OGH 1Ob251/99i

OGH1Ob251/99i27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum, Dr. Günther Schmied, Dr. Georg Seebacher und Dr. Werner Mecenovic, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Abwasserverband M***** vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 4,833.976,69 sA, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. April 1999, GZ 4 R 71/99i-30, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Dezember 1998, GZ 12 Cg 79/97m-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei erhielt von der beklagten Partei den Auftrag, im Zuge von Kanalisationsarbeiten in einer Gemeinde Baumeisterarbeiten durchzuführen. Der Bürgermeister dieser Gemeinde war für das Bauvorhaben verantwortlich und ist Vorstandsmitglied der beklagten Partei. In deren Auftrag hatte ein Zivilingenieur das Bauvorhaben getrennt nach den Arbeitsbereichen "Verbandssammler" und "Ortsnetz" mit detaillierten Leistungspositionen ausgeschrieben. Die Textbausteine für die einzelnen Leistungen wurden aus dem "Verbindlichen Leistungsbuch Siedlungs- und Industriewasserbau LB- SW -003" entnommen. Die Ausschreibung der strittigen Positionen erfolgte im Leistungsverzeichnis wie folgt:

a) für das Ortsnetz

-Pos 300101A "Laden maschinell: 3.000 m3

-Pos 300103E "Transport bis 2000 m": 3.000 m3

-Pos 300301A "Transportkosten Eluatkl.I": 30 m3

-Pos 300301B "Wiederverwend.-Deponiek.I": 30 m3

b) für den Verbandssammler

-Pos 300101A "Laden maschinell": 1.500 m3

-Pos 300103E "Transport bis 2000 m": 1.500 m3

-Pos 300301A "Transportkosten Eluatkl.I": 20 m3

-Pos 300301B "Wiederverwend.-Deponiek.I": 20 m3.

Die Position 3001 umfasst nur den Transport und das Abladen des Erdmaterials auf Deponien des Auftraggebers bis zu einer Distanz von höchstens 2000 m. Für ein allfälliges Gleichschieben oder Planieren ist in diesem Fall der Auftraggeber zuständig. Beim Erstellen des Anbots der klagenden Partei fiel dem Verfasser auf, dass unter den Positionen 300301A und B nur eine geringe Menge ausgeschrieben war. Die klagende Partei bot auf Grund der Ausschreibung zu folgenden Preisen an:

1. Ortsnetz

-Pos 300101A "Laden maschinell": 3.000 m3 S 1,54

-Pos 300103E "Transport bis 2000 m": 3.000 m3 S 7,62

-Pos 300301A "Transportkosten Eluatkl.I":

30 m3 S 326,70

-Pos 300301B "Wiederverwend.Deponiek.I":

30 m3 S 495,--

2. Verbandssammler

-Pos 300101A "Laden maschinell": 1.500 m3 S 1,54

-Pos 300103E "Transport bis 2000 m":

1.500 m3 S 7,62

-Pos 300301A "Transportkosten Eluatkl.I":

20 m3 S 326,70

-Pos 300301B "Wiederverwend.-Deponiek.I"

20 m3 S 495,--

Am 31. 3. 1995 erfolgte die Vergabe im Büro der beklagten Partei und wurde der Bauvertrag auch schriftlich abgeschlossen. Die Bauvergabeniederschrift und das Angebot der klagenden Partei als Auftragnehmerin samt Leistungsverzeichnis und Anhang wurden zum Vertragsbestandteil erhoben. Unter anderem waren auch die ÖNormen B 2110 und A 2060 Vertragsbestandteil.

Am 5. 4. 1995 fragte jener Mitarbeiter, der das Anbot der klagenden Partei erstellt hatte, im Zuge einer Begehung am Ort der geplanten Kanalbauarbeiten, wo das überschüssige Aushubmaterial deponiert werden könne. Der Bürgermeister der vom Kanalisationsvorhaben betroffenen Gemeinde nannte zwei Liegenschaften, worauf ein Polier der klagenden Partei angewiesen wurde, die Namen der Liegenschaftseigentümer beim Bürgermeister zu erfragen und mit den Eigentümern Deponieverträge abzuschließen. Im Bereich einer dieser Liegenschaften hatte der Abwasserverband bereits vor den Kanalbauarbeiten mit Zustimmung des Liegenschaftseigentümers immer wieder Material deponiert. Wegen der Deponierung trat von der beklagten Partei niemand an diesen Liegenschaftseigentümer heran. Ein bis zwei Wochen nach Beginn der Grabungsarbeiten wandte sich dieser Eigentümer an die klagende Partei, ob sie überschüssiges Erdmaterial auf seiner Liegenschaft deponieren wolle. In der Folge erteilte der Liegenschaftseigentümer die unwiderrufliche Genehmigung zur Ablagerung und zum Einplanieren von Erd- und Aushubmaterial. Da die Liegenschaft bereits mehrmals als Deponie verwendet worden war, war es nicht nötig, eine Humusschichte abzutragen. Die klagende Partei verwendete diese Liegenschaft als Deponie für das überschüssige Erdmaterial und schob dieses auch immer wieder mit einer Schubraupe gleich. Gegen Ende der Arbeiten vereinbarte die klagende Partei mit diesem Liegenschaftseigentümer, dass er die endgültige Planierung des angeschütteten Erdreichs gegen Erhalt von 80 m3 Schotter, der ebenfalls als Überschuss auf der Baustelle angefallen war, übernehme. Eine Humusierung bzw Begrünung der Liegenschaft war nicht erforderlich. Die zweite Liegenschaft, die vom Bürgermeister als mögliche Deponie genannt worden war, wurde im Zuge der Bauarbeiten wegen ihrer ungünstigen Lage nicht verwendet. Der Leiter einer Molkerei fragte bei der von den Arbeiten betroffenen Gemeinde an, ob Aushubmaterial im Zuge der Verwirklichung des Kanalbauvorhabens verfügbar sein werde, um damit eine aufgelassene Kläranlage zuschütten zu können. Der Bürgermeister verwies den Leiter der Molkerei an die klagende Partei, die der Molkerei die Einbringung von überschüssigem Erdmaterial in deren aufgelassene Kläranlage zusagte. Das abgelagerte Erdreich wurde auch im Zuge der Schüttarbeiten immer wieder gleichgeschoben und letztlich planiert. Eine Begrünung bzw Humusierung der aufgefüllten Grube war nicht nötig.

Im April 1995 trat der Bürgermeister an einen weiteren Liegenschaftseigentümer mit dem Wunsch heran, überschüssiges Erdmaterial auf dessen Liegenschaft zu lagern. Dieser war damit einverstanden. Über eine Planierung des abgelagerten Materials nach Beendigung der Schüttarbeiten wurde nichts vereinbart. Der Eigentümer der Liegenschaft nahm aber als selbstverständlich an, dass dafür die Gemeinde sorgen werde. Er teilte dem für die klagende Partei tätigen Polier mit, sie könne auf seiner Liegenschaft deponieren. Ein Deponievertrag wie mit dem anderen Liegenschaftseigentümer wurde aber erst am 8. 11. 1995 geschlossen, nachdem der Polier dem Eigentümer der Liegenschaft erklärt hatte, das abgelagerte Material werde erst nach Unterfertigung der Vereinbarung planiert werden. Die Planierungsarbeiten wurden von der klagenden Partei schließlich vorgenommen. Die Begrünung des abgelagerten Materials führte der Liegenschaftseigentümer selbst durch. Zur Molkerei wurden etwa 300 m3, zur letzterwähnten Deponie ca 1.500 m3 und zur erstgenannten rund 3.000 m3 an Aushubmaterial verbracht. Dem Bürgermeister war zwar klar, dass der beklagten Partei die Planierung der Deponien oblegen wäre, wartete aber auf eine Aufforderung der klagenden Partei bzw auf die "Vereinbarung einer zusätzlichen Abgeltung" für die Vornahme des Planierens durch die klagende Partei.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 4,833.976,69 sA. Sie habe Aushubmaterial auf den von ihr angemieteten Deponieflächen abgelagert. Dabei habe es sich um wiederverwendbares Material im Sinne der Position 3003 gehandelt. Diese Position komme dann zur Anwendung, wenn die Beschaffung der Deponie sowie die Tragung der Deponierungskosten bzw der Kosten der Wiederverwendung dem Auftraggeber obliegen. Demnach habe sie die ihr angefallenen Kosten ordnungsgemäß in Rechnung gestellt. Die Position 3001 sei nur anwendbar, wenn bloß Transportkosten zu verrechnen seien, weil das Material auf oder im Nahbereich der Baustelle auf Anordnung des Auftraggebers entsorgt werde. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die beklagte Partei sei ständig darauf hingewiesen worden, dass die im Leistungsverzeichnis genannten Mengen gemäß Position 3003 bei weitem überschritten würden. Aus den mehrfach gelegten Teilrechnungen sei nachvollziehbar gewesen, nach welcher Position abgerechnet worden sei. Die im Kostenvoranschlag genannten Mengenangaben bezüglich der Position 3003 seien falsch; dies sei aber der Sphäre der beklagten Partei zuzurechnen, in deren Auftrag das Leistungsverzeichnis erstellt worden sei. Die angefallenen Mehrkosten seien nach Position 300301 zu honorieren, weil die klagende Partei die Deponien beigestellt habe.

Die beklagte Partei wendete ein, die Position 300103 (Transport bis 2000 m) beinhalte reine Transportkosten für Aushubmaterial zu Deponiestandorten, die vom Auftraggeber namhaft gemacht werden. Die Position 300301 sehe hingegen Transportkosten bei Deponiestandorten vor, die vom Auftragnehmer beigestellt würden. Bei den Ausschreibungen sei man davon ausgegangen, dass der Großteil des Materials im Rahmen der Position 300103 und nur geringe Mengen unter der Position 300301 verbracht werden. Die Abrechnung der klagenden Partei habe dieses System genau ins Gegenteil verkehrt. Die klagende Partei habe keine Deponien beigestellt; die beklagte Partei habe die Deponiestandorte im Einvernehmen mit den jeweiligen Liegenschaftseigentümern namhaft gemacht, und das Erdmaterial sei auch tatsächlich auf diesen Deponien abgelagert worden. Die klagende Partei habe es unterlassen, einen Mehraufwand rechtzeitig anzuzeigen bzw geltend zu machen; sie habe die beklagte Partei über ihre Verrechnungsabsicht in Irrtum geführt. Nach den ÖNormen dürfe der Auftragnehmer bei unvermeidlichen Masseverschiebungen die Kalkulation zwar den geänderten Verhältnissen anpassen; ein Anbot solcher Zusatzleistungen sei aber vor Verrichtung der Arbeiten durch die klagende Partei nicht gelegt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei habe von Anfang an für das Bauprojekt selbst Deponien zur Verfügung stellen und die Massen der einzelnen Positionen so ausschreiben wollen, dass die weitaus größere Menge des Aushubmaterials auf diese Deponien verbracht werde. Auch die klagende Partei sei davon ausgegangen, dass die beklagte Partei die Deponien bereitstelle. Eine solche Beistellung erfordere die Namhaftmachung der Liegenschaft, die jeweils nötige Gleichschiebung des angeschütteten Erdmaterials und - soweit erforderlich - die Abtragung der Humusschichte vor der Deponierung sowie die Planierung und Begrünung danach. Die beklagte Partei habe unzweifelhaft die Deponien namhaft gemacht, sich aber nicht weiter um diese gekümmert. Die Position 3003 sei anzuwenden, wenn es dem Auftragnehmer obliege, die Deponien beizustellen.

Die Streitteile hätten einen "Einheitspreisvertrag" geschlossen. Ein Irrtum über den Inhalt der vertraglichen Leistungen sei nicht unterlaufen. Die beklagte Partei habe die ihr vertraglich zukommenden Aufgaben der Betreuung der Deponien (nach der Namhaftmachung) nicht erfüllt. Die klagende Partei als Auftragnehmerin hätte nach Punkt 2.19.2.1 der ÖNorm B 2110 der beklagten Partei in Erfüllung ihrer Warnpflicht schriftlich mitteilen müssen, dass sie eine andere Abrechnungsposition anwenden wolle, weil sie vertraglich von der beklagten Partei zu erbringende Leistungen erbracht habe. Die klagende Partei hätte die ordnungsgemäße Beistellung der Deponien durch die beklagte Partei schriftlich urgieren müssen und nicht ohne Mitteilung die Betreuung der Deponien selbst übernehmen dürfen. Infolge der Unterlassung einer solchen Mitteilung sei sie ihres anteiligen Werklohnanspruchs verlustig gegangen, weil sie nach Punkt 2.19.2.3 der ÖNorm 2110 für die Folgen ihrer Unterlassung hafte. Leistungen, die ohne Auftrag oder in eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag erbracht wurden, seien gemäß Punkt 2.24 der ÖNorm B 2110 nur zu vergüten, wenn sie der Auftraggeber anerkannt habe. Er habe sie anzuerkennen, wenn sie notwendig gewesen seien und die Zustimmung wegen Gefahr im Verzug nicht habe eingeholt werden können. Letztere Voraussetzung liege nicht vor; es mangle auch an einer entsprechenden Behauptung. Der Auftraggeber sei daher nicht verpflichtet, die Leistungen der Auftragnehmerin anzuerkennen. Eine solche Anerkennung durch die beklagte Partei sei auch nicht erfolgt. Die klagende Partei habe daher keinen Anspruch auf Vergütung der von ihr ohne Auftrag erbrachten Leistungen.

Das Gericht zweiter Instanz hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der Wortlaut der jeweils geltenden Fassung der ÖNormen bedürfe keines besonderen Beweises, weil es sich dabei um eine offenkundige Tatsache im Sinne des § 269 ZPO handle. Es sei Vertragswille beider Parteien gewesen, dass die Deponien von der beklagten Partei beizustellen gewesen seien. Die beklagte Partei habe die von ihr zu erbringenden Leistungen - über die bloße Namhaftmachung der Liegenschaftseigentümer hinaus - nicht erbracht; vielmehr seien diese Aufgaben von der klagenden Partei erfüllt worden. Die beklagte Partei sei mit der Erbringung dieser Leistungen durch die klagende Partei einverstanden gewesen, sie habe sich auch nie gegen deren Erbringung ausgesprochen. Demnach sei zwischen den Streitteilen in Abänderung des ursprünglichen Bauvertrags schlüssig vereinbart worden, dass die klagende Partei die erforderlichen Verträge über die Deponierung des Erdmaterials mit den ihr von der beklagten Partei namhaft gemachten Liegenschaftseigentümern abschließe und diese Deponien selbst betreue, also insbesondere das Erdreich einebne und planiere. Damit habe die klagende Partei aber letztlich die Deponien auch zum weitaus überwiegenden Teil beigestellt. Eine Vereinbarung der Streitteile über die Abgeltung dieser über den ursprünglichen Bauvertrag hinausgehenden Leistungen der klagenden Partei, die im Sinne des Punktes 2.23.3 der ÖNorm B 2110 den vertraglich vereinbarten Preis beeinflussten, sei nicht zustande gekommen, weshalb der klagenden Partei gemäß § 1152 ABGB hiefür ein angemessenes Entgelt zustehe. Die Heranziehung der im Anbot für die Position 3003 angeführten Einheitspreise für die Transporte und für die Deponierung des Erdreichs sei nicht ohne weiteres möglich, zumal erfahrungsgemäß bei geringen Mengen vom Anbotleger höhere Einheitspreise kalkuliert würden, wogegen bei einer größeren Menge die Kalkulation in der Regel zu geringeren Einheitspreisen führe. Dem Anspruch der klagenden Partei auf den Werklohn für die zusätzlich vereinbarten Leistungen stehe auch der Inhalt der in den Bauvertrag einbezogenen ÖNormen nicht entgegen, wobei es wegen der inhaltsgleichen Fassung der jeweiligen ÖNormen gleichgültig sei, ob die ÖNorm B 2110 in der Fassung vom 1. 3. 1995 oder die ÖNormen B 2110 in der Fassung vom 1. 3. 1983 bzw die ÖNorm A 2060 vom 1. 1. 1983 anzuwenden seien. Maßgeblich sei die ÖNorm über die Änderung von Preisen bzw die Preise für zusätzliche Leistungen (Punkt 2.23.3 der ÖNorm B 2110), wonach bei solchen Leistungen der Anspruch auf zusätzliche Preise oder eine Preisänderung vor Ausführung dieser Leistung dem Grunde nach beim Auftraggeber geltend zu machen sei, außer der Anspruch auf Preisänderung sei offensichtlich. Bei zusätzlich erbrachten Leistungen sei der Entgeltanspruch in aller Regel wohl offensichtlich. Im konkreten Fall habe der Vertreter der beklagten Partei mit einer zusätzlichen Abgeltung auch tatsächlich gerechnet. Nach der soeben genannten Bestimmung der ÖNorm B 2110 und auch nach der früher in Geltung gestandenen ÖNorm A 2060 habe der Auftragnehmer dem Auftraggeber über zusätzliche Leistungen ein Zusatzanbot mit den auf den Preisgrundlagen und der Preisbasis des Vertrags erstellten neuen Preisen vorzulegen. Der Auftraggeber habe dieses Anbot ehestens zu prüfen und das Einvernehmen mit dem Auftragnehmer herzustellen. Diese ÖNorm-Bestimmung sei dahin zu verstehen, dass sich die Vergütung der Zusatzleistung nach der anzustrebenden Vereinbarung bestimme; wenn diese aber nicht zustandekomme, werde ein angemessenes, durch Relation zur vertraglichen Preisbemessung zu bestimmendes Entgelt geschuldet. Die Unterlassung eines Zusatzanbots führe nicht zum Verlust des darauf entfallenden Werklohnanspruchs. Das Zusatzanbot solle nur der Prüfung der Preisgestaltung durch den Auftraggeber und einer allenfalls einvernehmlichen Preisvereinbarung dienen. Komme eine solche nicht zustande, habe der Auftragnehmer Anspruch auf angemessenes Entgelt gemäß § 1152 ABGB. Im vorliegenden Fall sei von einer vereinbarten Änderung der von der klagenden Partei zu erbringenden Leistung im Sinne des Punktes 2.23.3 der ÖNorm B 2110 (bzw Punkt 2.10.5.3 der ÖNorm A 2060) auszugehen, die den vertraglich vereinbarten Einheitspreis beeinflusse. Dies führe auch zum Anspruch auf Änderung der vereinbarten Einheitspreise für diese Leistungen. Das Erstgericht werde daher das angemessene Entgelt für die von der klagenden Partei durchgeführten Transporte auf die verschiedenen Deponien festzustellen haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Streitteile sind zwar zulässig, indes nicht berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat den Rekurs an den Obersten Gerichtshof unter anderem deshalb zugelassen, weil zu der Frage, ob der Inhalt der ÖNormen als gerichtsbekannt zu gelten habe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Die klagende Partei räumt jedoch in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich ein, ÖNormen seien im Sinne des § 269 ZPO gerichtsbekannt, und die beklagte Partei schneidet diese Rechtsfrage in ihrem Rechtsmittel erst gar nicht an. Auf diese Rechtsfrage ist somit nicht weiter einzugehen. Die Zulässigkeit der beiden Rekurse ist aber aus anderen Gründen zu bejahen:

Das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass das Erstgericht die Frage, ob die von ihm deren Inhalt nach festgestellte ÖNorm B 2110 in der Fassung vom 1. 3. 1995 oder die ÖNorm B 2110 mit Ausgabetag 1. 3. 1983 iVm der ÖNorm A 2060 in der Fassung vom 1. 1. 1983 anzuwenden sei, nicht geprüft habe, meinte aber, mangels voneinander abweichenden Inhalts der korrespondierenden Bestimmungen (Abschnitt 2.23 der ÖNorm 2110 [1995] bzw Abschnitt 2.19.5 der ÖNorm A 2060 [1983]) sei es unerheblich, welche Fassung der einschlägigen ÖNorm im vorliegenden Fall anzuwenden sei. Dementgegen zeigte die beklagte Partei zutreffend auf, dass der Anspruch auf Preisänderung nach Punkt 2.23.3 der ÖNorm B 2110 (1995) vor der Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistungen nur dem Grunde nach und auch nur dann beim Auftraggeber geltend gemacht werden müsse, wenn dieser Anspruch nicht offensichtlich sei, wogegen der Preisänderungsanspruch Punkt 2.10.5.3 der ÖNorm A 2060 (1983) zufolge in jedem Fall und auch nicht bloß nur dem Grunde nach noch vor der Ausführung solcher Leistungen beim Auftraggeber geltend zu machen sei, doch kommt es auf diese inhaltliche Abweichung der einander korrespondierenden ÖNorm-Bestimmungen im hier zu beurteilenden Fall schon deshalb nicht an, weil bei richtiger Beurteilung des festgestellten Sachverhalts keine der zitierten ÖNorm-Bestimmungen anzuwenden ist:

Die Streitteile haben - worauf schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend hinwies - in Abänderung des miteinander geschlossenen Bau(werk)vertrags im Zuge dessen Abwicklung schlüssig vereinbart, dass die klagende Partei die erforderlichen Verträge über die Gestattung der Deponierung des Aushubmaterials auf Liegenschaften in der Umgebung mit deren Eigentümern schließen und diese Deponien auch selbst betreuen sollte, so dass die klagende Partei als Auftragnehmerin die Deponien in Abweichung vom ursprünglichen Vertragsinhalt zum ganz überwiegenden Teil beizustellen habe. Der Bürgermeister der von den Bauarbeiten betroffenen Gemeinde verwies als Vertreter der beklagten Partei die Liegenschaftseigentümer wegen allfälliger Deponierungsvereinbarungen ausdrücklich an die beklagte Partei und war sich im Klaren, dass deshalb mit dieser eine zusätzliche Abgeltung der damit verbundenen Mehr- bzw zusätzlichen Leistungen zu vereinbaren sein werde, deren Erbringung an sich nach dem Inhalt des Bauwerkvertrags der beklagten Partei als Auftraggeberin oblegen wäre. Ging demnach die Initiative zur Ausdehnung des vertraglichen Leistungsumfangs von der beklagten Partei als Auftraggeberin aus, ohne dass sie die Erbringung der erst im Zuge der Vertragserfüllung in Auftrag gegebenen Mehr- bzw zusätzlichen Leistungen von einer vorher zu vereinbarenden Preisänderung abhängig machte, so durfte die klagende Partei bei der Ausführung dieser Leistungen auch darauf vertrauen und hat gewiss auch darauf vertraut, dass die beklagte Partei diese gegenüber dem ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang vermehrten bzw zusätzlichen Leistungen angemessen abgelten werde. Ist aber der Vertrag bzw die Abänderung des Vertrags mit diesem Inhalt - wenn auch bloß konkludent, so doch wirksam - zustande gekommen, so bleibt für eine Prozedur, wie sie Punkt 2.23.3 der ÖNorm B 2110 (1995), aber auch, wenn auch etwas abweichend, Punkt 2.10.5.3 der ÖNorm A 2060 (1983) vorsehen, kein Raum.

