OGH 5Ob257/99a

OGH5Ob257/99a21.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Mirsad D*****, vertreten durch Mag. Karin Fink, Sekretärin des Österreichischen Mieter- und Wohnungseigentümerbundes, Biberstraße 7, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Gabriela T*****, vertreten durch Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. April 1999, GZ 41 R 211/99d-23, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 1. Februar 1999, GZ 5 Msch 25/98a-17, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses ***** in ***** W*****. Der Antragsteller trat als Unternehmenserwerber gemäß § 12a Abs 1 MRG per 1. 1. 1995 in die Mietrechte seines Rechtsvorgängers am Geschäftslokal top Nr 1 in diesem Haus ein, wovon die Antragsgegnerin noch im Jänner 1995 in Kenntnis gesetzt wurde. In diesem Geschäftslokal, das nur 38 m**2 groß ist, wird ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Der Vormieter des Antragstellers hatte zuletzt einen Pauschalmietzins von S 5.949,- zuzüglich USt zu bezahlen. Diesen Betrag zahlte der Antragsteller zunächst in den Monaten Jänner bis Mai 1995 weiter.

Weil der Antragsteller einen auf seinen Namen lautenden Mietvertrag in Händen haben wollte, wendete er sich an die Antragsgegnerin, die sich zunächst nur gegen Bezahlung eines Geldbetrages zur Ausstellung eines neuen Mietvertrages bereit erklärte. Als der Antragsteller eine derartige Zahlung verweigerte, bot die Antragsgegnerin ihm einen Mietvertrag unter der Voraussetzung an, dass er bereit sei einen höheren Mietzins zu bezahlen. Die Antragsgegnerin verlangte zunächst einen um S 1.000 netto höheren Mietzins als der Vormieter zu bezahlen hatte, um dem Antragsteller einen auf seinen Namen lautenden Mietvertrag auszustellen. Der Antragsteller erklärte sich bereit, den um S 1.000 netto erhöhten Mietzins zu bezahlen, wobei er mehrmals der Antragsgegnerin bzw deren Vertreter gegenüber klarstellte, dass der von ihm geforderte Mietzins für das Geschäftslokal "zu hoch" sei. Am 18. 5. 1995 unterzeichnete der Antragsteller einen Mietvertrag, in dem der Hauptmietzins inklusive Betriebskostenpauschale S 6.934,-

zuzüglich Umsatzsteuer betrug.

Das Erstgericht stellte in einem "Teil-Sachbeschluss" dem Grunde nach fest, "dass die Antragsgegnerin durch Einhebung eines allenfalls über dem gemäß § 16 MRG angemessenen Hauptmietzins gelegenen Mietzins das monatlich gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten" habe. Die ziffernmäßige Höhe der Überschreitung bleibe der Endentscheidung vorbehalten.

Ausgehend von den wiedergegebenen Feststellungen erachtete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, dass am 18. 5. 1995 zwischen den Parteien des Bestandvertrages nicht ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden sei, sondern nur die Neufestsetzung des gemäß § 12a Abs 2 MRG zulässigen Mietzinses erfolgt sei. Sehe man diese Vereinbarung aber als Abschluss eines neuen Mietvertrages an, habe der Mieter der ihn nach § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz treffenden Rügepflicht entsprochen. Auf Grund der noch bei Unterzeichnung des Mietvertrages vom Antragsteller und seiner Ehefrau getätigten Hinweise, dass der Mietzins zu hoch sei, habe der Antragsgegnerin klar sein müssen, dass der Antragsteller sämtliche Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, ausschöpfen würde, um den Mietzins zu reduzieren.

Einem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass das Mietzinsüberprüfungsbegehren des Antragstellers abgewiesen wurde. Zunächst erweise sich die Fassung eines Zwischensachbeschlusses von Amts wegen als unzulässig. Die Sache sei jedoch im abweisenden Sinn entscheidungsreif.

Das Rekursgericht bewertete zunächst die zwischen den Parteien des Bestandvertrages am 18. 5. 1995 getroffene Vereinbarung als Abschluss eines neuen Bestandvertrages, weshalb den Antragsteller die in § 16 Abs 1 Z 1 letzte Halbsatz normierte Rügepflicht getroffen habe. Darauf, dass es sich um ein Gründungsgeschäft eines werdenden Unternehmers im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 und 3 KSchG gehandelt habe, könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil er den Betrieb seines Unternehmens schon im Jänner des Jahres 1995 aufgenommen habe.

Die einen Unternehmer nach § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG treffende Rügepflicht könne nur zwischen wirksamem Abschluss eines Hauptmietverhältnisses und Übergabe des Bestandgegenstandes ausgeübt werden. Danach sei sie nach der klaren gesetzlichen Anordnung nach Übergabe ausgeschlossen. Eine Vertragsänderung nach Übergabe des Geschäftslokals führe demnach zu einer Unüberprüfbarkeit des damit vereinbarten Hauptmietzinses. Es bestehe auch keine Schutzwürdigkeit des Bestandnehmers mehr nach Übergabe des Bestandobjektes an ihn. Der Mieter, dem eine Überprüfung eines von ihm im Weg des § 12a Abs 2 MRG begehrten, angehobenen Hauptmietzinses gemäß § 37 Abs 3 Z 8 MRG freigestanden wäre, sei im Fall einer Fehleinschätzung infolge der typischerweise unterstellten Gleichgewichtlage zwischen ihm als Unternehmer und dem Vermieter nicht schutzwürdiger als dieser.

