OGH 9ObA249/99d

OGH9ObA249/99d3.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Zeitler und Dr. Hajek als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien

  1. 1) Premysl A*****, Arbeiter, *****, 2) Yasar E*****, Arbeiter, *****,
  2. 3) Veysell E*****, Arbeiter, *****, alle vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Helmut H*****, Inhaber einer Baumschule, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg, wegen 1) S 163.328,47 brutto sA, 2) S 187.965,12 brutto sA, 3) S 165.451,19 brutto sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juni 1999, GZ 8 Ra 74/99g-26, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Dezember 1998, GZ 7 Cga 108/97h-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig,

a) der erstklagenden Partei S 163.328,47 brutto samt 4,5% Zinsen seit 22. 12. 1996

b) der zweitklagenden Partei S 187.965,12 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 22. 12. 1996 und

c) der drittklagenden Partei S 165.451,19 brutto samt 4,5 % Zinsen seit 19. 12. 1996

binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig,

a) der erstklagenden Partei die mit S 10.330,- bestimmten Barauslagen des Verfahrens erster Instanz und die mit S 6.626.66 bestimmten Barauslagen des Verfahrens zweiter Instanz

b) der zweitklagenden und der drittklagenden Partei die jeweils mit S 6.890,- bestimmten Barauslagen des Verfahrens erster Instanz und die jeweils mit S 6.626.66 bestimmten Barauslagen des Verfahrens zweiter Instanz

c) dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss, den mit insgesamt S 17.100,- bestimmten Aufwandersatz für das erstinstanzliche Verfahren und den mit S 3.600,- bestimmten Aufwandersatz für das zweitinstanzliche Verfahren

binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, den drei klagenden Parteien die jeweils mit S 17.051,11 (darin enthalten je S 1.369,07 Umsatzsteuer und je S 8.836,66 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehrten vom Beklagten die im Spruch genannten Beträge. Sie seien seit 1982 (Erst- und Zweitkläger) bzw. 1980 (Drittkläger) mit saisonalen Unterbrechungen, während derer sie "stempeln" geschickt worden seien, beim Beklagten beschäftigt. Ihre Arbeitsverhältnisse seien vom Beklagten im Dezember 1996 wegen witterungsbedingten Arbeitsmangels aufgelöst worden. Da nach den §§ 18 und 19 des auf die Arbeitsverhältnisse anzuwendenden Kollektivvertrages für die Dienstnehmer in den Gartenbaubetrieben der Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland die zurückgelegten Dienstzeiten zusammenzurechnen seien, stehe ihnen eine Abfertigung in der begehrten Höhe zu.

Der Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Da die Kläger ihre Arbeitsverhältnisse durch unbegründeten vorzeitigen Austritt selbst beendet hätten, stehe ihnen keine Abfertigung zu.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger waren beim Beklagten als Gartenarbeiter beschäftigt, der Erstkläger seit 10. 3. 1982, der Zweitkläger seit 29. 3. 1982 und der Drittkläger seit 21. 5. 1980. Die Arbeitsverhältnisse waren jeweils im Winter "saisonal unterbrochen". Kurz vor Weihnachten jeden Jahres vereinbarten die Kläger mit dem Beklagten, dass sie nun "stempeln gehen werden" und sich der Beklagte bei Saisonbeginn wieder bei ihnen melden werde. Ab Anfang bis Mitte März des jeweils nächsten Jahres wurden die Kläger dann wieder vom Beklagten beschäftigt. Die "Beendigung und Neubegründung" der Arbeitsverhältnisse lag im beiderseitigen Interesse und erfolgte auf beiderseitigen Wunsch, weil sich sonst - was beide Seiten nicht wollten - wegen der in der Winterzeit geringeren Beschäftigungsmöglichkeiten eine große Anzahl von Fehlstunden angesammelt hätte, die in der nächsten Saison im Wege von Überstunden wieder hätten hereingebracht werden müssen. Erklärte einer der Arbeiter des Beklagten, er wolle durchgehend gemeldet sein, beließ es der Beklagte dabei und meldete ihn nicht ab.

Im letzten Jahr ihrer Beschäftigung wurden die Kläger mit 22. 12. 1996 (Erst und Zweitkläger) bzw. mit 19. 12. 1996 (Drittkläger) abgemeldet und auch abgerechnet; dies abermals nicht aufgrund einer einseitigen Anordnung des Beklagten sondern im beiderseitigen Einvernehmen (an anderer Stelle der Feststellungen ist von einem entsprechenden Wunsch der Kläger die Rede, die Arbeitslosengeld beziehen wollten). "Eine Beendigung der Dienstverhältnisse wurde damit von keinem der Beteiligten angestrebt." In die Abmeldung wurde der Vermerk "witterungsbedingter Arbeitsmangel" aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass die Kläger jetzt "stempeln gehen" und der Beklagte sich dann wieder melden werde. Die Kläger erwähnten nicht, an einer Wiedereinstellung im Frühjahr nicht interessiert zu sein; der Beklagte vertraute darauf, dass ihm die Kläger im Frühjahr wieder zur Verfügung stehen werden. Die Kläger bezogen sodann Arbeitslosengeld.

Als der Beklagte Mitte Februar 1997 die Kläger anrief, um sie zum Arbeitsantritt Anfang März aufzufordern, wurde er zunächst vertröstet. Als er die Kläger schließlich über das Arbeitsamt anforderte, erfuhr er, dass sie im Begriff waren, eine Beschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen aufzunehmen.

"Zusammenfassend" stellte das Erstgericht schließlich fest, dass die Kläger und der Beklagte Ende Dezember 1996 eine "Aussetzungsvereinbarung" abgeschlossen haben; die Beklagten seien den daraus resultierenden Verpflichtungen nicht nachgekommen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass - der langjährigen Übung der Streitteile entsprechend - von einer Aussetzungsvereinbarung auszugehen sei, nach der die Dienstverhältnisse während des Winters unterbrochen gewesen seien und im Folgejahr hätten fortgesetzt werden sollen. Die Arbeitsverhältnisse seien also jeweils beendet worden, jedoch hätten die Kläger eine Wiedereinstellungszusage gehabt bzw. sei eine Wiedereinstellungsvereinbarung getroffen worden. Da also eine Aussetzung unter Aufrechterhaltung des Rechtsbandes (Verpflichtung zur Wiedereinstellung) vorgelegen sei, sei von einem Vertragsbruch der Kläger auszugehen, der den Verlust des Abfertigungsanspruchs zur Folge habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat die Rechtsauffassung, dass die Arbeitsverhältnisse der Kläger im Dezember 1996 ungeachtet des nachfolgenden Bezuges von Arbeitslosengeldes nicht beendet worden seien, sondern dass von einer echten Karenzierung auszugehen sei, die die Arbeitsverhältnisse nicht beendet habe. Da die Bestimmungen des § 9 Abs 6 und 7 AlVG auf Karenzierungen nicht anzuwenden sei, sei der - wenn auch über Vermittlung des Arbeitsamtes erfolgte - Antritt eines neuen Postens als unberechtigter Austritt zu werten, sodass den Klägern keine Abfertigung zustehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, weil zwischen den Parteien die Art der Beendigung der Arbeitsverhältnisse strittig ist (§ 46 Abs 3 Z 1 ASGG); sie ist auch berechtigt.

Ob die Parteien des Arbeitsverhältnisses dessen Unterbrechung (mit Beendigungswirkung) oder eine (keine Beendigung darstellende) Karenzierung (= Aussetzung) vereinbart haben, ist aus dem nach § 914 ff ABGB unter Erforschung der wahren Parteienabsicht zu ermittelnden Inhalt der zwischen ihnen abgeschlossenen Vereinbarung zu beurteilen. Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtbeurteilung die Umstände, die für das Vorliegen einer (mit einer Wiedereinstellungszusage oder einer Wiedereinstellungsvereinbarung verbundenen) Unterbrechung sprechen, gegenüber den Umständen überwiegen, die auf das Vorliegen einer Karenzierung hindeuten (DRdA 1997/23; Arb 11.688 uva). Der Arbeitgeber, der die Arbeitsverhältnisse mit dem Arbeitnehmer anlässlich jeder saisonalen Unterbrechung durch Auszahlung der aliquoten Sonderzahlungen und der Urlaubsabfindung abwickelt, bringt damit seinen Willen, die Arbeitsverhältnisse nicht bloß auszusetzen, sondern jeweils zu beenden, hinreichend deutlich zum Ausdruck (DRdA 1997/23; Arb 11.688). Überdies vertritt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, dass in Fällen, in denen die Erforschung des Parteiwillens keinen eindeutigen Sinn ergibt, die Absicht, den Arbeitnehmer mit dessen Einverständnis "stempeln" zu schicken, in Verbindung mit der auf eine Beendigung des Dienstverhältnisses hinweisenden Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse, nach der Übung des redlichen Verkehrs ebenfalls ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ist, weil die durch das "Stempelngehen" geäußerte Absicht der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und nicht anzunehmen ist, dass die Arbeitsvertragsparteien sich wegen Errichtung oder Verwendung einer "Lugurkunde" iSd § 239 StGB strafbar und gemäß § 25 AlVG regresspflichtig machen wollten. (DRdA 1997/23; Arb 11.499; Arb 11.688; zuletzt 9 ObA 25/99p).

