OGH 8Ob140/99t

OGH8Ob140/99t11.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen der A***** GmbH, ***** vertreten durch Hasch, Spohn, Richter & Partner, Rechtsanwälte in Linz, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Ernst Chalupsky, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. April 1999, GZ 2 R 80/99v-21, womit infolge Rekurses der Gemeinschuldnerin der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 12. März 1999, GZ 20 S 674/98p-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Schriftsatz ON 16 berichtete der Masseverwalter, dass das zuständige Finanzamt zur Hereinbringung aushaftender Abgaben Forderungen der Gemeinschuldnerin gegenüber deren Auftraggebern gepfändet und Zahlungen der Drittschuldner im Gesamtbetrag von rund 4,9 Mio S erwirkt habe. Diese Zahlungen seien gemäß § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar, weil dem Finanzamt die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sei oder zumindest habe bekannt sein müssen. Nachdem der Masseverwalter eine entsprechende Anfechtungserklärung abgegeben habe, habe der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts seine Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs erklärt, wonach 50 % der Anfechtungssumme, somit S 2,449.760, Zug um Zug gegen Verzicht auf die Einbringung einer Anfechtungsklage an die Konkursmasse bezahlt würden. Die Gemeinschuldnerin habe sich dahin geäußert, dass zumindest S 2,823.784,50 rückerstattet werden sollten. Dennoch erachte der Masseverwalter im Hinblick auf das nicht zu vernachlässigende Prozess- und Kostenrisiko sowie im Sinne einer ökonomischen und raschen Abwicklung des Konkursverfahrens die Annahme des Vergleichsvorschlags der Abgabenbehörde für sinnvoll. Er beantrage daher den Abschluss des vom Finanzamt angebotenen Vergleichs gemäß §§ 90, 116 Z 2 KO zu genehmigen.

Das Konkursgericht wies den Antrag des Masseverwalters auf Genehmigung eines außergerichtlichen Vergleichs zurück, erklärte jedoch im Sinne des § 114 Abs 1 KO, "dass von Seiten des Gerichts keine Einwände gegen die Unterfertigung des gegenständlichen Vergleichs bestehen". Gemäß § 37 Abs 1 KO stehe das Recht zur Anfechtung allein (und damit auch alleinverantwortlich) dem Masseverwalter zu. § 116 Z 2 KO sei nach dem System der Konkursordnung auf Anfechtungsansprüche nicht anzuwenden, weil sich diese Bestimmung im 6. Abschnitt des Ersten Hauptstücks befinde, während "das Anfechtungsrecht einen ganz eigenen, nämlich den zweiten Abschnitt des Ersten Hauptstücks" darstelle. Daraus könne nur geschlossen werden, dass "die Anfechtungsproblematik grundsätzlich vom Problemkreis der Verfügungen über das Massevermögen zu trennen" sei. Aus diesen Überlegungen ergebe sich zweifelsfrei, dass es allein dem Masseverwalter obliege, über das vorliegende Vergleichsangebot zu entscheiden. Das Konkursgericht solle und könne ihm dies nicht abnehmen. Es sei festzuhalten, dass die im zweiten Teil des Spruchs enthaltene positive Stellungnahme zur Unterfertigung des Vergleichs lediglich auf Grundlage der Ausführungen des Masseverwalters erfolge.

Das Gericht zweiter Instanz hob mit dem angefochtenen Beschluss diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag des Masseverwalters nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Der Begriff "Vergleich" im § 116 Z 2 KO werde vom Gesetzgeber nicht auf gerichtliche Vergleiche eingeschränkt, sondern umfasse selbstverständlich auch außergerichtliche Vergleiche. Der Hinweis des Erstgerichtes auf die Systematik der Konkursordnung gehe schon deshalb fehl, weil zu Beginn des 6. Abschnittes im § 114 Abs 1 KO dem Masseverwalter unter anderem zur Pflicht gemacht werde, bei Erhebung von Anfechtungsklagen die Äußerung des Gläubigerausschusses einzuholen. Damit sei es aber selbstverständlich, dass auch die vergleichsweise Abfindung eines Anfechtungsanspruches unter die Genehmigungspflicht nach § 116 Z 2 KO falle. Sei ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, könne sich der Konkursrichter dieser Genehmigungspflicht nicht entziehen. Das Erstgericht werde daher über den Antrag des Masseverwalters meritorisch zu entscheiden haben.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Masseverwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl der Beschluss des Rekursgerichtes im Ergebnis der ursprünglichen Rechtsansicht des Masseverwalters, der von ihm angestrebte Vergleich sei gemäß § 116 Z 2 KO genehmigungspflichtig, Rechnung trägt, kann dem Masseverwalter dennoch die die Zulässigkeit seines Rechtsmittels begründende Beschwer nicht abgesprochen werden, wird doch durch die divergierenden Beschlüsse der Vorinstanzen seine verfahrensrechtliche Stellung ganz wesentlich betroffen. Ungeachtet der Formulierung des an das Erstgericht gestellten Antrags liegt das Rekursinteresse jedenfalls in der endgültigen Klarstellung der Grenzen eigenverantwortlichen Handelns des Masseverwalters.

