OGH 2Ob265/99f

OGH2Ob265/99f5.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter R*****, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Daniel B*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Wamprechtshamer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 176.961,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 2. Juni 1999, GZ 1 R 58/99a-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25. Jänner 1999, GZ 1 Cg 159/98v-8, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Dem Beklagten wurde der "Winterdienst" (Schneeräumen zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr, Bestreuung) für ein in Salzburg gelegenes Objekt vertraglich überbunden. Der Beklagte beauftragte seinerseits einen seiner Mitarbeiter mit dem "Winterdienst". Es handelt sich dabei um ein Gebäude, dessen Eingang ca 60 cm unter dem Straßenniveau liegt und über drei Stufen zu erreichen ist. Der Kläger, der das Gebäude am 17. 12. 1997 betreten wollte, rutschte auf einer vereisten Fläche mit der Ferse des rechten Fußes nach vorn weg, stürzte und verletzte sich erheblich. Die Stufen waren am Unfallstag zum Teil trocken und lediglich im mittleren bis rechten Bereich, abwärts gesehen, an einzelnen Stellen vereist.

Das Erstgericht wies das auf Schadenersatz gerichtete Klagebegehren ab.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, es sei dem Beklagten gemäß § 93 Abs 5 StVO die Verpflichtung nach § 93 Abs 1 StVO übertragen worden. Am 15. 12. 1997 seien die Räum- und Streuarbeiten vom Beklagten ordnungsgemäß verrichtet worden, in der Folge sei es zu keinen weiteren Niederschlägen gekommen. Es habe daher keine Verpflichtung des Beklagten zur neuerlichen Nachschau, ob noch Split vorhanden sei, bestanden. Der Beklagte habe seiner Räum- und Streupflicht entsprochen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß sich dem Vorbringen des Klägers nicht eindeutig entnehmen lasse, ob er seinen Anspruch aus § 93 Abs 1 iVm Abs 5 StVO ableite oder allenfalls aus § 1319a ABGB, denn in analoger Anwendung des § 93 Abs 5 StVO könne auch der Wegehalter iSd § 1319a ABGB seine Pflichten auf andere übertragen. Diese Frage werde mit dem Kläger zu erörtern und der Bereich, in dem der Kläger zu Sturz kam, zu präzisieren sein.

Es seien aber auch die sich aus der Beiziehung eines Gehilfen durch einen Unternehmer ergebenden Rechtsfragen bislang offensichtlich unerörtert geblieben.

Nach ständiger Rechtsprechung sei der Liegenschaftseigentümer iSd § 93 Abs 1 StVO oder eine gemäß § 93 Abs 5 StVO an seine Stelle tretende Person nicht als Halter eines Weges iSd § 1319a ABGB anzusehen, weshalb sie bei Verletzung ihrer Pflichten nach § 93 StVO auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen hätten. Übertrage der Wegehalter iSd § 1319a ABGB seine Pflichten auf einen selbständigen Unternehmer, dann stehe diesem das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB nicht zu, er hafte ebenso wie der Unternehmer, dem die Pflichten des § 93 Abs 1 StVO gemäß § 93 Abs 5 leg cit übertragen worden seien, nach allgemeinen Schadenersatzregeln selbst für leichte Fahrlässigkeit.

Ebenso, wie der nach § 93 Abs 1 und 5 StVO Verkehrssicherungspflichtige, hafte auch der selbständige Unternehmer, dem die Pflichten des § 1319a ABGB übertragen worden seien, für seinen Gehilfen der Allgemeinheit gegenüber nur nach § 1315 ABGB. Somit hafte der Beklagte dem Kläger gegenüber jedenfalls nur dann, wenn er sich zur Besorgung seiner Angelegenheiten eines untüchtigen Gehilfen bedient haben sollte und diese Gehilfeneigenschaft für den Schadenseintritt kausal gewesen sei.

Im Sinne der überwiegenden, in der Lehre jedoch kritisierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe bei durch Unterlassung verursachter Schädigung der Schädiger die Tüchtigkeit seines Besorgungsgehilfen zu behaupten und zu beweisen, desgleichen auch, daß er für die nach der Lage des Falles erforderliche Überwachung des Besorgungsgehilfen gesorgt habe. Der Beklagte habe zumindest vorgebracht, daß seine Mitarbeiter bei der Streuung sorgfältig vorgegangen seien, was ein Vorbringen impliziere, wonach er sich eines tüchtigen Besorgungsgehilfen bedient habe, weil in der Regel sorgfältiges Handeln mit dem Begriff der Tüchtigkeit zu verbinden sei. Ob sich der Beklagte eines tüchtigen Gehilfen bedient habe, sowie die dazugehörige Frage der zureichenden Überwachung sei im Verfahren erster Instanz bisher unerörtert geblieben, obgleich dieser Umstand für die Beurteilung der Haftung ausschlaggebend sei.

Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren diese Fragen mit den Parteien zu erörtern und das Beweisverfahren zu Art und Umfang der dem Beklagten übetragenen Pflichten sowie zur Eignung des von ihm beigezogenen Gehilfen zur Verrichtung der übertragenen Tätigkeiten zu ergänzen und Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung der Tüchtigkeit des vom Beklagten beigezogenen Besorgungsgehilfen zuließen. Gelinge dem Beklagten dieser Beweis der Tüchtigkeit seines Besorgungsgehilfen, treffe ihn keine Haftung gegenüber dem Kläger, mißlinge der Beweis, so werde der Kläger zu beweisen haben, daß die Untüchtigkeit des Gehilfen für den Schadenseintritt kausal gewesen sei.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Beweislast für die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 1315 ABGB im Falle einer Schädigung durch Unterlassung keine neuere Judikatur vorliege, die vorhandene Judikatur lediglich auf Ehrenzweig, Privatrecht der Schuldverhältnisse, 689 zurückgreife und es auch an einer Auseinandersetzung mit den zitierten gegenteiligen Literaturmeinungen fehle. Im übrigen sei die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes selbst auch nicht einheitlich.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Die Frage der Beweislast stellt sich nämlich erst, wenn Tatsachen, welche zur Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden Norm festgestellt werden müssen, nicht festgestellt werden können, also ein non liquet vorliegt (Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 10 Vor § 266). Derzeit kann aber nicht gesagt werden, daß es dem Erstgericht nicht möglich sein werde, Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung der (Un-)Tüchtigkeit des Gehilfen des Beklagten zuließen. Die Rechtsfrage der Beweislastverteilung stellt sich daher (jedenfalls derzeit) nur theoretisch; eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RIS-Justiz RS0111271). Im fortgesetzten Verfahren wird im Hinblick auf die vom Berufungsgericht wiedergegebene Kritik der Lehre an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Beweislastverteilung bei der durch Unterlassung verursachter Schädigung durch den Besorgungsgehilfen auch dem Kläger die Möglichkeit zu geben sein, entsprechende Behauptungen aufzustellen.

Der Rekurs des Beklagten war sohin zurückzuweisen. Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen, weil sie nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Beklagten hingewiesen hat.

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