erkennenden Senats auch gar keinen Widerspruch mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG und Art 7 B-VG) erkennen. Die Zwecke des Strafvollzugs wurde unter 1. 1. erläutert. Sie umfassen keinen Enlohnungsanspruch des Strafgefangenen, der dem eines Dienstnehmers auf Grund eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses gleichzuhalten wäre. Die Gemeinschaft der Steuerzahler hat durch die Organisation des Strafvollzugs erhebliche Lasten zu tragen, die durch die Vollzugskostenbeiträge der Strafgefangenen zu deren Unterhalt gemäß § 32 Abs 1 bis 3 StVG nicht gedeckt werden können. Demnach rechtfertigen die besonderen Leistungen des Bundes gegenüber Strafgefangenen zur Verwirklichung der Vollzugszwecke eine sachliche Differenzierung zwischen dem Gesamtentgelt für die Arbeitsleistungen eines Strafgefangenen und der Entlohnung von Arbeitnehmern auf Grund eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, ist es doch - zumindest nach der geltenden Rechtslage noch - nicht Zweck des Strafvollzugs, einem Strafgefangenen für die Dauer seiner Freiheitsstrafe trotz der besonderen Aufwendungen des Bundes im Dienste seiner Resozialisierung auch noch einen geschützten Arbeitsplatz mit allen lohnrechtlichen Vergünstigungen eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach dem Vorbild der in der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie Österreichs bzw in der gewerblichen Wirtschaft oder in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Verhältnissen auf Kosten der Steuerzahler zu verschaffen.

4. Aus allen voranstehenden Erwägungen folgt, dass das Gericht zweiter Instanz die Abweisung des Klageanspruchs ohne Rechtsirrtum bestätigte, waren doch jene Akte der Vollziehung, die dem Amtshaftungsanspruch zugrunde liegen, gesetzmäßig.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.

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