OGH 9Ob265/99g

OGH9Ob265/99g13.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei V*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei Türki*****, *****, vertreten durch Dr. Paul Doralt ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 14,825.740,-) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. August 1999, GZ 46 R 1390/99y-32, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entscheidend ist, ob die gefährdeten Partei ("Erstbank") als Rückgarantin der Antragsgegnerin - der aus der Rückgarantie begünstigten "Zweitbank" - rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Rückgarantie vorwerfen kann. Dafür reicht aber die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Begünstigten aus der Hauptgarantie nicht aus. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Zweitbank wird dann angenommen, wenn sie dem Begünstigten aus der Hauptgarantie zahlt, obwohl sie den Rechtsmissbrauch des Begünstigten kennt und es für sie liquide beweisbar ist, dass der Begünstigte die Hauptgarantie rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt (Koziol in Österreichisches Bankvertragsrecht II 3/138).

Ob die von der Antragsgegnerin erklärte "endgültige Garantie" (Hauptgarantie) nach ihrem Inhalt als abstrakte Garantie zu beurteilen ist, ist eine Frage der Auslegung der Erklärung, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO anzusehen ist. Dass die Vorinstanzen die Erklärung als abstrakte Garantie beurteilt haben, stellt jedenfalls keine krasse, die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung dar (beachte vor allem die Formulierung "...nach Erhalt Ihrer ersten schriftlichen Aufforderung..., worin behauptet wird, daß V***** ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat; vgl dazu RIS-Justiz RS0016992; zuletzt SZ 70/177). Dass in der Erklärung auf das Grundgeschäft Bezug genommen wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, weil auch in der Garantieerklärung regelmäßig auf das Valutaverhältnis zwischen Begünstigtem und Drittem hingewiesen werden muss, weil sonst nicht feststellbar wäre, welche Leistung garantiert wird (Koziol, aaO, 3/22).

Voraussetzung für Rechtsmissbrauch bei der Inanspruchnahme der Bankgarantie ist, dass zwischen den vom Handelnden verfolgten Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht; der Schädigungszweck muss augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Demgemäß ist der Begünstigte aus einer Bankgarantie nicht mehr schutzwürdig, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, dass er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte (EvBl 1992/131; SZ 66/82; RIS-Justiz RS0018006). Dass die Antragsgegnerin ein in diesem Sinne rechtsmissbräuchliches Verhalten des Begünstigten aus der Hauptgarantie kannte und liquide beweisen konnte, hat das Rekursgericht zutreffend verneint.

Dem dazu erhobenen Einwand der Revisionswerber, der Begünstigte habe erkennbar rechtsmissbräuchlich gehandelt, weil er die Hauptgarantie für Verzögerungsschäden ausgenützt habe, für die nach dem Vertrag zwischen ihm und der Gefährdeten gar nicht gehaftet werde, ist das Rekursgericht zu Recht nicht gefolgt. Aus dem Inhalt der Garantieerklärung ist nämlich eine derartige Einschränkung in keiner Weise ersichtlich. Der Rückgriff auf die Vereinbarungen über das den Anlass der Garantie bildende Grundgeschäft ist der Revisionswerberin aber versagt. Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen. Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis sind ausgeschlossen. Dieser Ausschluss darf auch nicht auf Umwegen umgangen werden (RdW 1988, 160; ÖBA 1992, 167; RIS-Justiz RS0005081).

Zum Einwand der Revisionswerberin, der Begünstigte habe die Hauptgarantie verfrüht abgerufen, kann auf die ausführlichen Überlegungen des Rekursgerichtes verwiesen werden, das zu Recht darauf verwies, dass die Erklärung nach ihrem Wortlaut "am 9. Oktober 1998 Gültigkeit" erlangte. Auch wenn dieser Termin durch die anschließende, in Klammer gesetzte Formulierung als "10. Tage vor dem letzten, in dem ...... Akkreditiv ..... angegebenen Liefertermin" erläutert wird, ist die Meinung, die nachträgliche Änderung des Liefertermines (und in diesem Sinne auch des Akkreditivs) ändere am Eintritt der nach ihrem Inhalt zu beurteilenden Gültigkeit der Garantie mit dem ausdrücklich genannten Termin 9. Oktober 1998 nichts, keineswegs unvertretbar. Dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt erachtet, kann aber kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden (JBl 1990, 177; RIS-Justiz RS0017997).

Dass nach einer Reihe von höchstgerichtlichen Entscheidungen die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmissbrauch einen Akt der richterlichen Beweiswürdigung darstellt, ist richtig (RdW 1988, 134; SZ 61/39 ua). Dieser Rechtssatz betrifft aber naturgemäß nur den Nachweis der für die Behauptung des Rechtsmissbrauches erforderlichen Tatsachen. Ob die (hier gar nicht strittigen) Tatsachen in rechtlicher Hinsicht geeignet sind, den Vorwurf des Rechtsmissbrauches zu rechtfertigen, ist hingegen eine Frage der rechtliche Beurteilung, an deren Lösung durch das Erstgericht das Rekursgericht unabhängig von der Erhebung einer Tatsachenrüge durch die Rekurswerberin nicht gebunden war.

Dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Begünstigten aus der Hauptgarantie erfolgreich die Zahlung des Garantiebetrages verweigert habe, hat die Gefährdete in erster Instanz nicht vorgebracht und wurde auch nicht festgestellt. Auf diese erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung ist daher im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht einzugehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte