OGH 8ObA143/98g

OGH8ObA143/98g21.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl, und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter B*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Georg Grießer, und Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Werner M***** und Dr. Eduard K*****, Rechtsanwälte, beide *****, vertreten durch Dr. Georg Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (S 250.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Februar 1998, GZ 8 Ra 380/97d-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. Juli 1997, GZ 13 Cga 257/94x-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 12.195,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.032,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit am 29. 11. 1994 bei Gericht eingelangter Klage - nach Änderung seines Klagebegehrens - die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach der mit Schreiben vom 18. 4. 1996 erfolgten Kündigung bestanden habe und brachte hiezu vor, er sei seit 1991 bei der W***** GmbH Dipl.-Kfm P***** & Co KG, welche auf Grund eines Werbevertrages mit der Firma H***** und I***** ***** GmbH für die Werbung der Anzeigen für die amtlichen Telefonbücher der Post und Telegrafenverwaltung tätig war, beschäftigt gewesen. Um die Jahresmitte 1994 habe der Arbeitgeber dem Kläger mitgeteilt, dass er diese Werbetätigkeit einstellen werde. Der Kläger habe von der beklagten Partei ein Rundschreiben erhalten, aus dem hervorgegangen sei, dass sie nun mehr diesen Anzeigenverkauf durchführe. In weiterer Folge habe sich immer mehr herausgestellt, dass offenbar seit Mitte 1994 die beklagte Partei das erwähnte Inseratengeschäft für die amtlichen Telefonbücher weitergeführt habe.

Die beklagte Partei habe am 18. 4. 1996 zum nächsten gesetzlichen Kündigungstermin eine Eventualkündigung des Klägers ausgesprochen, welche zu 5 Cga 88/96p des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien angefochten werde. Demzufolge änderte der Kläger sein Klagebegehren.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte vor, am 6. 7. 1994 habe die beklagte Partei die Vertragsbeziehung zur WWG (W***** GmbH) beendet, sodass sie in Zukunft die Akquisition selbst und ohne Inanspruchnahme der Dienste der WWG durchführen habe können. Es liege kein Betriebsübergang vor, weil eine rechtsgeschäftliche Übertragung nicht erfolgt sei, sondern es handle es sich um die Beendigung eines Auftrages/Werkvertrages, die keine Übertragung der Arbeitsverträge rechtfertige.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger war seit dem Jahr 1991 bei der W***** GmbH Dipl.-Kfm P***** & Co KG (im folgenden WWG) als Außendienstmitarbeiter im Angestelltenverhältnis beschäftigt und mit der Akquisition von Kunden für den Anzeigenteil der Amtlichen Telefonbücher der Post- und Telegrafenverwaltung tätig, womit sich die WWG im wesentlichen beschäftigte.

Mit Vertrag vom 19. bzw 24. 6. 1991 übernahm die H***** GmbH (im folgenden HIA), deren Rechtsnachfolger die beklagte Partei auf Grund einer Verschmelzung ist, von der Post- und Telegrafenverwaltung die Bearbeitung und Herausgabe der amtlichen Telefonbücher für die Dauer von sechs Jahren. Mit Werbevertrag vom 24. 4. 1992, ergänzt am 4. 8. 1992, betraute die HIA die WWG ausschließlich mit der Akquistion für diese Telefonbücher. Die Auftragsbearbeitung, Redaktion und Abrechnung besorgte die HIA. Mit Vereinbarung vom 6. 7. 1994 wurden die zwischen HIA und WWG geschlossenen Verträge aufgelöst und die gesamte Akquisition von Werbeeintragungen für die amtlichen Telefon- und Branchenbücher von der HIA alleine ohne Inanspruchnahme der WWG durchgeführt. Die WWG erhielt anlässlich dieser Vereinbarung einen Betrag in der Höhe von S 26 Mio.

Der Betrieb der WWG wurde stillgelegt und die von der HIA angemieteten Büroräumlichkeiten in der Folge geräumt. Das Inventar ging an die Mutterfirma der WWG. Die Namen und Adressen der durch die WWG akquirierten Kunden hatte die HIA bereits vor der Vereinbarung vom 6. 7. 1994 in ihrem Einflussbereich, dies in Form von je einem Originalbestellschein und einem Durchschlag.