Gemäß § 83 Abs 1 KO ist der Masseverwalter im Verhältnis zu Dritten - außer in den Fällen der §§ 116 und 117 KO - kraft seiner Bestellung befugt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt, insoweit nicht das Konkursgericht im einzelnen Fall eine Beschränkung der Befugnisse des Masseverwalters verfügt und dem Dritten bekanntgegeben hat. Durch die Bestimmung der §§ 116, 117 KO durchbricht die Konkursordnung somit den den Bedürfnissen der Rechtssicherheit entsprechenden Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht des Masseverwalters und behält bestimmte Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen mit Rücksicht auf ihre Eigenart und ihre Bedeutung abgestuft der Genehmigung weiterer Konkursorgane vor (EvBl 1978/181; 8 Ob 12/91). Gemäß § 116 Z 2 KO bedarf die Entscheidung über den Abschluss von Vergleichen oder von Schiedsverträgen der Genehmigung des Gläubigerausschusses, wenn es sich um einen Wert von mehr als S 500.000 handelt. Wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, ist eine Beschränkung dieser Bestimmung dahin, dass genehmigungspflichtig nur gerichtliche Vergleiche wären, dem Gesetz nicht zu entnehmen, sodass grundsätzlich auch außergerichtliche Vergleiche bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen vom Masseverwalter nicht ohne Mitwirkung der zuständigen Konkursorgane abgeschlossen werden können.

Wie Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 412, ausführlich darstellen, kommt dem außergerichtlichen Vergleich gerade bei der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen besondere Bedeutung zu. Der Anfechtungsanspruch entsteht nämlich gegenüber dem Anfechtungsgegner bereits mit der Konkurseröffnung (EvBl 1966/285; SZ 62/163), und kann daher auch ohne Klagsführung erfüllt werden. Zur Vermeidung der Kostenfolgen des § 45 ZPO ist es geboten, vor einer Klagsführung den Anfechtungsgegner zur Leistung und zum Gegenstandlosmachen des Rechtsgestaltungsanspruchs zu veranlassen. Daher kann sich die Masse über den Anfechtungsanspruch auch privatrechtlich vergleichen. Die genannten Autoren verweisen aaO 413 ausdrücklich darauf, dass ein derartiger Vergleich gemäß § 116 Z 2 KO der Genehmigung des Gläubigerausschusses bedürfe. Diese Ansicht teilt offenbar auch König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2, der in Rz 436 ausführt, dass bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung zwischen Masseverwalter und Anfechtungsgegner die §§ 116 Z 2, 118 KO zu beachten seien.

Gegen diese gewichtigen Lehrmeinungen spricht auch nicht die Systematik der Konkursordnung, weil es § 114 Abs 1 KO dem Masseverwalter unter anderem zur Pflicht macht, bei Erhebung von Anfechtungsklagen oder Eintritt in Anfechtungsprozesse die Äußerung des Gläubigerausschusses einzuholen. Die im Revisionsrekurs vertretene Ansicht, es handle sich bei dieser Gesetzesbestimmung um ein "Ventil" zur Vermeidung aussichtsloser Anfechtungsprozesse, mag grundsätzlich zutreffen, ist jedoch kein taugliches Argument gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe auch die Tätigkeit des Masseverwalters im Zusammenhang mit der Anfechtung von Rechtshandlungen an die im 6. Abschnitt der Konkursordnung vorgesehene Mitwirkung der Konkursorgane binden wollen.

§ 37 KO normiert das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters, das ihm allein die Anfechtung im Konkurs vorbehält und alle Konkursgläubiger an jede Art der Ausübung oder Nichtausübung des Anfechtungsanspruchs bindet (SZ 50/39). Der Masseverwalter macht Rechte der Konkursmasse geltend, der Anfechtungserfolg ist gemäß § 39 Abs 1 KO "zur Konkursmasse", d.h. in die Konkursmasse zu leisten (SZ 54/153 mwH). Durch die Regelung des § 37 KO soll der Grundsatz des Zuvorkommens eines anfechtungsberechtigten Einzelgläubigers im Falle der Eröffnung des Konkurses durch den dieses Verfahren beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger zurückgedrängt werden. Aus diesem Grund verliert der Einzelanfechtungsgläubiger während der Konkursdauer grundsätzlich die Ausübungsbefugnis seines Anfechtungsrechts (SZ 55/97). Ziel des Anfechtungsanspruchs ist es demnach, jenen Zustand herzustellen, in dem sich die Masse befände, wenn die anfechtbare Handlung nicht vorgenommen worden wäre (SZ 59/228; SZ 62/163). Nur diese Zielsetzung erklärt das Anfechtungsmonopol des Masseverwalters. Ein Anhaltspunkt, dass darüber hinaus der Masseverwalter für den Bereich des Anfechtungsrechts selbstständig ohne die sonst erforderliche Mitwirkung der Konkursorgane handeln könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und kann ihm auch sinnvollerweise nicht unterstellt werden. Dem Einwand im Revisionsrekurs, in den meisten Fällen sei Anfechtungsgegner ein Konkursgläubiger, ist mit dem Hinweis auf Pflichten und Verantwortlichkeit des Gläubigerausschusses gemäß § 89 KO sowie die dem Konkursgericht im § 95 KO eingeräumte Möglichkeit der Untersagung der Ausführung von Beschlüssen des Gläubigerausschusses und der Anrufung der Gläubigerversammlung zu entgegnen, wobei in letzterem Zusammenhang noch darauf zu verweisen ist, dass dem Konkursgläubiger gemäß § 92 Abs 4 KO in eigener Sache kein Stimmrecht zukommt.

Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass auch über Anfechtungsansprüche abgeschlossene Vergleiche gemäß § 116 Z 2 KO der Genehmigung des Gläubigerausschusses bedürfen, wenn der betroffene Wert S 500.000 übersteigt. Da im hier zu beurteilenden Konkursverfahren ein Gläubigerausschuss nicht bestellt ist, kommen die diesem zugewiesenen Obliegenheiten gemäß § 90 KO dem Konkursgericht zu, das daher über den Antrag des Masseverwalters meritorisch zu entscheiden haben wird.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

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