OGH 2Ob198/98a

OGH2Ob198/98a13.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Ferdinand R. Graf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Eva K*****, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,000.000,--, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 1998, GZ 14 R 213/97i-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. April 1997, GZ 25 Cg 170/96w-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Ehemann der Beklagten schuldet der klagenden Partei auf Grund von Urteilen des Handelsgerichtes Wien vom 16. 2. 1996 S 13 Mio samt Zinsen und Kosten. Am 28. 3. 1995 wurde die H***** Gesellschaft mbH gegründet, deren Gesellschafter unter anderem der Ehemann der Beklagten war. Dieser hatte einen Geschäftsanteil von S 1,250.000 zur Gänze bar einbezahlt. Er übertrug am 29. 6. 1995 diesen Geschäftsanteil der Beklagten, wobei diesbezüglich keine Verpflichtung bestand. Am 21. 9. 1995 brachte die klagende Partei der Beklagten mit Schriftsatz des Bezirksgerichtes Döbling zur Kenntnis, dass sie (klagende Partei) die Übertragung der Gesellschaftsanteile ihres Ehemannes an sie anfechten werde. Dabei wurde ihr bekanntgegeben, dass die klagende Partei eine Forderung gegen den Ehemann der Beklagten von mehr als S 10 Mio habe und sie durch die Übertragung des Geschäftsanteiles in ihren Befriedigungsrechten geschmälert worden sei. Diese Übertragung werde gemäß § 2 Z 2 und 3 AnfO angefochten werden, wobei es gemäß § 4 AnfO zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der fehlenden Gutgläubigkeit der Beklagten komme. Die Beklagte hatte von den Forderungen der klagenden Partei Kenntnis bzw hätte davon Kenntnis haben müssen. Die Beklagte übertrug im März 1996 trotz Kenntnis der Anfechtungsabsicht der klagenden Partei ihren Geschäftsanteil einem Mitgesellschafter. Diese Übertragung erfolgte im gemeinsamen und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Ehemann. Dabei wusste sie oder hätte jedenfals wissen müssen, dass durch die Übertragung des Geschäftsanteiles an den Mitgesellschafter die Befriedigung der klagenden Partei aus diesem Geschäftsanteil vereitelt werde.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer am 15. Juli 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage von der Beklagten Zahlung von S 2 Mio, in eventu die Gestattung der Exekution zur Hereinbringung dieses Betrages in den Geschäftsanteil an der "W***** Gesellschaft mbH", vormals H***** GesmbH.

Da im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof die Tatsache der Berechtigung der Anfechtung der Übertragung der Gesellschaftsanteile an die Beklagte durch ihren Ehemann unstrittig ist, erübrigt es sich, das diesbezügliche Vorbringen wiederzugeben.

Zur Höhe des Klageanspruches verwies die klagende Partei auf § 13 AnfO, wonach der Gläubiger dasjenige soweit für sich beanspruchen könne, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden sei, als es zu seiner Befriedigung erforderlich sei. Das Klagebegehren sei so zu formulieren, dass es auf Zahlung bei sonstiger Exekution in das veräußerte Objekt laute. Nach § 13 Abs 1 zweiter Halbsatz AnfO habe der Anfechtungsgegner Ersatz zu leisten, wenn die Exekution in das veräußerte Objekt nicht tunlich sei. Nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle sei der zur Leistung Verpflichtete als unredlicher Besitzer anzusehen. Durch die Übertragung des Gesellschaftsanteiles durch die Beklagte an einen Mitgesellschafter sei die Exekutionsführung in das veräußerte Objekt unmöglich und daher untunlich, weshalb Ersatz in Höhe von S 2 Mio begehrt werde. Diesen Wert repräsentiere der Geschäftsanteil nach Schätzung der klagenden Partei, sei doch ein Betrag von S 1,250.000 anlässlich der Gesellschaftsgründung vom Ehemann der Beklagten einbezahlt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete - soweit noch von Bedeutung - ein, dass die Schätzung des Wertes des Geschäftsanteiles durch die klagende Partei weit überhöht sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zahlung von S 2 Mio statt.

Neben den eingangs wiedergegebenen - entscheidungswesentlichen - Feststellungen erörterte es im Rahmen der Beweiswürdigung, dass die Beklagte zur Bewertung des übertragenen Geschäftsanteiles keine ordnungsgemäßen Beweisanträge gestellt habe. Die bloße Belastung der (der Gesellschaft gehörenden) Liegenschaft sei an sich nicht geeignet darzulegen, dass der Gesellschaftsanteil nicht befriedigungstauglich sei. Es müsse auch nicht die gesamte Forderung aus diesem Geschäftsanteil befriedigt werden. Es genüge eine teilweise Befriedigung, Erleichterung oder Beschleunigung. Es sei auch nicht behauptet worden, dass die Liegenschaft überbelastet sei.

