OGH 6Ob54/99f

OGH6Ob54/99f15.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Wolfgang M*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ludmilla (Ljudmila) K*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. November 1998, GZ 41 R 357/98y-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 4. Mai 1998, GZ 6 C 143/98y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Hauptmieter des Genossenschaftshauses in 1220 Wien, *****. Seit November 1996 ist er mit seiner aus Estland stammenden Ehefrau verheiratet, mit der er schon vor der Eheschließung in diesem Haus wohnte. Ein Ehescheidungsverfahren ist anhängig. Im September 1997 zog der Kläger wegen der Differenzen mit seiner Ehefrau aus dem Haus aus, kommt aber immer wieder dorthin, insbesondere um seinen Sohn zu besuchen.

Die Beklagte ist die Schwiegermutter des Klägers. Sie besitzt gemeinsam mit ihrem Mann ein Haus in Estland.

Kurz nach dem Auszug des Kläges kehrte seine Ehefrau aus einem Urlaub in Begleitung der Beklagten in die Ehewohnung zurück.

Da die Beklagte im anhängigen Scheidungsverfahren für ihre Tochter Stellung bezog, ergaben sich in der Folge zahlreiche Konfliktpunkte. Am 14. 9. 1997 wurde von der Ehefrau des Klägers das Schloss der Hauseingangstür ausgewechselt. Eine deshalb vom Kläger erhobene Besitzstörungsklage wurde zu seinen Gunsten entschieden. Die Beklagte verweigerte dem Kläger den Zutritt zu seinem Haus, wenn er es betreten wollte. Einer dieser Versuche endete mit einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der Beklagten und einer von der Beklagten gegen den Kläger erhobenen Anzeige wegen Körperverletzung. Es kam auch des Öfteren vor, dass die Beklagte den Aufgang zum ersten Stock und zum Kinderzimmer verbarrikadierte, wenn der Kläger seinen Sohn besuchen wollte.

Sämtliche Kosten des Hauses, und zwar nicht nur der Mietzins, sondern auch die Strom- und Heizkosten, die im Jahr 1997 rund 42.000 S ausmachten, werden vom Kläger getragen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Räumung des Hauses.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Räumungsbegehrens. Ihre Tochter habe ein aus dem Eheverhältnis resultierendes Benützungsrecht an der Wohnung, das mit dem Kläger einverständlich dahin geregelt worden sei, dass auch die Beklagte dort wohnen dürfe. Der Kläger könne von dieser Benützungsregelung nicht einseitig abgehen.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine gesicherte Rechtsprechung zur Abgrenzung des Rechtes des nicht verfügungsberechtigten Ehegatten auf Aufnahme Dritter in die Wohnung vom Recht des verfügungsberechtigten Ehegatten, jegliche Benützung durch Dritte mittels Räumungsklage abzuwehren, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Beklagten ist jedoch mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgeführt, dass aus der im § 90 ABGB normierten Pflicht der Ehegatten zur umfassenden ehelichen Gemeinschaft und zum gemeinsamen Wohnen umgekehrt ein Anspruch jedes Ehegatten auch gegen den anderen Ehegatten folgt, im Gebrauch der der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienenden Ehewohnung nicht durch Dritte gestört zu werden. Das grundsätzliche Recht jedes Ehegatten, in der Ehewohnung ihm geltende Besuche zu empfangen, findet daher darin seine Grenze, dass diese Besuche die häusliche Ordnung und das Ehe- und Familienleben nicht stören dürfen (5 Ob 680/83; SZ 61/133).

Im vorliegenden Fall ist zwar die eheliche Lebensgemeinschaft bereits aufgehoben. Der Kläger hat sein Wohnrecht aber nicht aufgegeben. Er hat bloß wegen der Konflikte mit der Ehefrau und der Beklagten vorläufig eine andere Unterkunft genommen, sucht aber die Ehewohnung nach wie vor regelmäßig auf. In der Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass das festgestellte Verhalten der Beklagten massiv in das Wohnrecht des Klägers und dessen zu achtende Individualsphäre eingreife, kann kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Ob sich die Beklagte auf ein von der Ehefrau des Klägers abgeleitetes, auf § 97 ABGB gegründetes Recht stützen könnte, kann dahingestellt bleiben, weil ein solches Recht des Familienangehörigen des einen Ehepartners dort seine Grenze findet, wo es in unzumutbarer Weise in die Sphäre des anderen Ehepartners eingreift. Die rechtsmissbräuchliche Berufung auf ein derart abgeleitetes Recht zum Aufenthalt in der Wohnung des anderen Ehepartners steht dessen Räumungsanspruch nicht entgegen.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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