Mit Schreiben vom 8. 7. 1994 erklärte sich der Kläger gegenüber der WWG arbeitswillig und arbeitsbereit und ersuchte diese um Bekanntgabe, wo er nunmehr seinen Dienst ausüben könne. Die HIA sandte Mustervertreterverträge für die Aufnahme von freien Mitarbeitern an alle Mitarbeiter der WWG und bot Verhandlungsgespräche mit Schreiben vom 6. 7. 1994 an, in deren Verlauf der Großteil der mit der Kundenaquisition betrauten Außendienstmitarbeiter der WWG bei der HIA mit Schreiben vom 12. 9. 1994 eingestellt wurde. Der Kläger, der am 5. 8. 1994 dienstfrei gestellt, mit Schreiben vom 12. 9. 1994 zum 15. 11. 1994 von der WWG gekündigt und in diesem Kündigungsschreiben darauf hingewiesen wurde, dass er bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Mitarbeiter der WWG bleibe, und keiner anderen Beschäftigung nachgehen dürfe, weil ihm ansonsten die Entlassung und der Verlust aller Ansprüche drohe, nahm an den mit Schreiben vom 6. 7. 1994 angesprochenen Besprechungen nicht teil, weil er von einem zur WWG weiterbestehenden Arbeitsverhältnis ausging und zudem als einer der wenigen bei der WWG angestellten Außendienstmitarbeiter kein Arbeitsverhältnis als freier Mitarbeiter mit der HIA eingehen wollte. Der Kläger hatte von einem ex lege-Betriebsübergang nach dem AVRAG keine Kenntnis. Er erfuhr erst anlässlich einer anwaltlichen Beratung im September 1994 von den Bestimmungen des AVRAG und brachte die vorliegende Klage am 29. November 1994 ein. Am 18. 4. 1996 sprach die beklagte Partei zum nächsten gesetzlichen Kündigungstermin eine Eventualkündigung gegenüber dem Kläger aus.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, für einen Betriebsübergang nach § 3 Abs 1 AVRAG sei nicht unbedingt erforderlich, dass Vermögensgegenstände übertragen würden, und es spiele auch keine Rolle, auf welcher Rechtsgrundlage der Betriebsübergang erfolge. Die HIA, deren Rechtsnachfolger die beklagte Partei sei, habe die gesamte Akquisitionstätigkeit, welche vorher von der WWG selbständig durchgeführt worden sei, im Anschluss an die Beendigung der vertraglichen Beziehungen zur WWG übernommen und weitergeführt. Es habe sich somit um eine wirtschaftliche Einheit, welche von der WWG auf die HIA bzw die beklagte Partei gewechselt habe, gehandelt. Es genüge, dass die beklagte Partei den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des für diese Tätigkeit eingesetzten Personals, nämlich den Großteil der Außendienstmitarbeiter der WWG, nunmehr beschäftige. Die Identität der wirtschaftlichen Einheit werde im Falle der Akquisition von Kunden, wo es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankomme, dadurch gewahrt, dass die beklagte Partei eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die die Fortsetzung der Tätigkeit auf Dauer erlaube, übernommen habe. Der Kläger habe keinerlei Beweggründe und keine Veranlassung gehabt, sich bei der beklagten Partei zu melden oder an irgendwelchen Besprechungen teilzunehmen. Vielmehr wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, ihm unverzüglich mittels Dienstzettels seine wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis klar zu machen und des weiteren jede auf Grund des Betriebsüberganges erfolgte Änderung der Arbeitsbedingungen mitzuteilen. Da eine solche Verständigung nicht erfolgt sei, habe die beklagte Partei keinesfalls zweifelsfrei davon ausgehen können, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis mit ihr habe vorzeitig beenden wollen. Es sei sohin ein ex lege-Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers von der WWG auf die beklagte Partei im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG erfolgt, welches bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nach der mit Schreiben vom 18. 4. 1996 erfolgten Kündigung durch die beklagte Partei bestanden habe. Da die beklagte Partei ihrer Verpflichtung, dem Kläger einen Dienstzettel mit den im § 2 Abs 2 AVRAG aufgezählten Angaben auszuhändigen, nicht nachgekommen sei, habe sie die Ausstellung eines Dienstzettels nunmehr nachzuholen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, dass das vom Kläger nicht mehr aufrechterhaltene Begehren, ihm einen Dienstzettel auszufolgen, nicht mehr Teil des Urteils sei. Es verneinte die gerügten Verfahrensmängel und die Aktenwidrigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens; weiters übernahm es die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung, die zu keinen Zweifeln Anlass gebe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, § 3 AVRAG regle den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber. Gemäß § 3 Abs 1 AVRAG trete im Falle des Überganges eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles auf einen anderen Inhaber dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Die Formulierung des § 3 Abs 1 entspreche Art 1 und 3 Abs 1 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 14. 2. 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (RL 77/187/EWG) . Der Zweck dieser Betriebsübergangsrichtlinie bestehe darin, die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers, soweit wie möglich zu gewährleisten (vgl DRdA 1997/12 [Kirschbaum]). Diese Richtlinie solle nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sicherstellen, dass den durch den Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern ihre Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag bzw dem Arbeitsverhältnis erhalten blieben. Dieser Schutz sei der Verfügung der Parteien des Arbeitsvertrages entzogen. Daraus folge, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht auf die Rechte verzichten könnten, die ihnen auf Grund der Richtlinie zustünden und dass eine Verkürzung dieser Rechte selbst mit ihrer Zustimmung unzulässig sei. Die in der Richtlinie und im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik wirke daher unabhängig vom allenfalls gegenteiligen Wollen des bisherigen und des neuen Inhabers ebenso wie des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers (vgl RdW 1996, 73). Maßgeblich sei, ob der Erwerber in die Lage versetzt werde, den Betrieb oder Betriebsteil im wesentlichen fortzuführen.