Aus diesem Sachverhalt schloss das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, durch die Übertragung der Geschäftsanteile an einen Mitgesellschafter sei die Befriedigungsmöglichkeit der klagenden Partei daran vereitelt worden. Die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen darzulegen, dass sie von der Benachteiligungsabsicht keine Kenntnis gehabt habe. Sie habe gewusst, dass durch die Weitergabe der Geschäftsanteile eine Benachteiligung der klagenden Partei stattfinde.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch grundsätzlich dessen rechtliche Beurteilung (über die Berechtigung zur Anfechtung der Übertragung der Geschäftsanteile an die Beklagte durch ihren Ehemann infolge deren Kenntnis der Benachteiligungsabsicht), erachtete jedoch weitere Feststellungen zur Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung für notwendig. Die Beklagte habe nämlich unabhängig davon, ob der Erwerb des Geschäftsanteiles durch den Mitgesellschafter anfechtbar sei oder nicht, entweder nach § 13 Abs 1 AnfO oder nach § 14 AnfO der klagenden Partei Schadenersatz zu leisten. Dabei sei der Wert des entzogenen Gegenstandes zu ersetzen, den er im Zeitpunkt der Übertragung an den Anfechtungsgegner gehabt habe. Zum Wert des Gesellschaftsanteiles habe die klagende Partei lediglich vorgebracht, der Ehemann der Beklagten habe seine Stammeinlage von S 1,250.000 bar geleistet. Ansonsten beruhe die Wertermittlung auf einer Schätzung, ohne die Grundlagen der Schätzung zu deklarieren oder dazu Beweise anzubieten. Das Erstgericht nehme offensichtlich, ohne dazu eine Feststellung getroffen zu haben, den Schaden der klagenden Partei mit S 2 Mio an. Diese Annahme sei im Hinblick auf die Beweislast der klagenden Partei zur Schadenshöhe nicht gerechtfertigt. Die klagende Partei werde daher aufzufordern sein, Beweismittel zum Wert des Geschäftsanteiles im Zeitpunkt des Überganges (4. 7. 1995) anzubieten. Auf dieser Grundlage seien vom Erstgericht Feststellungen zu treffen.

Weiters werde festzustellen sein, ob vergebens in das Vermögen des Ehemannes der Beklagten die Exekution versucht worden sei oder ob eine solche Exekutionsführung aussichtslos sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen die aufhebende Entscheidung zulässig sei, weil zur Frage, zu welchem Stichtag der Wert der weiterveräußerten Gegenstände zu ermitteln sei, bei einer Anfechtung nach der AnfO keine höchstgerichtliche Entscheidung vorgefunden worden sei.

In ihrem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss bekämpft die Beklagte lediglich dessen Begründung. Dies ist zulässig (SZ 55/133 mwN).

Die Rekurswerberin verweist darauf, dass die klagende Partei zum Zeitpunkt der Übertragung des verfahrensgegenständlichen Geschäftsanteiles am 4. 7. 1995 noch über keinen rechtskräftigen Exekutionstitel verfügt habe, weil die Urteile gegen ihren Ehemann vom 16. 2. 1996 gestammt hätten. Es wäre der klagenden Partei erst nach Rechtskraft dieser Urteile möglich gewesen, gegen den Ehemann der Beklagten Exekution zu führen. Wäre die Veräußerung des Geschäftsanteiles an die Beklagte nicht erfolgt, hätte die klagende Partei frühestens nach Rechtskraft des Urteils den Geschäftsanteil exekutiv verwerten können und daher nur auf jenen Wert greifen können, den der Geschäftsanteil zu jenem Zeitpunkt gehabt habe. Beantragt werde daher, den Auftrag an das Erstgericht dahingehend abzuändern, dass der Wert des Geschäftsanteiles frühestens in jenem Zeitpunkt, in welchem erstmals auf Grund der Urteile der Geschäftsanteil zwangsweise verwertet hätte werden können, festzustellen sein werde.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Ein Abstellen auf bestimmte Zeitpunkte komme bei einem Anspruch nach § 13 Abs 1 AnfO letzter Satz nicht in Frage. Es sei zu prüfen, auf Grund welcher Ursachen Wertveränderungen zwischen dem Zeitpunkt der Durchführung des anfechtbaren Rechtsgeschäftes und der späteren Veräußerung der Sache beruhten. Seien allfällige Wertverschlechterungen vom Anfechtungsgegner verschuldet, greife die Schadenersatzhaftung des § 13 Abs 2 AnfO iVm § 335 ABGB. Jedenfalls könne der Zeitpunkt, zu welchem der Wert der der Anfechtung unterliegenden Veräußerung festzustellen sein werde, nicht ganz allgemein mit jenem gleichgesetzt werden, zu welchem erstmals die klagende Partei ihr Recht zwangsweise durchsetzen hätte können.

