Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Beklagte ist seit Mai 1981 bei den I***** beschäftigt; seit 1994 ist er Vorsitzender des Betriebsrates. Die Klägerin ist seit 1. 7. 1991 Sekretärin bei den I*****. Bis einschließlich November 1997 war sie dem Beklagten zugeteilt.
Anlässlich einer Revision des Betriebsratsfonds durch die Arbeiterkammer Ende Juli 1997 wurde den von ihr eingesetzten Kontrollpersonen nur ein kleiner Vermögensteil des Betriebsratsfonds offengelegt. Erhebliche Teile dieses Vermögens wurden den Revisoren verschwiegen bzw nicht bekanntgegeben. Mit Schreiben vom 12. 11. 1997 teilte die Klägerin einem Bediensteten der Arbeiterkammer Innsbruck mit, dass bei der Prüfung der Betriebsratsumlage zwei Sparbücher mit einer Einlage von ca S 750.000 verschwiegen und die Gelder zum Teil zweckentfremdet verwendet worden seien. Am 14. 10. 1997 kam es zwischen den Streitteilen zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Beklagte die Klägerin aus dem Büro verwies. Weiters ersuchte er den Direktor der I***** um Versetzung der Klägerin. Dem wurde nicht entsprochen. Nach diesem Tage äußerte die Klägerin in einem Kaffeehaus gegenüber einem dort beschäftigten Kellner, dass der Beklagte in die Kasse gegriffen bzw Geld unterschlagen habe und der Beklagte in einer Auseinandersetzung den Kürzeren ziehen werde. Im Betrieb der I***** kursierten in der Folge Gerüchte, wonach der Beklagte unerlaubt in die Kasse gegriffen habe. Dies veranlasste den Beklagten dazu, am 14. 12. 1997 ein Schreiben nachstehenden Inhaltes zu verfassen und an acht verschiedenen Stellen im Betrieb anschlagen zu lassen:
"... An alle Kolleginnen und Kollegen der I***** und S*****. Keine
weihnachtliche Geschichte aus dem Betriebsratsbüro. Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Euch allen ist noch bestens der Wirbel um die
Abstimmung vor einem Jahr wegen der Betriebsratsumlage in Erinnerung
... Nun habe ich vor einigen Tagen vom AK-Präsidenten Friedrich
D***** neuerlich eine Vorladung bekommen, weil angeblich wegen dem
Betriebsratsfonds noch etwas unklar wäre. Obwohl ich mich sogar bei
einem Rechtsanwalt erkundigte, habe ich bis jetzt nicht gehört, was
man eigentlich von mir will. Rein spekulativ mache ich mir doch
einige Gedanken und frage mich, ob dies nicht im Zusammenhang mit der
schweren Krise zwischen meiner Sekretärin und mir zu sehen ist. Ich
werfe ihr zwei Dinge vor, den Bruch von Schweige- und Treuepflicht
und zwar schon seit langem. Deswegen ist sie für den Betriebsrat und
mich untragbar geworden. Der Betriebsrat und ich haben nicht das
Geringste zu verbergen ... Mit kollegialen Grüßen
Betriebsratsvorsitzender B***** Helmut."
Das Schreiben blieb ca 14 Tage lang ausgehängt. Darauf reagierte die Klägerin mit einem Schreiben vom 22. 12. 1997, welches jedoch nur ca einen halben Tag lang im Schaukasten der F***** hing und auszugsweise lautete wie folgt:
"... Den Vorwurf der Verletzung der Schweige- und Treuepflicht muss ich entschieden zurückweisen! Die erhobenen Vorwürfe wurden niemals dokumentiert und sind durch nichts bewiesen. Herr B***** begeht mit diesen Anschuldigungen eine grobe Rufschädigung. Es ist außerdem verwunderlich, dass mein Vorgesetzter nicht schon früher Maßnahmen gegen die von ihm behaupteten, schweren Vergehen meinerseits ergriffen hat...".
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, 1) den Beklagten schuldig zu erkennen, den im Schreiben vom 14. 12. 1997 getätigten Vorwurf der Verletzung der Schweige- und Treupflicht der Klägerin zu widerrufen, und 2) die Klägerin zu ermächtigen, Kopf und Tenor des zu Punkt 1. beantragten Urteils in acht Schaukästen auszuhängen (... es folgt die Aufzählung jener Orte, an denen das Schreiben des Beklagten veröffentlicht worden war). Die Klägerin begründete ihr Begehren damit, dass durch die Äußerung des Beklagten ihre Reputation als Dienstnehmerin genauso gefährdet worden sei, wie ihr berufliches Fortkommen und damit ihr Kredit und Erwerb.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt die ihm vorgeworfene öffentliche Erklärung nicht, sondern bot den Wahrheitsbeweis an: Die Klägerin sei bereits im Dezember 1995 verwarnt worden, weil sie ihre Schweigepflicht insoweit verletzt habe, als sie an öffentlichem Orte bekanntgegeben habe, welche Kollegen zu Gehaltserhöhungen heranstünden. Weiters habe sie in einem Kaffeehaus unter für Mitarbeiter erkennbarer Bezugnahme auf einen Angestellten des Betriebes geäußert, dass dieser seinen Doktortitel während der Arbeitszeit erworben und sonst "für die Wäsch" sei. Weiters sei die Klägerin gegenüber einem anderen Mitarbeiter unhöflich und überheblich gewesen und habe ihre Auseinandersetzung mit dem Beklagten in die Öffentlichkeit getragen. Sie habe den Beklagten öffentlich geziehen, "in die Kassa gegriffen zu haben". Die Klägerin habe einem Außenstehenden Einsicht in die Gebarung des Betriebsratsfonds gewährt und letztlich einen Kassabeleg des Beklagten zum angeblichen Beweis seiner unerlaubten Kassamanipulationen öffentlich hergezeigt.
Das Erstgericht stellte zusätzlich fest, dass das Vorweisen eines Kassabeleges des Beklagten durch die Klägerin erst nach dem 14. 12. 1997 erfolgt und daher unerheblich sei. Ferner sei nicht erwiesen, dass die Klägerin einem Außenstehenden Einsicht in die Kassagebarung des Betriebsratsfonds gewährt habe.
Es vertrat die Rechtsansicht, dass das Schreiben des Beklagten vom 14. 12. 1997 keine adäquate Reaktion auf den Vorwurf der Klägerin gewesen sei, der Beklagte habe "unerlaubt in die Kasse gegriffen und Geld unterschlagen". Der Beklagte habe somit gegen § 1330 Abs 2 ABGB verstoßen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es erachtete die Feststellungen für ausreichend. Selbst bei Zutreffen der weiteren, nicht festgestellten Äußerungen der Klägerin (Bekanntgabe der Gehaltserhöhungen im Jahr 1995, "Doktortitel während der Arbeitszeit") sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, auf die von ihm gewählte Art in den Schutzbereich der Klägerin einzugreifen. Durch das auf das konkrete Verhalten der Klägerin nicht Bezug nehmende Schreiben seien deren Interessen unnötig verletzt worden, weil kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder doch der Mitteilungsempfänger bestanden habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit die Treuepflicht zwischen Arbeitnehmern eines Betriebes einerseits und die Befugnisse des Betriebsrats (dessen Vorsitzenden) andererseits im Sinne einer Interessenabwägung zu beurteilen seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht zulässig, weil weder die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage von der im § 46 Abs 1 ASGG genannten Bedeutung ist, noch der Revisionswerber eine solche Frage geltend macht.
Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung
(WBl 1991, 106 = EvBl 1991/61 = MR 1991, 20; 6 Ob 1043/94, zuletzt 8
ObA 187/97a) kann auch das Verbreiten wahrer Tatsachen rechtswidrig
in den Schutzbereich des Betroffenen eingreifen, was jedenfalls dann
zutrifft, wenn dessen Interessen unnötig verletzt werden, also kein
überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder doch des
Mitteilungsempfängers vorliegt (diese Frage offenlassend: 6 Ob
161/97p). Für die Beurteilung im Sinne des § 1330 ABGB kommt es immer
auf den Gesamteindruck der Tatsachenbehauptungen und das Verständnis
eines unbefangenen Durchschnittslesers an (stRsp zuletzt 6 Ob
161/97p). Der Beklagte nimmt in seinem Aushang ausschließlich auf
eine Revision durch die Arbeiterkammer, nicht aber auf die Äußerung
der Klägerin Bezug, wonach der Beklagte "in die Kassa gegriffen
habe". Für einen unbefangenen Leser ergibt sich somit weder ein
Zusammenhang mit dieser - im Falle des Nichtzutreffens sicher
unzulässigen - Äußerung der Klägerin, noch mit konkreten Schweige-
oder Treuepflichtverletzungen. Das Schreiben des Beklagten diente
somit nicht der Information, sondern gibt nur zu Spekulationen Anlass, die aber mit dem Beweggrund des Beklagten in keinem Zusammenhang stehen. Der vom Beklagten verfasste Aushang erweist sich somit als unsachliche Retorsionsmaßnahme, welche durch keinerlei Informationsbedürfnis des Adressatenkreises gerechtfertigt ist. Selbst wenn daher die im Revisionsverfahren noch gegenständlichen, vom Beklagten behaupteten früheren Handlungen der Klägerin als Verstöße gegen die Schweige- und/oder Treuepflicht zu werten wären, könnte dies zu keinem anderen Kalkül führen. Es kann daher auf sich beruhen, ob das frühere Verhalten der Klägerin, welches schon nach dem Vorbringen des Beklagten keineswegs als Dauerverhalten beurteilt werden kann und somit auch nicht die Bezeichnung "seit langem" rechtfertigen würde, als Schweige- und Treuepflichtverletzung zu werten wäre. Ob und inwieweit ein solcher Verstoß bei einer Interessenabwägung nach § 1330 ABGB zu berücksichtigen ist, kann überdies nur im Einzelfall beurteilt werden.
Die Klägerin, welche auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)