OGH 9ObA294/99x

OGH9ObA294/99x12.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arnold B*****, Tischler, ***** vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei Hans M*****, Tischler, ***** vertreten durch Brandstetter, Politzer & Pritz Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Wien, wegen S 132.101,05 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juli 1999, GZ 7 Ra 174/99f-32, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Jänner 1999, GZ 30 Cga 80/97w-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 28. 9. 1992 beim Beklagten als Tischlerlehrling beschäftigt. Die Lehrzeit ist am 27. 9. 1995, die viermonatige gesetzliche Behaltefrist am 27. 1. 1996 abgelaufen. Nach dem Kollektivvertrag für das holzverarbeitende Gewerbe ist eine Kündigung nur zum Ende einer Arbeitswoche vorgesehen (Freitag). Der kollektivvertragliche Stundenlohn des Klägers betrug im ersten Jahr nach der Auslehre S 81,80, im zweiten Jahr S 84,74. Die Arbeitszeit betrug 40 Wochenstunden. Am 22. 1. 1996 legte der Kläger dem Beklagten seinen Einberufungsbefehl zum Bundesheer vor. Er arbeitete noch bis 26. 1. im Betrieb und trat danach seinen Präsenzdienst an. Am 30. 9. 1996 nahm er seinen Dienst beim Beklagten wieder auf, wurde jedoch nochmals vom 8. bis 11. 10. 1996 zum Präsenzdienst eingezogen. Der letzte Arbeitstag war der 31. 10. 1996. Für September und Oktober 1996 steht ihm noch eine Lohndifferenz von zumindest S 510,35 und eine Sonderzahlungsdifferenz von S 59 zu.

Am 5. 12. 1995 kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. 12. 1995. Auf Grund eines Schreibens der Mutter des Klägers, dass die Kündigung rechtsunwirksam sei, wurde das Dienstverhältnis über den 31. 12. 1995 hinaus fortgesetzt. Dem Kläger war jedoch klar, dass der Beklagte das Dienstverhältnis beenden wollte. Deshalb strebte er die möglichst baldige Einberufung zum Präsenzdienst an, den er dann auch im vorgenannten Zeitraum ableistete. Während des Präsenzdienstes versuchte die Mutter des Klägers die Gattin des Beklagten davon zu überzeugen, dass das Dienstverhältnis des Klägers nicht beendet, sondern durch die Präsenzdienstleistung lediglich unterbrochen sei.

Das Gespräch endete mit der Zusage der Gattin des Beklagten: "Na gut, dann behalten wir ihn eben noch einen Monat, wenn er vom Bundesheer zurückkommt". Weder anlässlich des Wiederantrittes seines Dienstes am 30. 9. 1996 noch zu einem anderen Zeitpunkt im Verlauf des Monates Oktober 1996 wurde gegenüber dem Kläger eine Kündigung ausgesprochen. Am 28. 10. 1996 anlässlich eines Gespräches der Mutter des Klägers mit der Gattin des Beklagten erklärte letztere, das Dienstverhältnis ende am 31. 10. 1996 und legte den Hörer auf. Daraufhin übermittelte die Mutter des Klägers das Fax vom 31. 10. 1996 (Beilage I), worin sie neuerlich auf den Kündigungsschutz nach § 12 Arbeitsplatzsicherungsgesetz hinwies und dem Beklagten anbot, das Dienstverhältnis mit dem Sohn zum 15. 11. 1996 zu lösen. Der Beklagte äußerte darauf seinen Rechtsstandpunkt (Beilage K) im Fax vom 2. 11. 1996, dass der Beklagte nicht verpflichtet gewesen wäre, den Kläger über die Zeit des Präsenzdienstes hinaus zu behalten. Es wurde dann wörtlich ausgeführt: "Wir haben unser Versprechen gehalten und melden deshalb Arnold wie ausgemacht mit 31. 10. 1996 ab". Mit Empfang dieses Faxes war es für den Kläger und seine Mutter klar, dass der Beklagte das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet sehen wollte. Im Oktober 1996 hatte der Kläger keinen Urlaub verbraucht. Die Urlaubsentschädigung erhielt er nicht ausbezahlt.

Der Kläger begehrt zuletzt den Betrag von S 132.101,05. Er steht auf dem Standpunkt, dass die am 5. 12. 1995 ausgeprochene Kündigung rechtsunwirksam gewesen sei, in der Folge keine Kündigung mehr erfolgte und sein Dienstverhältnis daher weiter aufrecht fortbestehe. In eventu begehrt er Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Lohn- und Sonderzahlungsdifferenzen im Gesamtbetrag von S 35.079,82 brutto.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass das Dienstverhältnis mit dem nächstmöglichen Kündigungstermin auf das Ende der Behaltefrist beendet sein sollte. Zu diesem Datum sei der Kläger auch ordnungsgemäß abgerechnet und die Abmeldung durchgeführt worden. Auf Drängen seiner Mutter sei ein neuerliches befristetes Dienstverhältnis vom 30. 9. bis 31. 10. 1996 vereinbart worden. Auch dieses Dienstverhältnis sei ordnungsgemäß abgerechnet worden. Der Kläger habe sich im ersten Jahr nach der Auslehre befunden, so dass nur ein Stundenlohn von S 81,80 zu verrechnen sei. Die Kündigungsfrist betrage lediglich eine Woche. Dem Kläger stehe ein Resturlaub von 18 Tagen zu.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 25.493,09 an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und restlichen Lohn- und Sonderzahlungsansprüchen zu und wies das Mehrbegehren von S 117.308,23 bezüglich der Ansprüche aus einem laufenden Arbeitsverhältnis ab. Im Fax vom 2. 11. 1996 sei im Zusammenhalt mit den geführten Gesprächen eine zumindest schlüssige Willenserklärung auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung zu erkennen. Es liege darin eine zeitwidrige Kündigung, so dass die geltend gemachten Beendigungsansprüche, Sonderzahlungs- und Lohndifferenzen im Ausmaß des zugesprochenen Betrages zu Recht bestünden.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahingehend ab, dass es dem Kläger S 30.608,32 brutto sA zusprach und das Mehrbegehren von S 101.492,73 brutto abwies. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der Kündigung vom 2. 11. 1999, kam jedoch deshalb zu einer Abänderung, weil der Kläger mit Beginn des Urlaubsjahres am 28. 9. 1996 einen neuen Urlaubsanspruch von 25 Tagen erworben habe und das Erstgericht lediglich 18 Tage berücksichtigt habe.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung zunächst mit dem Antrag, den Ausspruch im Berufungsurteil über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin abzuändern, dass dieser gemäß § 45 Abs 3 ASGG entfalle. Im übrigen wird der Antrag gestellt, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass dem Kläger auch der restliche Betrag von S 98.780,73 brutto zugesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des Ausspruches des Berufungsgerichtes gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, weil der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist.

Die Revision ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Die beklagte Partei hat den Ansprüchen des Klägers, die sich auf den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses infolge einer rechtsunwirksamen Kündigung stützen und nur eventualiter beendigungsabhängige Ansprüche geltend machen, entgegengesetzt, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls per 31. 10. 1996 beendet war. Der Rechtsgrund der Beendigung, nämlich eine Befristung, eine Kündigung oder eine einseitige vorzeitige Beendigungserklärung ist lediglich für die Beendigungsansprüche maßgeblich, wobei Behauptungs- bzw Beweismängel über die Art der Berechtigung der Beendigungserklärung zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Jedenfalls ist die Berücksichtigung der Beendigungswirkung des schon vom Kläger in der Klage genannten Fax vom 2. 11. 1996 durch das Vorbringen der beklagten Partei, das Arbeitsverhältnis sei beendet worden, gedeckt. Ob sich die beklagte Partei dabei auf einen Fristablauf zum 31. 10. 1996 berief, wogegen das Beweisverfahren eine Auflösungserklärung zum 2. 11. 1996 ergab, ist nicht als Berücksichtigung eines nicht geltend gemachten Rechtsgrundes anzusehen, sondern betrifft nur den Grund und den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