Der Rekurs ist zulässig, weil tatsächlich Rechtsprechung zur Frage, welcher Zeitpunkt zur Wertbestimmung bei einem Anspruch nach § 13 Abs 1 AnfO heranzuziehen ist, nicht besteht; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 13 Abs 1 AnfO kann der Gläubiger das, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, soweit für sich beanspruchen, als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist; ist dies nicht tunlich, so ist Ersatz zu leisten. Ziel des Anfechtungsanspruches ist es demnach, jenen Zustand herzustellen, in dem sich das Vermögen des Schuldners befände, wenn die anfechtbare Handlung nicht vorgenommen worden wäre (vgl zur vergleichbaren Bestimmung § 39 KO, ÖBA 1990/209; JBl 1991, 805; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 360); primär besteht daher ein Naturalanspruch auf Befriedigung des Gläubigers aus der anfechtbaren Handlung. Ist die Naturalleistung aber nicht tunlich, so ist Ersatz in Geld zu leisten. Diese dem Schadenersatzrecht entliehene Formulierung (§ 1323 ABGB) ist weiter als der Begriff der "Unmöglichkeit" (vgl König aaO Rz 363).

Zur Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Berechnung des Wertersatzanspruches abzustellen ist, lehrt König (aaO Rz 363) unter Berufung auf JBl 1991, 85, dass der "Zeitpunkt der erfolgreichen Anfechtung" (im Anfechtungsprozess Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz) maßgebend sei. In dieser Entscheidung wurde Petschek-Reimer-Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht, 393) folgend ausgesprochen, dass bei der Wertberechnung auf den Zeitpunkt der erfolgreichen Anfechtung abzustellen sei, also auf den Schluss der Verhandlung des Anfechtungsprozesses. Bei Ausmittlung des Wertersatzes ist weiters zu berücksichtigen, dass der Anfechtungsgegner kraft Gesetzes als unredlicher Besitzer anzusehen ist (§ 13 Abs 2 AnfO) und daher nach § 335 ABGB haftet. Er hat daher nach den §§ 335, 338 ABGB nicht nur alle durch den Besitz erlangten Vorteile zurückzustellen, sondern auch jene, die der Verkürzte erlangt haben würde; außerdem hat er allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. In der zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 39 Abs 2 KO ergangenen Entscheidung SZ 62/163 = JBl 1990, 454 = ÖBA 1990/209 = RdW 1990, 82 hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass der Unredliche allerdings Erwerbsvorteile, die wesentlich auf seine persönliche Tätigkeit zurückzuführen sind, nicht herauszugeben hat. Dies folge aus dem Grundsatz, dass mit der Anfechtung jener Zustand wiederhergestellt werden solle, der bestünde, wenn die anfechtbare Rechtshandlung nicht vorgenommen worden wäre.

Als Konsequenz dieser Rechtsmeinung sind aber auch nach dem Zeitpunkt der anfechtbaren Handlung auf Grund von Kapitalerhöhungen erfolgte Werterhöhungen nicht zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen wären allerdings solche Werterhöhungen, die durch den gewöhnlichen Geschäftsverlauf erzielte Gewinne hervorgerufen wurden (vgl SZ 62/163).

Für Wertverluste haftet der Anfechtungsgegner als unredlicher Besitzer insoweit, als der Schaden ohne seinen Besitz nicht eingetreten wäre (vgl EvBl 1966/285; JBl 1991, 805).

Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass für die Wertberechnung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der erfolgreichen Anfechtung, als auf den Schluss der Verhandlung erster Instanz abzustellen ist (vgl auch Jaeger/Henckel § 37 dKO Anm 111; Kuhn/Uhlenbruck § 37 dKO Anm 3b). Der geschuldete Wertersatz ist danach zu berechnen, welcher Wert sich im Vermögen des Schuldners befände, wenn der anfechtbar weggegebene Gegenstand noch in ihm vorhanden wäre (vgl Jaeger/Henckel § 37 dKO Anm 97 Kuhn/Uhlenbruck § 37 dKO Anm 3b). Danach sind Wertveränderungen insoweit zu berücksichtigen, als sie einerseits auch eingetreten wären, wenn die Sache beim Schuldner verblieben wäre und andererseits auf Ursachen beruhen, die vom unredlichen Besitzer zu vertreten sind.

Auf den Zeitpunkt, zu welchem die klagenden Parteien ihren Anspruch exekutiv durchsetzen hätten können, kommt es dagegen nicht an.

Das Erstgericht wird daher einerseits den Wert des Geschäftsanteiles zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, andererseits die nach dem angefochtenen Rechtsgeschäft eingetretenen Wertveränderungen festzustellen haben, sofern sie nach den vorstehenden Ausführungen für die Ermittlung des Ersatzbetrages heranzuziehen sind, festzustellen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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