OGH 7Ob319/99h

OGH7Ob319/99h14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Joachim D*****, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer und Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Lienz, wider den Antragsgegner Albin E*****, vertreten durch Dr. Gisulf Konrad, Rechtsanwalt in Köflach, infolge Revisionsrekurses der Buchberechtigten Ilse E*****, vertreten durch Dr. Gisulf Konrad, Rechtsanwalt in Köflach, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 8. Oktober 1999, GZ 54 R 126/99x, 133/99a-61, womit infolge Rekurses der Buchberechtigten Ilse E***** der Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 4. August 1999, GZ 1 C 214/96x-57, bestätigt und ihr weiterer Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 2. November 1998, GZ 1 C 214/96x-36, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seiner Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (hierin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 2. 11. 1998 wurde über Antrag des Antragstellers auf der Liegenschaft des Antragsgegners in EZ 28 GB 85015 Iselsberg (welche ua mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot der Ilse E*****, die nunmehrige Rechtsmittelwerberin belastet ist) hinsichtlich des darin vorgetragenen Grundstückes Nr 451/1 als dem dienenden Gut nach dem Notwegegesetz (im folgenden kurz: NWG) die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Nr 450 GB 85015 Iselsberg in dem für die ordentliche Bewirtschaftung des herrschenden Grundstückes notwendigen Ausmaß so wie im Lageplan des Dipl. Ing. Rudolf N*****, GZ 8846/1996, der einen integrierenden Bestandteil dieses Beschlusses bildet, dargestellt, eingeräumt und der Antragsteller verpflichtet, dem Antragsgegner binnen 4 Wochen einen Entschädigungsbetrag in der Höhe von S 3.996 zu bezahlen (ON 36). Dieser Beschluss wurde vom Rekursgericht bestätigt und ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (ON 43); ein vom Antragsgegner gestellter Abänderungantrag gemäß § 14a AußStrG iVm § 9 Abs 3 NWG wurde vom Rekursgericht zurückgewiesen (ON 50). Mit weiterem Beschluss des Erstgerichtes vom 4. 8. 1999 wurde auf Grund des somit rechtskräftigen Beschlusses vom 12. 11. 1998 in EZ 28 GB 85015 Iselsberg die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes auf dem Grundstück Nr 451/1 als dem dienenden Gut iSd Abs 1 obigen Beschlusses zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Nr 450 GB 85015 Iselsberg (EZ 90004) sowie die Ersichtlichmachung dieses Rechtes in EZ 90004 GB 85015 Iselsberg angeordnet (ON 57).

Gegen beide Beschlüsse des Erstgerichtes (ON 36 und 57) erhob Ilse E***** als Buchberechtigte zufolge des zu ihren Gunsten ob der Liegenschaft EZ 28 einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbotes unter Hinweis darauf, dass sie als Partei dem Notwegeverfahren beigezogen hätte werden müssen, Rekurs.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel, insoweit sich der Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichtes vom 2. 11. 1998 (ON 36) richtet, mangels gegebener Sachlegitimation der Rekurswerberin zurück, und gab ihrem Rekurs gegen den Verbücherungsbeschluss des Erstgerichtes vom 4. 8. 1999 (ON 57) keine Folge. Es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs (wegen Fehlens von Judikatur zur Frage der Parteistellung von Buchberechtigten im Notwegeverfahren) zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der Buchberechtigten Ilse E***** mit dem Antrag, in Stattgebung ihres Rechtsmittels den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichtes im Umfang der Anfechtung und die Beschlüsse des Erstgerichtes über die Einräumung des Notweges und die Verbücherung desselben dahin abzuändern, dass der Antrag des Antragstellers abgewiesen und der angefochtene Beschluss über die Verbücherung der Notwegeservitut ersatzlos aufgehoben wird; in eventu, den angefochtenen Beschluss und die Beschlüsse des Erstgerichtes dahin abzuändern, dass das bisherige Notwegeverfahren ab der Zustellverfügung des Antrages an die Parteien als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht nach Beiziehung ihrer Person als Partei die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung aufgetragen wird; schließlich (ebenfalls in eventu) den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichtes und des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Der Antragsteller hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist (entgegen der Auffassung des Rechtsmittelgegners in seiner Revisionsrekursbeantwortung) zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Gesetzgeber (RGBl 1896/140) hat das schon dem klassischen römischen Recht, aber auch dem Gemeinen Recht bekannte Institut des Notweges als Legalservitut konzipiert (ausführlich dargestellt im Bericht des Justizausschusses zur RV, 1431 Blg AH, XI. Session, 1 f; RV 1292 Blg AH, XI. Session, 13; Ofner, Das Recht des Nothweges, GH 1896, 215; SZ 38/19). Der Notweg ist demgemäß ein dinglicher Rechtsanspruch des Privatrechtes, darauf gerichtet, einer wegebedürftigen Liegenschaft fremde Liegenschaften dienstbar zu machen. Die Bestellung eines Notweges ist damit auch kein Fall von Enteignung, weil die Enteignung ja im öffentlichen Interesse erfolgt (Klang in Klang II**2 161; SZ 38/19). Da der Notweg auf gesetzlicher Eigentumsbeschränkung beruht, ist sein Bestand vom bücherlichen Rang unabhängig (Klang aaO); auch ein (bereits verbüchertes) Belastungs- und Veräußerungsverbot hindert nicht die Eintragung eines Notweges (SZ 38/19 = EvBl 1965/284), da in diesen Fällen auch der Verbotsberechtigte direkter "Adressat der zugrundeliegenden rechtsbeschränkenden/-entziehenden Norm" ist (Oberhammer in Schwimann, ABGB**2 Rz 17 zu § 364c).