Dazu ist ergänzend auszuführen: Diese beiden ÖNorm-Bestimmungen knüpfen an die jeweils vorhergehenden Punkte (2.23.2 bzw 2.10.5.2) an; danach hat, wenn einer der Vertragspartner Änderungen vereinbarter Leistungen bzw der Umstände der Leistungserbringung bzw zusätzliche Leistungen (die im Vertrag nicht vorgesehen sind) für erforderlich hält, dieser Vertragspartner dem anderen dieses Erfordernis ehestens nachweisbar bekanntzugeben. Erst dann hat der Auftragnehmer, beeinflusst die Änderung der Leistung den vereinbarten Preis oder werden zusätzliche Leistungen vorgesehen, den Anspruch auf Preisänderung noch vor der Ausführung solcher Leistungen dem Grunde nach, sofern er nicht offensichtlich ist (so Punkt 2.23.3 der ÖNorm B 2110 [1995]) oder überhaupt (so Punkt 2.10.5.3 der ÖNorm A 2060 [1983]) beim Auftraggeber geltend zu machen und ehestens ein Zusatzanbot vorzulegen. Damit soll der Auftraggeber, tritt der Auftragnehmer mit einem solchen Ansinnen an ihn heran, in die Lage versetzt werden, die Baukostenplanung zu überdenken bzw drohenden Mehrkosten entgegenzusteuern, ehe er sich zu einem solchen zusätzlichen Auftrag bereit findet (vgl dazu auch Oberndorfer/Straube, Komm z.d. ÖNormen des Vergabe- und Verdingungswesens2 ÖNorm B 2110 Anm 23.2). Erteilt er indes den zusätzlichen Auftrag ohne jeden Vorbehalt und nimmt der Auftragnehmer diese Offerte - wenn auch bloß schlüssig - an, so kommt schon damit die von ihm entrierte Vertragsänderung unter Einschluss der Vereinbarung eines angemessenen Entgelts zustande, ohne dass es noch auf die in den erörterten ÖNorm-Bestimmungen zur Sicherung der Interessen des Auftraggebers eingebauten Kautelen ankäme: Es wäre eben Sache des Auftraggebers gewesen, vor seinem (auch schlüssigen) Anbot zur Vertragsänderung auf einem Zusatzanbot zu bestehen.

Daraus folgt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für deren in Auftrag gegebenen Mehr- bzw zusätzlichen Leistungen das angemessene Entgelt (§ 1152 ABGB) schuldet. Der zweiten Instanz ist darin beizupflichten, dass die im (ursprünglichen) Anbot für die Position 3003 eingesetzten Einheitspreise nicht ohne weiteres für die Mehr- bzw zusätzlichen Leistungen herangezogen werden können, weil die Kalkulationen üblicherweise mengenabhängig sind: Demgemäß hat auch der Mitarbeiter der klagenden Partei, der das Anbot der Kalkulationsabteilung überprüft hatte, als Zeuge in erster Instanz bekundet, bei der hier zu beurteilenden Verschiebung der Massen wäre der Preisunterschied "gewaltig" gewesen (Protokoll vom 28. 7. 1998, S. 33 und 35).

Deshalb wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren das angemessene Entgelt für die von der klagenden Partei im Auftrag der beklagten Partei erbrachten Mehrleistungen nach Erörterung mit den Parteien und Ergänzung des Beweisverfahrens zu ermitteln und danach im Sinne der voranstehenden Erwägungen neuerlich über das Klagebegehren zu befinden haben.

Keinem der Rekurse der Streitteile ist demgemäß Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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