Die beklagte Partei habe die gesamte Akquisitionstätigkeit, die darin bestand, dass die Außendienstmitarbeiter Kunden für Werbeeinschaltungen im Anzeigenteil der amtlichen Telefonbücher akquirierten, sohin eine organisatorische und wirtschaftliche Einheit übernommen und die von diesen Mitarbeitern der WWG akquirierten Kunden weiter betreut. Um diese Tätigkeit hinsichtlich des bestehenden Kundenstockes bestmöglich und ohne Unterbrechung weiterzuführen, seien nahezu alle - wenngleich vorwiegend freien - Außendienstmitarbeiter der WWG übernommen worden, die in der wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit eingebunden gewesen seien. Da es unerheblich sei, auf welcher Rechtsgrundlage der Betriebsübergang im Sinne des § 3 AVRAG eintrete (vgl WBl 1993, 307), sei die rechtliche Qualifikation des von der beklagten Partei an die WWG bezahlten Betrages von S 26 Mio nicht entscheidend. Die betriebliche Identität sei auf Grund der Übernahme der ausschließlichen Akquisitionstätigkeit der WWG gewahrt worden. Aus der Treuepflicht des Klägers sei eine Verpflichtung, die beklagte Partei über die Rechtsfolgen des AVRAG aufzuklären, nicht abzuleiten. Der Kläger sei selbst über die Anwendbarkeit des AVRAG nicht informiert gewesen, noch habe er von der beklagten Partei über den Betriebsübergang Informationen erhalten. Daher sei es auszuschließen, dass er auf seine Rechte aus dem AVRAG schlüssig verzichtet habe. Gehe man davon aus, dass auch die beklagte Partei keine Kenntnis vom Betriebsübergang hatte, hätte sie selbst nicht auf einen vorzeitigen Austritt oder auf einen Widerspruch des Klägers vertrauen können. Da die im AVRAG vorgesehene Eintrittsautomatik unabhängig vom gegenteiligen Wollen des bisherigen und des neuen Inhabers des Betriebs(bzw Betriebsteiles) sowie des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers wirke, würde die Annahme eines Austritts oder Widerspruchs des Klägers dem Schutzzweck der Richtlinie sowie des AVRAG zuwiderlaufen. Soweit in der Berufung davon ausgegangen werde, der Kläger sei bereits im Sommer 1994 über die Anwendbarkeit des AVRAG unterrichtet gewesen, entferne sie sich von den Feststellungen und führe die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus. Zusammenfassend sei daher das Erstgericht zutreffend von einem ex lege-Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die beklagte Partei im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG ausgegangen, welches bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach der mit Schreiben vom 18. 4. 1996 erfolgten (Eventual-)Kündigung durch die beklagte Partei bestanden habe (Gegen diese Kündigung richtet sich die 5 Cga 88/96p des Erstgerichtes erhobene Anfechtungsklage, sodass ungeachtet der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Eventualkündigung vom 18. 4. 1996 das rechtliche Interesse an der vom Kläger begehrten Feststellung als Vorfrage für die Anfechtungsklage nicht in Zweifel gezogen worden ist).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die von der beklagten Partei gerügten Verfahrensmängel und die Aktenwidrigkeiten des Verfahrens erster Instanz hat schon das Berufungsgericht verneint, sodass sie im Revisionsverfahren nicht mehr erneut geltend gemacht werden können. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit sich die Revision gegen die Bezeichnung der Außendienstmitarbeiter als "Know-how-Träger" wendet, wird eine Rechtsfrage angeschnitten, die im entsprechenden Zusammenhang zu behandeln ist.

Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch Oberste Gerichtshof wenden für die Auslegung des Begriffes Betriebs-(Teil-)Übergang in der Richtlinie 77/187/EWG bzw in § 3 AVRAG das bewegliche System an (DRdA 1999/32 [Wachter]; RdW 1999, 222; Holzner/Reissner AVRAG 75). Die Merkmale, die für den Typus des Betriebs-(Teil-)Übergangs sprechen, sind (siehe dazu Kürner und Resch in Jabornegg/Resch Betriebsübergang 18 und 43):

Die im vorliegenden Fall für den Übergang eines Betriebsteiles sprechenden Merkmale bestehen nicht nur in der Übertragung einer Funktion (Akquisition von Werbeeinschaltungen im Amtlichen Telefonbuch und Branchenverzeichnis); die Übertragung einer Funktion allein wäre unzureichend (EuGH 11. 3. 1997 Rs C 13/95 Ayse Süzen = DRdA 1997/34 [Kirschbaum]; Holzer/Reissner aaO 78 f). Soweit Krejci, Betriebsübergang 46, die Entscheidung 8 ObA 2020/96h (Hauszustellung = DRdA 1997/32, 295 [Resch] = SZ 69/126) kritisiert, es komme nicht darauf an, dass die Hauszustellung eine gewisse Organisation erforderlich mache, sondern ob mit der Übertragung der Aufgabe an einen anderen auch diese Organisation an den Funktionsnachfolger übergegangen sei, ist ihm zu erwidern, dass dort erhebliche Betriebsmittel, nämlich ein "Kundenstock" (Zeitungsabonnenten und zugehöriges Adressenmaterial) übergegangen sind (siehe dazu Holzer/Reissner aaO 90) und hier das Adressenmaterial, das sogar die beklagte Partei von einem "aufbereiteten" Kundenstock sprechen ließ (Vertretervertrag Beilage A Punkt V Abs 2), auf die beklagte Partei übertragen worden ist. Dazu kommt weiters die Übernahme der meisten freien Mitarbeiter, die einen Großteil der Akquisitionstätigkeit von der beklagten Partei besorgt haben. Es ist der beklagten Partei zuzugeben, dass das AVRAG nur für "echte" Arbeitnehmer gilt (§ 1 Abs 1), nicht aber für freie Mitarbeiter. Bei der Prüfung des Merkmales der Betriebsidentität ist aber zu berücksichtigen, dass bei einer Vertriebsorganisation wie der WWG für den Wert des Betriebes neben dem Kundenstock vor allem die Sachkunde und die Kundenkontakte der Mitarbeiter maßgeblich sind und demgegenüber das Betriebsvermögen als nahezu unbedeutend in den Hintergrund tritt. Im Sinne einer strukturorientierten Betrachtung, wonach als Betrieb oder Betriebsteil jede wirtschaftliche Einheit verstanden wird, die durch eine "organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung" gebildet wird (Annuß, Der Betriebsübergang in der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Betriebsberater 1998, 1582), kommt es auf die Organisation der Außendienstmitarbeiter mehr an, als auf deren arbeitsrechtliche Qualifikation. Es waren bei der WWG lediglich vier Angestellte und etwa 20 freie Mitarbeiter beschäftigt, woraus sich folgern lässt, dass ein erheblicher Teil der Inseratenaufträge von freien Mitarbeitern erbracht worden ist.

