OGH 7Ob254/99z

OGH7Ob254/99z10.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 17. September 1995 verstorbenen Dr. Josef L*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Separationskurators Mag. Reinhold S*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Juni 1999, GZ 44 R 447/99g-165, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27. April 1999, GZ 2 A 425/95p-153, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Erblasser kam am 17. 9. 1995 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Mit ihm starben seine (zweite) Ehefrau Dr. Gertrude L***** und die seiner Ehe mit dieser entstammende Tochter Jutta. Er hinterließ drei Kinder: Seine beiden weiteren Kinder aus zweiter Ehe Siegfried L***** und Irmgard W*****, geborene L*****, denen als erbserklärte Erben mit Beschluss des Erstgerichts vom 14. 2. 1996 gemäß § 145 AußStrG und § 810 ABGB die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde, und den seiner ersten Ehe entstammenden Sohn Dr. Wolfgang L*****, der seinen Pflichtteilsanspruch mit Erbschaftskaufvertrag vom 30. 6. 1997 an Christoph U***** verkaufte. Diesem wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. 6. 1998 die Nachlassseparation bewilligt. Zum Nachlasskuratur wurde Mag. Reinhold S***** bestellt.

Dieser stellte mit Schriftsatz vom 26. 4. 1999 (ON 152) unter anderem den Antrag, die erbserklärten Erben aufzufordern, je S 1,540.000,-- auf sein Konto als Separationskurator zu überweisen. Laut (unter einem vorgelegter) schriftlicher Mitteilung der A***** Versicherung, ***** habe diese aus einem Lebensversicherungsvertrag der Versicherungsnehmerin Dr. Gertrude L***** an die erbserklärten Erben Irmgard W***** und Siegfried L***** je S 1,540.000,-- ausbezahlt. Die Versicherungssumme falle in den Nachlass des Erblassers, da dieser Bezugsberechtigter der Lebensversicherung seiner Ehefrau gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Separationskurators statt.

Das Rekursgericht gab dem von den erbserklärten Erben dagegen erhobenen Rekurs Folge und änderte mit dem nun insoweit angefochtenen Beschluss die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag des Separationskurators, (die erbserklärten Erben aufzufordern), die Beträge von je S 1,540.000,-- auf ein bezeichnetes Konto zu überweisen, abwies. Die A***** Versicherung habe dem Rekursgericht bekanntgegeben, dass die Versicherungssumme aus dem Versicherungsvertrag von Dr. Gertrude L***** deshalb an Irmgeld W***** und Siegfried L***** ausbezahlt worden sei, da sich diese als Erben deklariert hätten. Ob die Empfänger der Beträge sich als Erben nach Dr. Gertrude L***** oder nach Dr. Josef L***** geriert oder ihre Berechtigung urkundlich belegt hätten, sei nicht ausgeführt worden. Dies könne aber dahingestellt bleiben, da außer Zweifel stehe, dass die erbserklärten Erben die Versicherungssumme unmittelbar vom Versicherungsunternehmen erhalten und die Beträge somit nicht der Verlassenschaft entzogen hätten. Stünde die Versicherungssumme dem Nachlass nach Dr. Josef L***** zu, wäre der Versicherungsvertrag nicht erfüllt, da in diesem Falle nicht an die tatsächlich begünstigten Personen bezahlt worden sei. Die Leistung der Versicherung hätte somit keine schuldbefreiende Wirkung und es stünde der Verlassenschaft weiterhin die Geltendmachung des Anspruches aus dem Versicherungsvertrag gegenüber der A***** zu. Ob diese auch berechtigt wäre, die an Irmgard W***** und Siegfried L***** ausbezahlten Beträge zurückzufordern, sei nicht im Verlassenschaftsverfahren zu erörtern. Es bestehe jedenfalls weder eine vertragliche, noch durch Delikt begründete Verpflichtung der erbserklärten Erben gegenüber der Verlassenschaft, die ihnen unmittelbar von der Versicherung zugekommenen Beträge an die Verlassenschaft zu bezahlen. Selbst wenn ein solcher Anspruch bestünde, wäre es unzulässig, die erbserklärten Erben beschlussmäßig aufzufordern, die erhaltenen Beträge an die Verlassenschaft zu bezahlen, da dies den Anschein eines "rechtlich begründeten Anspruchs" erweckte, auch wenn damit keine Exekutionsandrohung verbunden wäre. Ein formloses Ersuchen, das zulässig wäre, wäre daher auch nicht in Beschlussform zu kleiden gewesen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu beantworten gewesen seien.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG nicht gebunden ist, zwar zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Auffassung des Revisionsrekurswerbers, dass die Versicherungssumme aus der Lebensversicherung der zweiten Ehefrau des Erblassers, die beim selben Flugzeugabsturz und daher offenbar gleichzeitig mit diesem ums Leben gekommen ist, nicht in deren, sondern in dessen Nachlass falle, kann nicht geteilt werden:

