Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 21. 5. 1997 wegen verschiedener Äußerungen, die er gegenüber dem Vorstandsdirektor der Beklagten abgegeben hatte, entlassen. Das Entlassungsschreiben wurde ihm zwischen dem 21. und dem 27. Mai 1997 zugestellt. In der Zeit vom 12. bis (jedenfalls) zum 27. 5. 1997 befand sich der Kläger ständig im Zustand einer akuten paranoiden Psychose, wobei sich seine Wahnideen auch auf die Beklagte bezogen; er war psychotisch verdichtet und nicht in der Lage, realitätskonform zu handeln. Er war zwar in der Lage, das ihm zugestellte Entlassungsschreiben als solches zu erkennen; im Zeitpunkt der Zustellung dieses Schreibens fehlte ihm aber die Möglichkeit, zweckentsprechend, vernünftig und umsichtig darauf zu reagieren.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Entlassungsschreibens völlig geschäftsunfähig gewesen, weshalb die Entlassung unheilbar unwirksam sei, ist zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist auszuführen:
Der wirksame Zugang einer empfangsbedürftigen Willenserklärung setzt zumindest dann, wenn die Erklärung für den Erklärungsempfänger nicht nur Vorteile mit sich bringt, auch die Geschäftsfähigkeit des Erklärungsempfängers voraus (SZ 54/72, SZ 57/52; JBl 1991, 113; DRdA 1996/18 [Dullinger]). Dieser Grundsatz gilt auch für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen, die auf die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sind (DRdA 1996/18). Eine Heilung der Rechtshandlungen geschäftsunfähiger Personen durch Genehmigung scheidet ebenso aus, wie rückwirkende Bestätigung nach Eintritt der Geschäftsfähigkeit (SZ 38/217; DRdA 1996/18; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 165). Ist daher der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zustellung der Entlassungserklärung geschäftsunfähig, ist die Erklärung unsanierbar unwirksam (DRdA 1996/18).
Die Feststellung eines geistigen Gebrechens ist eine irreversible Tatfrage; die Schlussfolgerung, ob eine Person aufgrund dieses Gebrechens ihre Angelegenheiten gehörig besorgen kann, ist hingegen eine Rechtsfrage (DRdA 1996/18; RIS-Justiz RS0014641; Aicher in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 21 mwN).
Nach dem festgestellten Sachverhalt fehlte dem zum Zeitpunkt der Zustellung der Entlassung an einer paranoiden Psychose leidenden Kläger die Möglichkeit, realitätskonform zu handeln und zweckentsprechend, vernüftig und umsichtig auf das Entlassungsschreiben zu reagieren. An diese Feststellungen ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Der Versuch, ihre Richtigkeit unter Hinweis auf den Umstand zu bestreiten, dass ein rechtskundiger Vertreter der Arbeiterkammer am 10. 7. 1997 namens des Klägers eine Klage auf Anfechtung der Entlassung einbrachte, stellt eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar. Auch ein die Verwertbarkeit der Feststellungen ausschließender Widerspruch wird damit nicht aufgezeigt, weil der Umstand, dass am 10. 7. 1997 namens des Klägers eine Klage eingebracht wurde, die Richtigkeit der Feststellung, der Kläger habe in der Zeit vom 12. bis 27. 5. 1997 nicht realitätskonform und vernünftig handeln können, nicht ausschließt. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Den geltend gemachten Verfahrensmangel (Unterbleiben der Aussage des Zeugen Dr. W*****) hat bereits das Berufungsgericht verneint; er kann daher in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (SZ 62/157; Arb
11.217 uva).
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seines Geisteszustandes im Zeitpunkt der Zustellung völlig geschäftsunfähig war und dass die Entlassung demgemäß unsanierbar unwirksam ist.
Der Hinweis des Revisionswerbers, dass dem Kläger, der im maßgebenden Zeitpunkt iS des Unterbringungsgesetzes (UbG) untergebracht war, die Hilfe des Patientenanwalts zur Verfügung gestanden sei, ändert an diesem Ergebnis nichts. Zwar wird § 14 Abs 1 UbG dahin interpretiert, dass der Patientenanwalt bei der Unterbringung ohne Verlangen nicht auf die Wahrnehmung der Rechte nach den §§ 33 bis 39 UbG beschränkt ist, sondern dass seine Vertretungsbefugnis auch andere subjektive Rechte, die dem Kranken nach sonstigen Bestimmungen zustehen (z. B. Grundrechte), umfasst. Die insofern bestehende Vertretungsbefugnis des Patientenanwalts ist aber auf die Wahrnehmung solcher Rechte zu beschränken, die mit der Unterbringung in einem unmittelbaren und typischen Zusammenhang stehen. Sie bezieht sich daher nicht auf Angelegenheiten, die mit der Unterbringung in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, sei es, dass sie mit der Unterbringung überhaupt nichts zu tun haben (z. B. Pensionsstreitigkeiten, Eheschließung etc), sei es, dass das Vertretungsbedürfnis nur zufällig durch die Unterbringung ausgelöst wurde, z. B. bei Miet-, Wohnungs- und auch Arbeitsangelegenheiten (so mit ausführlicher und zutreffender Begründung Kopetzki, Unterbringungsrecht II 733f; ebenso Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts 127; zustimmend Hopf/Aigner, Unterbringungsrecht, Anm 4 zu § 14 UbG).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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