Obwohl die Anzeigenaufträge nur eine Laufzeit von einem Jahr (eine Ausgabe des Telefonbuchs und Branchenverzeichnisses bis zum Erscheinen der des nächsten Jahres) hatten, dürfen die stetigen, mit einer Person - auch als freier Mitarbeiter - verbundenen Kundenkontakte keinesfalls unterschätzt werden, denn es bedeutet einen erheblichen Vorteil, kann der Werber auf den jeweils im vorausgegangen Jahr erteilten Auftrag verweisen; mit anderen Worten eine besondere Überzeugungsarbeit über die Eigenschaft des Werbeträgers, die "richtige" Zielgruppe anzusprechen, ist bei Nutzung eines bestehenden Kundenkontaktes erheblich geringer, wodurch in gleicher Weise für den freien Mitarbeiter wie auch für einen Angestellten eine erhebliche Arbeitserleichterung verbunden ist. Dementsprechend sind von der WWG auf die beklagte Partei auch keine sachlichen Betriebsmittel übergegangen, denn diese bestanden im wesentlichen nur in einer Büroeinrichtung, die bei der beklagten Partei schon vorhanden war.

Die Organisation der Betriebstätigkeit bestand überwiegend in der Verwaltung der Namen und Adressen der Kunden; während die Auftragsbearbeitung, Redaktion und Abrechnung schon vor dem "Übergang" von der HIA besorgt wurden, sodass insoweit ein Übertragungsvorgang nicht mehr erforderlich war (von WWG auf die beklagte Partei). Das wesentliche Merkmal für die Betriebsidentität war daher die Übertragung des Kundenstockes mit den meisten "freien Mitarbeitern", die einen erheblichen Teil der Akquisitionstätigkeit der WWG verrichteten und nunmehr bei der beklagten Partei verrichten.

Als ein weiteres Merkmal, das für den Betriebsübergang spricht, ist der nahtlose Übergang der Akquisitionstätigkeit von der WWG auf die beklagte Partei im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 6. 7. 1994 anzusehen. Die Qualifikation der Abstandszahlung von 26 Mio S aus dieser Vereinbarung kann für den Betriebsübergang vernachlässigt werden, weil ein Betriebs(Teil-)Übergang sogar ohne Vertragsbeziehung zwischen Veräußerer und Erwerber von der Rechtsprechung bejaht wurde (vgl zur Nachfolge durch den neuen Pächter bei Neuverpachtung durch den Eigentümer EuGH 10. 2. 1988 Rs 324/86 Daddy's Dance Hall sowie OGH DRdA 1999/32; zum "Subventionsübergang" EuGH 19. 5. 1992 Rs C 29/91 Redmont Stichting sowie 8 ObA 2100/96y und 8 ObA 244/99m; zur Auftragsneuvergabe EuGH 11. 3. 1997 Rs C 13/95 Ayse Süzen, EuGH 10. 12. 1998 Rs C 173/96 , C 247/96 Francisca Sanchez Hidalgo. In diesen Fällen ist es zwischen Überträger und Übernehmer des Betriebes zu keiner Vereinbarung gekommen).

Die Revisionswerberin wiederholt ihre Berufungsausführungen, der Kläger habe von sich aus (schlüssig) das Arbeitsverhältnis noch vor seinem Übergang auf die beklagte Partei aus eigenem beendet. Hier ist - wie schon in der Berufungsentscheidung - darauf zu verweisen, dass nach den Feststellungen der Kläger erst im September 1994 von der Betriebsübergangsautomatik des AVRAG erfahren hat. Für den Kläger bestand kein Anlass, seine Arbeitsbereitschaft nicht nur der WWG, sondern auch der beklagten Partei anzubieten. Jene hatte ihn dienstfrei gestellt und unter Androhung der Entlassung verboten, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 15. 11. 1994 für ein anderes Unternehmen tätig zu werden; diese hält noch in ihrer Revision daran fest, ein Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers an sie sei nicht eingetreten. Die Annahme einer schlüssigen Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der WWG muss daran scheitern, dass weder dem Kläger noch der beklagten Partei noch der Veräußererin die Rechtsfolgen des Betriebs-(Teil-)Überganges bekannt waren und daher aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers von der beklagten Partei nicht angenommen werden konnte, der Kläger mache von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch, zumal er die gegenständliche Klage bereits am 29. 11. 1994 eingebracht hat.

Da der Oberste Gerichtshof der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Betriebs(Teil-)Übergang gefolgt ist, bedarf es keiner Vorabentscheidung im Sinne des Art 177 EGV.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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