Wie der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 21/76 (= SZ 49/41 = VersR 1977, 464 = NZ 1978, 9) ausgeführt hat, steht gemäß § 168 VersVG das Recht auf die Leistung des Versicherers, falls es bei einer Kapitalversicherung vom bezugsberechtigten Dritten nicht erworben wird, dem Versicherungsnehmer zu. Der Hauptfall des Nichterwerbes dieses Rechtes durch den Begünstigten ist dessen Tod vor Eintritt des Versicherungsfalles. Da nämlich nach § 166 Abs 2 VersVG ein als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter, wenn der Versicherungsnehmer nichts Abweichendes bestimmt, das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erwirbt, kann ein solcher Erwerb bei vorher eingetretenem Tod des Begünstigten nicht erfolgen. Der Begünstigte hat bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nur ein Anwartschaftsrecht, das unvererblich ist (VersR 1967, 597; SZ 59/114 = RdW 1986, 370 = JBl 1987, 46; Ehrenzweig, VersR 1952, 411; Klang2 III 17, Preslmayr in JBl 1961, 402; Prölss-Martin, VVG26, 823 und 1743 sowie BK/Schwintowski zu § 166 VVG Rn 18 mwN). Nur wenn die Begünstigung unwiderruflich wäre, was im Hinblick auf § 166 Abs 2 VersVG jedoch ausdrücklich vereinbart werden müsste (SZ 57/73 ua), würde der Rechtserwerb schon vor dem Versicherungsfall eintreten, was zu seiner Vererblichkeit führen müsste (vgl Ehrenzweig aaO; Preslmayr aaO; vgl auch Fenyves, Wertung und Interessenausgleich im Recht 50 f, der allerdings primär darauf abstellt, ob der Versicherungsnehmer erkennbar die Versicherungsleistung nur dem ursprünglich Begünstigten zuwenden wollte). Zankl, Lebensversicherung und Nachlass, NZ 1985, 81 ff vertritt dagegen die Ansicht, dass die Bestimmung des § 166 Abs 2 VersVG auf beide Fälle des § 166 Abs 1 VersVG zu erstrecken sei, sodass - mangels gegenteiliger Anordnung des Versicherungsnehmers - der Bezugsberechtigte auch bei unwiderruflicher Begünstigung den Anspruch nicht sofort erwerbe und daher nicht vererben könne. Darauf muss hier nicht weiter eingegangen werden, weil eine unwiderrufliche Begünstigung des Erblassers im gegenständlichen Lebensversicherungsvertrag nach der Aktenlage nicht vorgenommen und vom Separationskurator auch gar nicht behauptet wurde.

Die Erwägungen, die dazu führen, dass die Versicherungssumme im Falle des Vorversterbens (jedenfalls) des (nicht unwiderruflich) Begünstigten nicht in dessen Nachlass fällt, führen aber auch im gegenständlichen, erstmals an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Fall des gleichzeitigen Ablebens des Versicherungsnehmers und des laut Versicherungsvertrag (nicht unwiderruflich) Begünstigten zum gleichen Ergebnis: Bereits wiederholt hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme (nur) dann Bestandteil des Nachlasses des Versicherungsnehmers ist, wenn kein Begünstigter existiert (7 Ob 622, 623/95 = VersR 1997, 1123; 7 Ob 158/98f; vgl auch SZ 13/53; SZ 17/125). Ein Begünstigter ist aber auch dann nicht (mehr) vorhanden, wenn der Begünstigte gleichzeitig mit dem Versicherungsnehmer stirbt (vgl dazu § 11 TEG sowie Eccher in Schwimann ABGB2 § 536 Rz 2 und § 703 Rz 1 sowie Welser in Rummel ABGB2 § 536 Rz 1). Das Ergebnis, dass bei gleichzeitigem Ableben des Versicherungsnehmers und des (widerruflich) Begünstigten die Versicherungssumme in den Nachlass des ersteren und nicht des letzteren fällt, entspricht auch dem von Zankl (aaO [86]) zutreffend formulierten Gedanken, dass der Versicherungsnehmer, der eine bestimmte Person als bezugsberechtigt bezeichnet, typischerweise die Versorgung gerade dieser Person beabsichtigt, nicht aber ihrer Rechtsnachfolger, die ihm bei der Bezeichnung meist noch gar nicht bekannt sind.

Fällt aber im vorliegenden Fall die Versicherungssumme, über die im Rahmen der Nachlassseparation verfügt werden soll, demnach gar nicht in den Nachlass des Erblassers, ist die antragsabweisende Entscheidung des Rekursgerichtes im Ergebnis jedenfalls zutreffend. Ohne dass auf die Argumente, mit denen der Separationskurator den Ausführungen der zweiten Instanz entgegentritt, noch einzugehen wäre, ist der Beschluss des Rekursgerichtes daher zu bestätigen.

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