Der historische Gesetzgeber des NWG hat alles getan, um das Verfahren möglichst einfach, schnell und billig zu Ende zu führen (Neugröschl, Über Nothwege, NZ 1896, 43) und demgemäß in § 10 Abs 2, § 11 Abs 1, § 18 Abs 1 und 2 leg cit ua nur die Einbeziehung der Eigentümer der zu belastenden Liegenschaft vorgesehen; nur diese sind auch die "Subjekte des Entschädigungsanspruches" (Menzel, Das Recht des Nothweges [1896], 18). Aus der geschilderten Rechtskonstruktion einer auch bereits bücherlich rangmäßig vorgehende Berechtigte bindenden gesetzlichen Servitut ist es nur folgerichtig, wenn deren (ladungs- und verfahrensmäßige) Einbindung nicht vorgesehen wurde. Da - wie der Oberste Gerichtshof bereits in der zitierten Entscheidung SZ 38/19 = EvBl 1965/284 mit ausführlicher Begründung, der sich auch der erkennende Senat anschließt, dargetan hat - jedenfalls ein Belastungs- und Veräußerungsverbot die Eintragung eines Notweges nicht zu hindern vermag, ist es auch nicht erkennbar, welche (verfahrens- und materiell-)rechtlichen Nachteile der nunmehrigen Rechtsmittelwerberin durch ihre Nichtbeiziehung im Verfahren erwachsen sein sollen. Auf an der belasteten Liegenschaft dinglich Berechtigte wird nur insoweit Bedacht genommen, als die Entschädigung zu Gericht zu erlegen und nach den Grundsätzen über die Verteilung des Meistbotes zu verteilen ist (§ 5 Abs 2, § 22 NWG); sonstige Interessenten haben nur einen obligatorischen Anspruch an den durch den Notweg belasteten Eigentümer (Menzel, aaO). Daraus folgt, dass jedenfalls der Belastungs- und Verbotsberechtigte im Verfahren auf Neubegründung eines Rechtes zur Herstellung einer Notwegverbindung - wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - nicht Partei ist. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtslage für einen Nebenberechtigten im Sinne des § 5 EisbEG (SZ 52/179; RIS-Justiz RS0057994). Darin kann somit - konsequenterweise - auch kein verfassungswidriger Verstoß gegen Art 6 MRK erblickt werden; "eine Einwilligung (von Buchberechtigten) zur Gültigkeit" der Notwegebestellung kann (entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin) weder aus dem NWG noch aus dem subsidiär (§ 9 Abs 3 NWG) anzuwendenden AußStrG abgeleitet werden.

Soweit im Revisionsrekurs auch noch die Nichtbefassung der "politischen Bezirksbehörde" gemäß § 11 Abs 2 NWG moniert wird, ist zu erwidern, dass der Rechtsmittelwerberin als bloßer Verbotsberechtigter, der somit nur private Interessen zukommen können, nicht die verfahrensmäßige Rolle zukommt, deren (allfällige) Übergehung - gleichsam im Sinne einer Popularklage - aufzugreifen, weil es sich hiebei ausschließlich um die Wahrung öffentlicher Interessen handelt (RV, aaO 18).

Wenn aber der Beschluss über die Einräumung des Notweges rechtens ergangen ist, muss dies folgerichtig auch für den nachfolgend ergangenen Ausführungsbeschluss zur grundbücherlichen Einverleibung der rechtskräftig eingeräumten Legalservitut gelten. Als Buchberechtigte wurde die Rechtsmittelwerberin gemäß § 119 GBG hievon ohnedies verständigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs 1 NWG. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wurden durch ein "ungerechtfertigtes Einschreiten" im Sinne der zitierten Gesetzesstelle verursacht, was die Kostenersatzpflicht der Rechtmittelwerberin nach sich zieht.

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