In der Erklärung des Arbeitgebers auf die dem Kläger ohnehin schon bekannte Beendigungsabsicht "Wir haben unser Versprechen gehalten und melden deshalb Arnold wie ausgemacht mit 31. 10. 1996 ab" ist eine auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärung zu erblicken. Ob der darin genannte Termin fristwidrig war und die Erklärung daher nur zum nächstmöglichen Kündigungstermin Wirkung entfalten konnte, ändert nichts an der Gestaltungswirkung der Willenserklärung, zumal der Kündigungsschutz des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Berufungsgerichtes am 1. 11. 1996 geendet hat. Das Arbeitsverhältnis wurde daher mit 2. 11. 1996 beendet, so dass das Berufungsgericht Ansprüche aus einem aufrechten Arbeitsverhältnis zutreffend verneint hat. Die vom Revisionswerber dagegen zitierte Entscheidung DRdA 1997/19 [Dirschmied] betraf eine rechtswidrige Auflösung bei bestehendem besonderen Kündigungs- und Entlassungschutz und kommt daher im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Nach § 8 Abs 1 APSG sind, soweit sich Ansprüche eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten, Zeiten des Präsenzdienstes... während derer das Arbeitsverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen. Die Lehrzeit des Klägers endete am 27. 9. 1995, so dass er mit 28. 9. 1996 Facharbeiter nach dem ersten Jahr nach der Auslehre war. Der Kollektivvertrag fordert für die Lohngruppe III den Nachweis von einem Jahr Praxis. Der Zweck des § 8 Abs 1 APSG ist es aber, die Entstehung von Nachteilen bei den arbeitsrechtlichen Ansprüchen durch die Ableistung des Präsenzdienstes hintanzuhalten (RdW 1999, 543 = 9 ObA 320/98v; VwGH vom 26. 11. 1991, 90/08/0194). "Praxisjahre" bedeutet zwar die Zurücklegung von Dienstzeiten im einschlägigen Lehrberuf als Facharbeiter. Darunter sind aber alle Zeiten zu verstehen, die in einem Arbeitsverhältnis im holzverarbeitenden Gewerbe zurückgelegt werden, unabhängig davon, ob während der Präsenzdienstzeit eine tatsächliche Praxis im Beruf ausgeübt wurde (VwSlg 10.717 (A); VwGH vom 26. 11. 1991, 90/08/0194). Diese Auslegung ist einer vernünftigen, zweckentsprechenden und praxisorientierten kollektivvertraglichen Regelung (Arb 11.527) zu unterstellen, weil ansonsten auch Zeiten der Krankheit oder des Urlaubes bei Einstufung in eine Lohngruppe nicht zu berücksichtigen wären, weil auch in diesen Zeiten keine "Praxis" geübt wird.

Im Ergebnis ändert sich jedoch der Höhe nach am Zuspruch des Berufungsgerichtes nichts. Es ist nämlich nicht zu übersehen, dass nach § 14 Z 13 und § 15 Z 8 des Kollektivvertrages das Ausmaß der beim Lohnanspruch für den 1. und 2. 11. 1996, der Kündigungsentschädigung sowie der Urlaubsentschädigung zu berücksichtigenden Sonderzahlungen wie der Weihnachtsremuneration und des Urlaubszuschusses die Zeiten des Präsenzdienstes von rund 35 Wochen im Jahr 1996 zu einer aliquoten Kürzung führen, so dass der Lohnanspruch für 1. und 2. 11. 1996 S 1.020,95, die Kündigungsentschädigung S 10.209,50 und die Urlaubsentschädigung für 25 Tage S 17.412,93 betragen, so dass zuzüglich der unbestrittenen Lohn- und Sonderzahlungsdifferenzen für September und Oktober 1996 von S 510,35 und S 59 sich ein Betrag von S 29.212,73 ergibt.

Es hat daher bei dem vom Beklagten unangefochten gebliebenen Zuspruch der zweiten Instanz zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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