Reduziert man die mit (teils unzutreffenden) rechtlichen Wertungen durchsetzten erstgerichtlichen Feststellungen auf ihren Tatsachenkern, zeigt sich, dass auch im hier zu beurteilenden Fall davon auszugehen ist, dass die Arbeitsverhältnisse der Kläger jedenfalls im Dezember 1996 abgerechnet wurden (für die Vorjahre fehlt es dazu an Feststellungen) und dass die Streitteile übereinkamen, dass die Kläger "stempeln" gehen sollten. Demgemäß wurde die Kläger unter Hinweis auf die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse abgemeldet. Im Sinne der eben erläuterten Rechtslage spricht daher alles für die Annahme der Beendigung der Arbeitsverhältnisse, verbunden mit einer - insofern sind die um rechtliche Wertungen bereinigten Tatsachenfeststellungen nicht eindeutig - Wiedereinstellungszusage oder einer Wiedereinstellungsvereinbarung. Feststellungen, die auf eine anderslautende Parteienabsicht schließen lassen könnten, liegen nicht vor. Die begründungslos und ohne jeden Zusammenhang zu konkreten Sachverhaltselementen getroffene "Feststellung", dass die Parteien eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht anstrebten, bringt offenkundig eine rechtliche Wertung des Erstgerichtes zum Ausdruck und erlaubt in tatsächlicher Hinsicht - wenn überhaupt - nur den Schluss, dass die Streitteile wie in den Vorjahren mit einer Fortsetzung der Tätigkeit der Kläger zu Saisonbeginn rechneten. Dies ist im Hinblick auf die Zusage (oder Vereinbarung) der Wiedereinstellung im Zusammenhalt mit den Erfahrungen aus den Vorjahren auch ohne die Annahme einer Karenzierung der Arbeitsverhältnisse erklärbar. Dass keine Abfertigungen ausgezahlt wurde, schließt unter den gegebenen Umständen die Annahme einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse ebenfalls nicht aus, weil im Hinblick auf die noch zu erörternde Zusammenrechnungsanordnung im Kollektivvertrag und auf die damals offenkundig bestandene Absicht, im Frühjahr wieder Arbeitsverhältnisse zu begründen, kein Anlass zur sofortigen Geltendmachung der Abfertigung bestand.

Da somit die Arbeitsverhältnisse im Dezember 1996 durch Vereinbarung einvernehmlich beendet wurden, ist der Annahme des Berufungsgerichtes, die Kläger seien - weil sie im Frühjahr die Arbeit nicht wieder aufgenommen hätten - unberechtigt ausgetreten, unzutreffend. Dass die Kläger selbst unter der Annahme einer Wiedereinstellungsvereinbarung durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Dritten ihre mit der Beendigung der Arbeitsverhältnisse zum Kläger entstandenen Ansprüche nicht verloren, ergibt sich aus § 9 Abs 7 AlVG.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Kläger ist auf ihre Arbeitsverhältnisse der Kollektivvertrag für die Dienstnehmer in den Gartenbaubetrieben der Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland anzuwenden. Nach dessen § 19 Abs 1 werden zur Berechnung ua der Abfertigung "für nicht ununterbrochen beschäftigte Dienstnehmer ... die Arbeitszeiten ab 1. Jänner 1958 zusammengezählt. Zusammenzuzählen sind die in ein und demselben Betrieb geleisteten Arbeitszeiten, sobald in jedem Jahre eine Beschäftigung nachgewiesen werden kann. Dienstnehmer, die in einem Jahr mindestens 240 Arbeitstage erreichen, gelten als das ganze Jahr hindurch beschäftigt". Den Klägern ist daher beizupflichten, dass ihnen auf der Grundlage der gesamten seit ihrem erstmaligen Arbeitsantritt beim Beklagten zurückgelegten Zeit Abfertigungen zustehen.

Der Höhe nach wurden die geltend gemachten Abfertigungen außer Streit gestellt (je ON 3 der Akten); die Zinsenbegehren der Kläger blieben unbestritten.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO und § 58a ASGG. Die von der Klägerseite aufgebrachten Dolmetschgebühren sind offenkundig vom Erstkläger getragen worden, der sie auch verzeichnet hat. Trotz der Verbindung der Verfahren war der Aufwandersatz für das Verfahren erster Instanz dreimal zuzusprechen, weil die Verbindung erst in der dritten Tagsatzung erfolgte. Damit sind aber auch die vom Vertreter der Gewerkschaft verzeichneten Fahrtkosten abgegolten (SZ 71/111). Die von den Klägern gemeinsam verzeichneten Kosten waren ihnen im Verhältnis ihrer Klageforderungen zuzusprechen; da diese annähernd gleich hoch waren, somit zu je einem Drittel. Der in der Revision verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht den Klägern zu (Arb 10.480), nicht aber für die Pauschalgebühr.

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