Selbst wenn also der Antragsteller im Zeitpunkt der Vertragsänderung eine nach § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG zu beurteilende Rüge erhoben hätte, wäre diese unbeachtlich. Es könne daher deren genauer Inhalt sowie die Frage, ob die Rüge der Antragsgegnerin erst nach rechtswirksamem Zustandekommen des Vertrages zugegangen sei, auf sich beruhen.

Eine auf § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestützte Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten Mietzinses stehe dem Antragsteller daher nicht mehr zu.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob bei Abschluss einer neuen Zinsvereinbarung während eines bestehenden Hauptmietvertrages eine Rügepflicht des Bestandnehmers im Sinn des § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG Voraussetzung für deren Überprüfung nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG sei.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zunächst ist dem Antragsteller darin beizupflichten, dass die einen Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG treffende Rügepflicht im Fall des Mietrechtseintritts nach § 12a Abs 1 MRG nicht zum Tragen kommt, wird doch in diesem Fall nach der klaren gesetzlichen Anordnung ein bestehendes Mietverhältnis fortgesetzt, sodass es keines Mietvertragsabschlusses bedarf.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller jedoch bei aufrechtem Bestandverhältnis, nahezu fünf Monate nach Eintritt in die Mietrechte seines Vormieters nach § 12a Abs 1 MRG eine Hauptmietzinsvereinbarung abgeschlossen, weil die Hauptmieterin die Ausstellung eines schriftlichen Mietvertrages auf den Antragsteller von einer Erhöhungsvereinbarung abhängig machte. Dass diese Mietzinsanhebung in Ausübung eines der Vermieterin nach § 12a Abs 2 MRG zustehenden Rechts erfolgt wäre, ist den erstgerichtlichen Feststellungen nicht zu entnehmen, weshalb der vom Rekursgericht darauf gegründete Novationswille des Antragstellers nicht nachvollziehbar ist. Es steht nicht einmal fest, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber ein Anhebungsbegehren mit der Rechtsgrundlage des § 12a Abs 2 MRG gerechtfertigt hätte.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, das nur die Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses zum Gegenstand hat, kommt es aber auf die Gründe, die zum Abschluss der Zinsvereinbarung geführt haben ebenso wenig an, wie darauf, ob sich der Antragsteller in einem Rechtsirrtum befunden hätte.

Maßgeblich ist, ob einen Unternehmer als Mieter einer Geschäftsräumlichkeit die in § 16 Abs 1 Z 1 MRG für den Abschluss des Mietvertrages normierte Rügepflicht die nach der gesetzlichen Anordnung "unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstandes" (zwischen Abschluss des Vertrages und Übergabe des Bestandobjektes: EWR I/16/148) erfolgen muss, auch dann trifft, wenn er während aufrechten Bestandverhältnisses eine neue Mietzinsvereinbarung abschließt.

Dass die vom Antragsteller vor und möglicherweise auch bei Vertragsabschluss ("immer") abgegebene Erklärung, der Mietzins sei "zu hoch" ohne jeden Hinweis auf den Grund der Unzulässigkeit des begehrten Hauptmietzinses keinesfalls eine dem Gesetz entsprechende Rüge der Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmasses wäre, steht nach der zum notwendigen Inhalt einer solchen Rüge ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung fest (vgl EWR I/16/117 = immolex 1997/149; immolex 1998/203).

Vom Zweck der Rügepflicht, nämlich einer Signalwirkung für den Vermieter, der Mieter werde von der Möglichkeit einer gerichtlichen Mietzinsüberprüfung unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags Gebrauch machen, falls er auf der Einhebung des rechtsunwirksam vereinbarten Mietzinses beharrt, wäre naturgemäß auch der Abschluss einer neuen Mietzinsvereinbarung während des aufrechten Bestandverhältnisses umfasst. Dies scheitert aber nach Ansicht des erkennenden Senates daran, dass die Regelung des § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG den endgültigen Verlust des Rechtes, die Unzulässigkeit einer Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, an die Übergabe des Mietobjektes, also an ein punktuelles Ereignis knüpft (vgl EWR I/16/92 ff, womit die Rückwirkung auf Altverträge verneint wurde). Aber nicht nur die Verwendung des Begriffs "Übergabe des Mietgegenstandes", sondern auch im Übrigen stellt die Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 1 MRG eindeutig nur auf den Abschluss eines Hauptmietvertrages ab.

Daraus kann aber entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht abgeleitet werden, dass dem Mieter eines Geschäftslokals, der zugleich Unternehmer ist, bei Abschluss einer neuen Mietzinsvereinbarung während aufrechten Bestands des Mietverhältnisses eine Berufung auf die in § 16 Abs 8 erster Satz MRG normierte Unwirksamkeit von Hauptmietzinsüberschreitungen generell verwehrt wäre. Diese Argumentation übersieht, dass die generelle Norm besagt, dass diese Unwirksamkeit binnen drei Jahren gerichtlich geltend zu machen ist. Fehlt daher ein Anwendungsbereich für die den Unternehmer treffende Beschränkung dieser Möglichkeit, also die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der speziellen Norm, die die generelle Norm einschränkt, so hat dies nicht - wie das Rekursgericht meint - die Unanwendbarkeit der generellen Norm, sondern im Gegenteil deren ungebrochene Anwendbarkeit zum Ergebnis. Wer die Unzulässigkeit einer Mietzinsvereinbarung nicht rügen kann, weil er im Zeitraum zwischen Abschluss des Mietvertrages und Übergabe des Bestandobjektes nicht Mieter war, kann keine Rügepflicht verletzen, was ihn von der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsüberschreitung ausschlösse.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu treffen haben, die eine Überprüfung der Angemessenheit ermöglichen.

Der Revisionsrekurs war berechtigt.

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